Max Luscher coffee brownies downies Inklusion
Quelle: coffee brownies & downies

„Inklusion in your face” – Herzenswärme als Premiumservice

Max C. Luscher hat – gemeinsam mit Roland Braza – mit coffee, brownies & downies mehr als nur ein charmantes Café in Oberursel geschaffen. Er hat einen Raum der Begegnung und sozialen Teilhabe aufgebaut, in dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam arbeiten – und das auf wirtschaftlich tragfähiger Basis. Ziel sind 100 Standorte in Deutschland in Form eines Franchise-Modells – eine „neue Art Systemgastronomie mit Herz“, wie Luscher sie nennt.
Im Interview spricht er offen über Bürokratie-Hürden, Missverständnisse rund um Inklusion und warum Deutschland dringend umdenken muss.

Herr Luscher, wie kam es zur Gründung von coffee, brownies & downies?

Ursprünglich war das Thema Inklusion für viele ein Randthema. Für mich ist es ein Kernthema. Menschen mit Schwerbehinderung haben eine extrem hohe Arbeitslosenquote. Gleichzeitig wird unsere Gesellschaft älter, das heißt: Die Zahl der Menschen mit Einschränkungen steigt. Ich wollte nicht länger zusehen, sondern handeln – und zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und soziale Teilhabe kein Widerspruch sind. Nur so gelingt Inklusion im Herzen der Gesellschaft und findet viele Nachahmer.

Was sind die größten Herausforderungen für Arbeitgeber, die inklusiv arbeiten wollen?

Die Bürokratie ist katastrophal. Es gibt viele Fördertöpfe und Regelungen, aber kaum jemand blickt durch. Selbst Ansprechpartner bei Ämtern kennen oft nur ihren Bereich. Man braucht eigentlich einen Fallmanager, der das koordiniert – sonst wird es für Arbeitgeber schnell unattraktiv. Dazu kommt: Inklusion erfordert neue Prozesse. Es reicht nicht, Menschen mit Beeinträchtigungen ins System zu integrieren – man muss das System gemeinsam mit ihnen neu denken.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Eine Mitarbeiterin von uns hat im Hotel ein Praktikum gemacht. Immer wenn sie ein Frühstücksei aus der Küche zum Tisch bringen wollte, hat eine Kollegin es ihr abgenommen – „Ich geh eh am Tisch vorbei“. Das mag nett gemeint sein, aber sie konnte ihre Aufgabe nie abschließen. Die Prozesse müssen so angepasst werden, dass Menschen mit Beeinträchtigung den Standardprozess gestalten – nicht die Ausnahme sind.

Was braucht es, damit Inklusion auch im Alltag ankommt – bei Gästen zum Beispiel?

Deutschland ist das Land der Berührungsängste. Menschen mit Beeinträchtigungen werden systematisch aus dem Alltag gedrängt – in Werkstätten, Gewerbegebiete. Wir machen es anders. Der Name coffee, brownies & downies ist ganz bewusst plakativ. Die Leute sollen vorher wissen, worum es geht – und sich bewusst dafür entscheiden. So entstehen Begegnungen, Neugier, sogar Vorfreude. Transparenz ist hier entscheidend.

Wie kommen Sie eigentlich an Ihre Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung? Oft heißt es ja, die seien „schwer zu finden“ …

Genau das hat mir auch mal ein Ranghoher Beamter gesagt als finale und höchste Hürde in dem Konzept – und ich war sprachlos. Wir haben dann Social Media genutzt, Radiointerviews gegeben, Poster aufgehängt – und wurden überrannt. 80 Bewerbungen für ein kleines Café! Das Problem liegt nicht an den Menschen, sondern am System. Werkstätten und Behörden sind zu selten Brücken in den ersten Arbeitsmarkt – wir müssen aktiv auf die Menschen zugehen.

Was mussten Sie formal tun, um als Inklusionsbetrieb anerkannt zu werden?

Die Satzung muss das Ziel der Inklusion enthalten, dann braucht man die Zustimmung des Integrationsamts. Und man muss mindestens 30 Prozent Mitarbeitende mit Schwerbehinderung beschäftigen. Unter 30 Prozent fällt die Förderung weg – das kann Existenzen gefährden. Deshalb müssen wir mit mehr Personal starten, als wir eigentlich brauchen, um flexibel zu bleiben.

Und wie sieht es mit Gästen aus, die vielleicht Vorbehalte haben?

Das kommt natürlich vor. Aber wir glauben an Begegnung. Wenn man in unser Café kommt, erlebt man tolle, fröhliche Menschen, die ihren Job mit Leidenschaft machen. Viele Gäste kommen gezielt deshalb. Und genau darum geht es: Berührungsängste abbauen, Menschlichkeit in den Vordergrund stellen – nicht Perfektion.

Wie gehen Sie mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen um – gibt es da Grenzen?

Wir führen ein wirtschaftliches Unternehmen, das funktionieren muss. Klar, wir können nicht alle Arten von Einschränkungen abbilden – blinde Menschen etwa können wir aktuell nicht beschäftigen. Aber das heißt nicht, dass das grundsätzlich nicht geht. Es braucht einfach passende Geschäftsmodelle. Wichtig ist: Wir sehen den Menschen, nicht die Diagnose.

Was raten Sie anderen Gastronomen oder Hoteliers, die sich mit dem Thema Inklusion beschäftigen möchten?


Erstens: Sucht euch jemanden, der das schon gemacht hat. Ich habe viel von anderen gelernt. Zweitens: Macht es nicht allein. Viele Inklusionsbetriebe scheitern, weil sie aus einem sozialpädagogischen Ansatz heraus geführt werden. Wir wollen ein funktionierendes Geschäft – mit einem starken Franchise-System, das andere nutzen können. Lieber gemeinsam stark sein, als einzeln kämpfen und scheitern.
Und: Kommt vorbei, schaut es euch an! Lernt unsere Mitarbeitenden kennen – es sind fantastische Menschen. Und ja, wir brauchen zahlende Gäste – sonst funktioniert es nicht. Aber wir glauben daran, dass Inklusion, wenn man sie richtig angeht, sogar ein Vorteil sein kann: Herzenswärme als Premiumservice in einer Welt, die immer rauher wird. Wer das nicht erkennt, verpasst eine große Chance.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Michael Teodorescu

Picture of Michael Teodorescu

Michael Teodorescu

Als Chefredakteur der Fachmagazine first class und Kaffee & Co. widmet sich Michael Teodorescu seit 20 Jahren mit Leidenschaft den Themen Getränke, Kaffee und Gastronomie. Mit Gastro-Erfahrung und einem besonderen Gespür für Trends und Innovationen in der Branche verbindet er fundiertes Fachwissen mit einem starken Netzwerk. Sein Ziel: Leser mit spannenden Insights, praxisnahen Tipps und inspirierenden Geschichten rund um Genuss und Gastfreundschaft zu begeistern.

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