Jan Suwalski, Nachhaltigkeitsmanager der HGK, gibt Tipps rund um die nachhaltige Beschaffung in der Hospitality.
Herr Suwalski, welche Rolle spielt nach Ihrer Erfahrung heute nachhaltige Beschaffung für Hospitality-Betriebe?
Nachhaltige Beschaffung ist für Hospitality-Betriebe heute ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, da immer mehr Gäste umwelt- und sozialverträgliche Angebote erwarten. Sie stärkt die Markenreputation, senkt langfristig Kosten und minimiert Risiken in der Lieferkette. Zudem wird sie durch gesetzliche Vorgaben und Zertifizierungen zunehmend verpflichtend. Nicht zuletzt fördert sie eine werteorientierte Unternehmenskultur und motiviert Mitarbeitende.
Welche Produkte oder Sortimente eignen sich besonders für den Einstieg in eine nachhaltige Beschaffung?
Geeignet sind Produkte aus den Bereichen Lebensmittel, Reinigung, Textilien, To-go-Artikel und Energieeffizienz. Bio-, saisonale und fair gehandelte Lebensmittel verbessern nicht nur die Umweltbilanz, sondern auch das Image beim Gast. Ökologische Reinigungsmittel, nachhaltige Verpackungen und Mehrwegsysteme reduzieren Müll und Chemieeinsatz. Textilien aus Bio-Baumwolle und langlebige Geräte senken langfristig Kosten und den Ressourcenverbrauch.
Besonders sinnvoll ist der Einstieg über regelmäßig genutzte Produkte – hier zeigt sich der Effekt schnell und wirtschaftlich.
Welche wirtschaftlichen Vorteile ergeben sich konkret durch nachhaltigere Produkte?
Eine nachhaltige Beschaffung kann Kosten senken, etwa durch effizientere Verpackungen, langlebige Produkte und stabilere Lieferketten. Sie erhöht die Qualität und Zuverlässigkeit der Waren und verringert Risiken bei Beschaffung und Preisentwicklung. Zudem lassen sich nachhaltige Produkte gezielt im Marketing einsetzen, was neue Gäste anzieht und höhere Preise rechtfertigen kann.
Mit welchen Herausforderungen ist bei der Umstellung zu rechnen – und wie lassen sich diese bewältigen?
Bei der Umstellung auf nachhaltige Lieferanten müssen Betriebe mit höheren Preisen, begrenzter Produktverfügbarkeit und veränderten Arbeitsabläufen rechnen. Diese Herausforderungen lassen sich durch gezielte Produktwahl, enge Lieferantenkommunikation und Mitarbeiterschulungen gut bewältigen. Auch die Orientierung an anerkannten Siegeln hilft, glaubwürdige Partner zu finden. Mit guter Planung überwiegen langfristig die Vorteile – etwa Kosteneinsparungen, bessere Qualität und ein stärkeres Nachhaltigkeitsprofil.
Welche sonstigen Hürden sind gerade beim Einstieg zu überwinden?
Hürden beim Einstieg in die Nachhaltigkeit entstehen oft durch Zeitmangel, Unsicherheit bei der Umsetzung und fehlende Akzeptanz im Team. Sie lassen sich überwinden, indem man mit kleinen, messbaren Maßnahmen startet und das Team aktiv einbindet. Klare Orientierung an vertrauenswürdigen Standards und externe Unterstützung schaffen zusätzlich Sicherheit. Wichtig ist, Nachhaltigkeit als Chance für Qualität, Effizienz und Gästezufriedenheit zu begreifen – nicht als Belastung.
Inwiefern unterstützt dabei die HGK?
Die HGK unterstützt Hospitality-Betriebe gezielt beim Einstieg – u. a. mit praxisnahen Workshops für das Team und dem „First Moves Canvas“, das erste sowie bereits vorhandene Maßnahmen sichtbar macht. Dabei steht die aktive Wissensvermittlung im Vordergrund, um Mitarbeitende zu sensibilisieren und nachhaltiges Handeln im Alltag zu verankern. Ergänzend vermittelt die HGK passende, geprüfte Lieferpartner, die nachhaltige Produkte und Lösungen anbieten. Eine nachhaltige Einkaufsanalyse hilft dabei, bestehende Einkaufsprozesse zu bewerten und Optimierungspotenziale in ökologischer wie ökonomischer Hinsicht aufzudecken. So begleitet die HGK Betriebe ganzheitlich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit – strukturiert, praxisnah und partnerschaftlich.
Wie sieht eine nachhaltige Einkaufsanalyse in der Praxis aus?
Unsere für Mitglieder kostenfreie Einkaufsanalyse setzt sich speziell mit nachhaltigeren Alternativen im Bereich Food & Nonfood, sowie den in Anspruch genommen Dienstleistungen auseinander. Nach Sichtung der Einkaufsdaten des Betriebs und einer Bestandsaufnahme, werden Produkt- und Handlungsempfehlungen von uns ausgesprochen.
