Es ist die Basis unserer Ernährung und allen Lebens: Wasser. Doch wegen seines vermeintlich neutralen Geschmacks wird die Bedeutung der passenden Wasserqualität oft unterschätzt.
Welches Wasser zu welchem Anlass?
Dr. Peter Schropp ist Lebensmittelchemiker und seit 2011 Geschäftsführer der Wassersommelier-Union in München. Im Interview verrät er, worauf es beim Wasser wirklich ankommt.
Herr Schropp, reicht Tafelwasser aus, oder sollte man Gästen doch lieber nur Mineralwasser servieren?
Man kann Tafelwasser auf die Karte setzen, aber es handelt sich dabei meistens um aufkarbonisiertes, also aufgesprudeltes Leitungswasser. Man sollte auf jeden Fall zusätzlich Mineralwasser anbieten. Das Mineralwasser darf ein Gastronom nur in einer geschlossenen Flasche servieren, also hat er damit dann auch eine zusätzliche Sicherheit über die Reinheit des Wassers. Mir fällt immer wieder auf, dass Tafelwasser als aufgesprudeltes Leitungswasser aggressiver auf der Zunge wahrgenommen wird als kohlensäurehaltiges Mineralwasser. Der Grund ist die schlechtere Bindung der Kohlensäure im aufgesprudelten Wasser, was man auch an den großen aufsteigenden CO2-Blasen erkennt. Im Gegensatz dazu sieht man im Mineralwasser nur filigrane, kleine Bläschen, die auch angenehm auf der Zunge prickeln.
Wie stehen Sie zum Leitungswasser als kostenloses Beigetränk?
Wenn der Gast ein Beigetränk oder ein Tafelwasser wünscht, dann soll er das natürlich auch bekommen. Wasser kostenlos anzubieten, finde ich fragwürdig – egal in welcher Form. Ich weiß, dass die Politik das fördert, weil es in der neuen Europäischen Trinkwasserrichtlinie heißt, dass Gastronomen Leitungswasser möglichst kostenfrei oder gegen sehr geringe Gebühr anbieten sollen. Aber man muss bedenken, dass der Gastronom auch mit Leitungswasser einen Aufwand hat. Er muss die Karaffen und Gläser spülen, er hat den Service am Gast … Der Aufwand ist sogar höher, als wenn er eine versiegelte Flasche auf den Tisch stellt. Deshalb sollte man auch bei Leitungswasser mindestens eine Servicegebühr erheben. Heutzutage spricht jeder von Wasserknappheit und Klimaerwärmung – Wasser ist wertvoll, allein schon deshalb sollte es nicht kostenlos sein.
Welches Wasser ist besonders gut?
Mir geht es immer um die Beschaffenheit des Wassers, die Mineralisierung und die Kohlensäure. In unserem Wassersommelier-Kurs lehren wir, dass die sensorischen Eigenschaften des Wassers sehr stark von der Mineralisierung abhängig sind. So gibt es unterschiedliche Wässer für unterschiedliche Gelegenheiten. Der Sportler profitiert von einem anderen Wasser als jemand, der sich abends gemütlich einen Rotwein einschenkt.
Welches Wasser würden sie z. B. einer Fußballmannschaft empfehlen?
Wenn ich ausdauernd Sport betreibe, verliert mein Körper Mineralstoffe, die ich im Anschluss wieder zuführen muss. Sportler schwitzen beispielsweise viel Natrium aus. Zwar wird heutzutage empfohlen, sich natriumarm zu ernähren, aber wer viel Sport treibt, braucht auch viel Natrium. Dementsprechend würde ich einem Sportler zu einem Mineralwasser raten, das einen etwas höheren Natriumgehalt mitbringt. Gerade für Ausdauersportarten wären auch Kalzium, Magnesium und Hydrogencarbonat wichtig. Ein höherer Hydrogencarbonat-Gehalt wirkt einer Anhäufung von Laktat im Muskel entgegen. Wir haben in Deutschland eine riesengroße Auswahl an Mineralwässern, da findet jeder das Passende.
Gibt es etwas, das man bei Wasser im Wellnessbereich beachten sollte?
