Der massive Arbeitskräftemangel beschäftigt nicht nur die Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie, sondern auch den Deutschen Bundestag, der aktuell an einem neuen Zuwanderungsgesetz arbeitet. Vor diesem Hintergrund hat die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) bei einer großen Foodtruck-Aktion in Berlin vor dem Bundestag über 60 Ideen zur Mitarbeitergewinnung und -bindung vorgestellt und im Allgemeinen für mehr politische Unterstützung geworben. Als Schirmherren für die Pop-up-Aktion konnte der Think Tank den bekannten Sternekoch Alexander Herrmann (s. Titelbild 2. v. l.) gewinnen.
Lobbyarbeit neu denken
„Wir denken Lobbyarbeit komplett neu und wollen nicht nur bei unseren Themen, sondern auch bei der Art und Weise, wie wir mit Politikern ins Gespräch kommen, innovative Wege gehen. Daher haben wir mit unserer Foodtruck-Aktion frische Inhalte und Streetfood-Kulinarik miteinander kombiniert“, erklärt DZG-Vorstand Alexander Aisenbrey (s. Titelbild l.). Und das mit großem Erfolg: So hatten Alexander Herrmann, das Team der Guerilla Chefs, Vertreter der Gastro-Family-Kampagne und die Denkfabrik-Mitglieder alle Hände voll zu tun und empfingen bei Sonnenschein über 350 Gäste aus Parlament und Regierung, darunter 80 Bundestagsabgeordnete.
Fokus der Foodtruck-Aktion: Mitarbeiter finden und binden
Es ging am 22. Juni vor dem Bundestag aber nicht nur um Gaumenfreuden, sondern auch um wichtige Themen: „Wie können unsere 240.000 Gastweltbetriebe ihre Mitarbeitenden stärker an sich binden und neue Menschen für unsere Industrie begeistern – für uns ist das die Frage des Jahrzehnts“, betont Aisenbrey weiter. Ohne ausreichend Personal laufe in den Gastwelt-Sektoren Tourismus, Food- und Nonfoodservice, Gemeinschaftsgastronomie und in der Hospitality bekanntlich wenig.
„Im Jahr 2022 waren in Deutschland mit über 45 Millionen erwerbstätigen Menschen so viele Personen beschäftigt wie noch nie. Es fehlen also nicht per se Köpfe. Wir sehen das aktuell größte Problem darin, dass die Wochenarbeitszeit immer weiter sinkt, und wir mit fast 40 Prozent bundesweit eine sehr hohe Teilzeitquote haben. Deswegen haben wir den inhaltlichen Fokus daraufgelegt, wie Arbeitsstunden gesichert, und wie wir mehr Frauen für eine Vollzeitbeschäftigung gewinnen können“, sagt Aisenbrey.
Maßnahmenkatalog vorgestellt
Der vorgestellte Maßnahmenkatalog umfasst über 60 Ideen und Vorschläge und richtet sich sowohl an die Politik als auch an die Gastwelt selbst: „Positive Veränderung beginnt mit uns selbst und die Verantwortung für viele Mitarbeiterthemen wie faire Bezahlung, wertschätzende Unternehmenskultur und konsequente Weiterqualifikation liegt in den Betrieben selbst“, führt Aisenbrey aus.
Vor diesem Hintergrund schlägt die DZG ein klares Commitment in Sachen Löhne vor. Diese lagen im Jahr 2022 laut Statistischem Bundesamt im Vergleich aller Dienstleistungsbranchen sechs bis acht Euro unter dem Durchschnitt. Hier sei zwar schon sehr viel passiert, aber dennoch müsse man bei diesem zentralen Punkt am Ball bleiben. Aisenbrey führt aus: „Allein an der Preisspirale zu drehen, ist kontraproduktiv und ab einem gewissen Level nicht mehr möglich. Eine dauerhafte Entfristung der Umsatzsteuerreduzierung auf Speisen würde unsere Betriebe hingegen in die Lage versetzen, einen Teil des Geldes in Form von höheren Gehältern an ihre Mitarbeitenden weiterzugeben.“
Flexiblere Wochenarbeitszeit und 4-Tage-Woche
Der Think Tank plädiert außerdem für mehr Offenheit beim Thema 4-Tage-Woche. „Diese muss ja nicht automatisch weniger Arbeitsstunden bedeuten. Eine flexiblere Wochenarbeitszeit würde Mitarbeitenden wie Unternehmen deutlich mehr Spielraum geben“, unterstreicht Co-Vorstand der DZG, Marcus Fränkle (s. Titelbild r.). Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) arbeitet im Auftrag der Denkfabrik derzeit bereits zu diesem Thema an einer neuen Studie, die im Dezember 2023 veröffentlicht wird.
Das DZG-Papier enthält weitere Ideen wie eine stärkere Mitarbeiterkapitalbeteiligung, die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern (die Gastwelt soll die erste Industrie ohne Gender-Pay-Gap werden), eine steuerliche Besserstellung von Mitarbeiterwohnungen, finanzielle Unterstützung bei den immer höheren Ausbildungskosten, eine bessere regionale Vernetzung von Betrieben, um z. B. gemeinsam Betriebskindergärten einrichten zu können, und Steuerfreiheit für Zuschläge auch an Samstagen.
Quelle: DZG