Wie helfen auch digitale Tools dabei, nachhaltiger zu wirtschaften?
Indem sie Prozesse transparenter, effizienter und ressourcenschonender gestalten. Zum Beispiel ermöglichen digitale Bestell- und Warenwirtschaftssysteme eine bessere Mengenplanung, wodurch Lebensmittelverschwendung reduziert wird. Papierlose Buchhaltung und digitale Kommunikation senken den Verbrauch von Ressourcen wie Papier, Toner und Transportenergie. Darüber hinaus liefern digitale Auswertungstools wichtige Daten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und unterstützen dabei, Einsparpotenziale bei Energie, Wasser oder Abfall systematisch zu erkennen.
Welche Daten sollten Verantwortliche im Blick haben, um ökologische und ökonomische Ziele besser steuern zu können?
Vor allem Daten zu Energie- und Wasserverbrauch, Wareneinsatz und Lebensmittelverschwendung gilt es in gastronomischen Betrieben im Blick zu haben. Auch Abfallmengen, Recyclingquoten und die Herkunft der eingekauften Produkte (z. B. regional, Bio, fair) sind wichtige Kennzahlen. Digitale Tools helfen, diese Daten transparent zu erfassen und Auswertungen zu erstellen. So lassen sich Einsparpotenziale erkennen, Kosten senken und Nachhaltigkeitsmaßnahmen wirksam umsetzen.
Welche Zertifizierungen sind aus Ihrer Sicht besonders relevant für Hoteliers und Gastronomen und worauf sollten Betriebe bei der Auswahl achten?
Für Hoteliers und Gastronomen sind z. B. GreenSign, EU-Ecolabel, Bio-Zertifizierungen und Fairtrade besonders relevant, da sie Umwelt- und Sozialstandards klar abbilden. Wichtig ist, dass die Zertifikate zur eigenen Betriebsform passen und transparent, glaubwürdig sowie unabhängig geprüft sind. Auch Aufwand, Kosten und die Möglichkeit zur Integration bestehender Maßnahmen sollten berücksichtigt werden. Gut gewählte Siegel schaffen Vertrauen bei Gästen und helfen, Nachhaltigkeit sichtbar und wirtschaftlich nutzbar zu machen. Seit diesem Jahr gibt es außerdem den neuen VSME-Reporting-Standard der EU, dieser bietet kleinen und mittleren Unternehmen einen freiwilligen, vereinfachten Rahmen zur ESG-Berichterstattung. Er enthält ein Basismodul mit wenigen, praxisnahen Kennzahlen und setzt auf das „If applicable“-Prinzip, wodurch nur relevante Themen berichtet werden müssen. So ermöglicht er es Betrieben, Nachhaltigkeitsleistungen transparent darzustellen, ohne den bürokratischen Aufwand der großen ESRS-Standards und schafft gleichzeitig Vertrauen bei Kunden, Banken und Partnern. Wir haben diesen Bericht auch in diesem Jahr als eine der ersten Firmen in Deutschland veröffentlicht.
Wie können Betriebe den Zertifizierungsprozess strategisch angehen: Welche ersten Schritte sind sinnvoll, und welche Fragen sollten sie sich vorab stellen?
Ein strategischer Einstieg in den Zertifizierungsprozess beginnt mit einer Bestandsaufnahme der bereits umgesetzten Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Betriebe sollten sich klare Ziele setzen und hinterfragen, welches Zertifikat zur eigenen Ausrichtung und zum Aufwand-Nutzen-Verhältnis passt. Eine gute Vorbereitung der Daten, klare Zuständigkeiten im Team und ein realistischer Zeitplan sind entscheidend für den Erfolg. Wichtig ist auch, den Prozess offen zu kommunizieren – gegenüber Mitarbeitenden wie Gästen.
Was raten Sie Betrieben, die heute mit Nachhaltigkeit starten wollen?
Betriebe sollten mit klaren, kleinen Schritten in einem gut kontrollierbaren Bereich starten – etwa bei Lebensmitteln, Reinigung oder Abfall. Eine ehrliche Bestandsaufnahme hilft, Prioritäten zu setzen und realistische Ziele zu definieren. Wichtig ist, das Team einzubeziehen und Nachhaltigkeit als gemeinsames Projekt zu gestalten. Statt Perfektion zählt ein transparenter, kontinuierlicher Prozess, der nach innen wirkt und nach außen sichtbar gemacht wird.
Gibt es Bereiche innerhalb eines Hotels, in denen nachhaltige Beschaffung besonders große Auswirkungen hat?