Hier ist es ähnlich wie beim Sport. In der Sauna schwitzt der Gast viele Mineralstoffe aus, da ist es gut, wenn er diese wieder ersetzt. Im Wellnesshotel geht es ums Relaxen und oft um Schönheit, da bietet sich siliciumreiches Wasser an. Diese Kieselsäure ist z. B. wichtig für Bindegewebe, Haare und Fingernägel. Wasser ist aber auch das gesündeste Lebensmittel, das es gibt. Wenn man z. B. an Sodbrennen leidet, hilft Wasser mit einem hohen Hydrogencarbonatgehalt sofort, weil es mildernd auf die Magensäure wirkt.
Wasser ist ja relativ neutral, inwieweit hat es überhaupt einen Geschmack?
Die Mineralstoffe geben dem Wasser seinen Geschmack. Wenn ich viel Natrium in einem Mineralwasser habe, dann hat es eine leicht salzige Note. Viel Magnesium lässt es leicht süßlich schmecken. Mit sehr viel Magnesium kann es auch bitter werden. Kalziumreiches Wasser beschreiben viele Leute als etwas trocken vom Gefühl her. Der Charakter des Wassers hat auch Einfluss auf die begleitenden Getränke oder Speisen. Wenn ich einen tanninreichen Rotwein habe und ich trinke dazu einen Sprudel, also ein Wasser mit viel Kohlensäure, dann wirken diese Tannine sehr bitter und aufdringlich, deshalb empfiehlt man zu einem solchen Wein eher stilles Wasser.
In der Gastronomie werden auch viele Schorlen getrunken. Meistens nimmt der Gastronom dafür irgendein Wasser und das einzige, worauf er achtet, ist die Kohlensäure. Aber auf die Mineralstoffe achtet er kaum. Wenn man aber zum Ausmischen der Schorle ein Wasser mit sehr viel Hydrogencarbonat nimmt, dann nimmt diese leichte Base der Schorle den typischen Säuregeschmack, sodass man eine recht milde Schorle erhält. Wiederum bleibt mit hydrogencarbonatarmem Wasser diese natürliche Fruchtsäure in der Schorle erhalten. Ein sehr mineralstoffreiches Wasser kann zudem den Geschmack von sehr feinen Speisen auch überdecken.
Wissen das die Gastronomen?
Ich glaube das Wissen ist bislang relativ gering, weil sich die Gastronomie bei Getränken eher auf Wein fokussiert. Über Wasser machen sich vermutlich die Wenigstens Gedanken. Da gibt es sicherlich Nachholbedarf.
Inwiefern nimmt das Wasserglas Einfluss auf den Geschmack des Wassers?
Das allerwichtigste ist, dass die Gläser total geruchsneutral sind. Wenn von der Gläserspülmaschine noch Duftstoffe am Glas haften, dann ist das ein Problem. Bier und Wein können das eventuell durch ihre eigene Aromatik noch überdecken, aber Mineralwasser verzeiht so etwas nicht. Für kohlensäurehaltige Wässer werden zudem Gläser empfohlen, die sich nach oben hin verjüngen, dadurch bleibt die Kohlensäure länger im Glas enthalten. Wenn ich ein sehr schmales Glas habe, dann trifft das Wasser meist sehr mittig auf der Zunge auf. Bei kohlensäurehaltigem Wasser habe ich dann dort eine sehr starke Empfindung. Bei weiten Gläsern rutscht das Wasser auch noch unter die Zunge und somit können die unterschiedlichen Nuancen gut aufgenommen werden, weil es auf alle Geschmacksrezeptoren trifft.
Je teurer, umso besser – trifft das auch auf Wasser zu?
Das ist nicht relevant. Es gibt viele internationale Nobelwässer, wovon eine Flasche über 20 Euro kostet. Das sind meistens Wässer, die international umhergeschifft werden und da zahlt der Kunde im Grunde nur für die schicke Glasflasche. Aber die spielt für die Qualität des Wassers keine Rolle. Es gibt in Deutschland von fast allen Mineralbrunnen auch schöne Flaschen, die man wirkungsvoll am Tisch öffnen kann. Man braucht diese überteuerten internationalen Wässer eigentlich nicht. Regionalität wird immer wichtiger – und das zurecht. Wenn ein Gastronom auf Regionalität setzt, dann hat er auch weniger Probleme mit der Beschaffung seiner Produkte. Trotzdem sollte natürlich die Flasche auch ansprechend gestaltet und vor allem aus Glas sein.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Quelle: B&L MedienGesellschaft