Im Hotel haben Küche, Housekeeping und Technik den größten Hebel für nachhaltige Beschaffung. Besonders im F&B-Bereich lassen sich durch regionale, biologische und fair gehandelte Produkte erhebliche ökologische und soziale Effekte erzielen. Im Housekeeping sorgen umweltfreundliche Reinigungsmittel und langlebige Textilien für weniger Chemieeinsatz und Abfall. Energieeffiziente Geräte und wassersparende Systeme im technischen Bereich senken langfristig Kosten und den CO?-Fußabdruck deutlich.
Wie unterstützt Ihr Unternehmen den Außer-Haus-Markt beim Umgang mit Scope 3 und der Offenlegung nachhaltiger Produktinformationen?
Primärdaten zu Scope-3-Emissionen oder zu produktspezifischen Umweltwirkungen wie Wasserverbrauch oder CO?-Fußabdruck liegen bei unseren Lieferpartnern. HGK ermöglicht ihren Mitgliedern aber über digitale Management- und Controlling-Lösungen wie HGK-BackOffice und HGK-ChefsCockpit die Erfassung und Auswertung von Verbrauchsdaten. Diese Daten bilden eine wichtige Grundlage, um interne Prozesse zu analysieren, Einsparpotenziale zu identifizieren und daraus Rückschlüsse auf indirekte Umweltwirkungen (Scope 3) zu ziehen – etwa bei Energie-, Wasser- oder Materialeinsatz. Wir schaffen somit strukturelle Voraussetzungen, damit Betriebe im Außer-Haus-Markt ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele besser steuern und dokumentieren können.
Wie bringen Sie Ihre Produkte umweltschonend zum Kunden? Welche Innovationen machen Ihre Lieferprozesse nachhaltiger?
Die HGK organisiert als Einkaufs- und Dienstleistungskooperation den Zugang zu Produkten und Services über ihre Partnerlieferanten. Die Anlieferung der Waren und die Bestimmung von Lieferart und Lieferwegen erfolgt über die Lieferpartner selbst.
Danke für das Gespräch!
Quelle: B&L MedienGesellschaft / Das Interview führte Michael Teodorescu
Nachhaltigkeit in der Hospitality: HGK-Checkliste für den Einstieg
- Bestandsaufnahme & Zieldefinition
Welche nachhaltigen Maßnahmen existieren bereits im Betrieb?
Welche Bereiche verursachen aktuell die höchsten Umweltwirkungen?
Welche Ziele sollen in den nächsten 6–12 Monaten erreicht werden? - Nachhaltiger Einkauf
Einkaufsdaten analysieren: Welche Produkte lassen sich durch nachhaltigere Alternativen ersetzen?
Auf Siegel wie EU-Ecolabel, Bio oder Fairtrade achten
Produktbereiche mit großem Hebel identifizieren:
– Lebensmittel (bio, saisonal, regional, fair)
– Reinigung (ökologische Mittel, Dosiersysteme)
– Textilien (langlebig, zertifiziert)
– Energie und Technik (LED, Geräte mit geringem Verbrauch) - Digitalisierung als Hebel nutzen
Warenwirtschaft und Bestelltools zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung einsetzen
Papierlose Buchhaltung einführen
Verbrauchsdaten systematisch erfassen (z. B. Energie, Wasser, Abfall) - Mitarbeitende einbinden
Schulungen zu nachhaltigem Verhalten im Alltag
Workshops zur Ideenfindung und Sensibilisierung
Nachhaltigkeit in Leitbilder und Teamkommunikation integrieren - Kommunikation & Transparenz
Nachhaltigkeitsaktivitäten auf Website, Social Media und vor Ort sichtbar machen
Siegel und Zertifikate erklären – keine „Green Claims“ ohne Nachweis
Nachhaltigkeit auch im Dialog mit Gästen thematisieren - Schrittweise Zertifizierung angehen
Passende Siegel auswählen (z. B. GreenSign, EU-Ecolabel)
Zeitplan, Zuständigkeiten und Ziele festlegen
ESG-Reporting vorbereiten – z. B. mit dem neuen VSME-Standard - Herausforderungen realistisch einschätzen
Höhere Preise und veränderte Abläufe einkalkulieren
Lösungen über gezielte Produktauswahl und enge Lieferantenbeziehungen entwickeln
Fokus auf langfristige Vorteile (Kosten, Qualität, Image)
Scopes
Treibhausgasemissionen (THG) werden vom international anerkannten Berechnungstool, dem Greenhouse Gas (GHG)-Protocol, in drei Kategorien bzw. „Scopes“ unterteilt. Mehr dazu und was das mit nachhaltige Beschaffung zu tun hat, lesen Sie in unserem Beitrag Scope 3-Emissionen: Wie unterstützen Industriepartner Außer-Haus-Betriebe beim Umgang damit.