Symbolbild Führungskräfteworkshop
Quelle: Colourbox.de

Selbstreflexion ist der erste Schritt

Führungskräfte lernen sich in Christian Henzlers Workshop selbst besser kennen. Wie er sie unterstützt, verrät er im Interview.

Herr Henzler, Ihr Workshop heißt Führen mit Liebe, worum geht es da?

Ich vermute zwar, dass wir mit dem Angebot zehn Jahre zu früh dran sind, aber wenn ich mit Menschen über den Workshop spreche, fällt ihnen immer jemand ein, der ganz dringend daran teilnehmen müsste – nur an sich selbst denkt dabei niemand. Dabei startet gute Führung stets mit dem eigenen Ich. Viele Menschen haben einen sehr lauten Kritiker in sich, der sie klein hält, und viele verlangen von sich selbst mehr, als sie von anderen jemals erwarten würden. Insofern geht es in meinem Workshop erst einmal sehr stark um die Selbsterkenntnis.

Wie lebe ich mit mir selbst, wie gehe ich mit mir um, wo sind meine Grenzen, wie blicke ich auf die Welt? Auch, welche Mechanismen gibt es und machen sie noch Sinn, denn viele Muster übertragen sich aus der Kindheit ins Erwachsenenleben und haben dann gar keinen Sinn mehr. Das gilt es zu erkennen. Und wenn ich mit mir selbst Frieden habe, dann fällt es mir auch deutlich leichter, mit anderen in Beziehung zu treten oder in Resonanz zu gehen.

In der Gastronomie lernt man ja auch viel über Menschen …

Absolut, Gastronomie und Hotellerie sind tägliches Training in Sachen Menschenkenntnis. Gerade das Moxy, wo mein Arbeitsplatz in der Lobby war, weil wir uns bewusst gegen ein Back Office entschieden hatten, war eine sehr gute Schule. Ich bin vom Typ her ein beobachtender Mensch und konnte dort sehr viele Verhaltensmuster feststellen, die bei den Menschen ablaufen. Ich habe dort sehr eng mit der Crew gearbeitet und viele Coachings, Seminare und Workshops durchgeführt, sodass ich viel aus der Praxis mitnehmen konnte.

Es fällt auf, dass Führungskräfte gerne „Sender“ sind, ist das ein Problem?

Ja, es handelt sich um ein klassisches Führungskräfte-Thema, dass Führungskräfte glauben, sie müssten zu allem eine Lösung parat haben. Dem ist nicht so. Es ist viel spannender, mal zuzuhören oder gute Fragen zu stellen. All das, was ich selbst sage, das weiß ich ja schon. Neues erfahre ich nur, wenn ich anderen zuhöre.

Fehlt es an Empathie?

Das glaube ich nicht, es mangelt eher am Selbstbewusstsein und auch daran, eigene Schwächen zu zeigen oder schlicht zu sagen: „das weiß oder kann ich nicht“.

Viele merken auch, wenn etwas zwischen ihnen und Mitarbeitenden nicht stimmt und dass ein Konflikt besteht, aber sie gehen nicht aktiv in den Konflikt hinein. Weil sie nicht wissen, wie sie die Situation handhaben sollen oder sich nicht trauen. Ich bin als junge Führungskraft selbst auch vor Konflikten weggelaufen. Weil ich nicht wusste, wie ich sie hätte lösen sollen. Diese Lösungskompetenz braucht es und damit wächst auch das Selbstbewusstsein.

Christian Henzler
(Quelle: Christian Henzler)

Zum Interviewpartner: Christian Henzler

Christian Henzler begleitet und berät mittelständische Unternehmen als Coach, Trainer und Berater. Seine Expertise liegt in den Themenfeldern Employer Branding, Leadership sowie in der Gestaltung von HR-Strategien,
-Prozessen und Unternehmenskulturen
. Christian Henzler war 20 Jahre in verschiedenen Funktionen für familiengeführte Individualhotels sowie deutsche und internationale Hotelkonzerne tätig, davon 15 Jahre in Führungsverantwortung. (Quelle: www.christianhenzler.com)

Wie kann man dieses Selbstbewusstsein entwickeln?

Erst einmal bietet es sich an, sich selbst zu reflektieren. Für viele haben Konflikte etwas Bedrohliches. Wenn du dir aber bewusst machst, dass Konflikte eine prima Möglichkeit sind, sich gegenseitig besser kennenzulernen, dann bekommen sie einen anderen Stellenwert. Nach Konflikten ist die Verbundenheit meist stärker als zuvor. So habe ich das im Betrieb auch erlebt und konnte den Gewinn von Konflikten erkennen, weil ich aber auch das Selbstbewusstsein hatte, dass ich sie lösen und so Mitarbeitenden helfen kann.

Ist diese Konfliktscheue ein Kulturproblem?

Ich habe den Eindruck, dass es in südlichen Ländern wie Italien eine ganz andere Streitkultur gibt als hier. Das ist aber etwas Erlerntes, in vielen Familien geht Harmonie über alles und vieles wird unter den Teppich gekehrt, bis dort an Weihnachten kein Platz mehr ist.

Es hat auch damit zu tun, dass viele nie gelernt haben, wie sie Wertschätzung weitergeben können. Damit startet ja ein Konflikt in der Regel, dass jemandem die Schuld für etwas gegeben wird. Das hängt ursächlich damit zusammen, dass nicht gelernt wurde, wie gebe ich ein ordentliches Feedback, sodass es wertschätzend ist. Führungskräften kommt hier eine Vorbildfunktion zu und umso besser sie es schaffen, umso sicherer führen sie das Team.

Stimmt der Spruch „der Fisch stinkt vom Kopf her“?

Die meisten Kündigungen passieren tatsächlich wegen der Führungskultur der Führungskräfte. Dazu gibt es zahlreiche Studien. Es gibt auch eine Studie von VW, in der ermittelt wurde, dass Führungskräfte den Krankenstand mitnehmen. Das heißt, wenn eine Führungskraft die Abteilung wechselt, dann hat die neue Abteilung meist innerhalb von sechs Monaten den gleichen Krankenstand wie die alte – positiv sowie negativ.

Was hat die Führungsebene meist für ein Problem?

Die Widerstände, die für mich als Trainer häufig zu brechen sind, gehe ich über die Haltungsebene an. Das heißt, ich kann mein Verhalten nur ändern, wenn ich auch die Haltung dazu habe. Natürlich haben einige Menschen große Angst vor Veränderungen, andere denken, sie haben es ja bis hierhin geschafft, so falsch kann es nicht sein. Das ist eine These, die ich prinzipiell auch unterstützte.

Ich rege im Workshop vor allem zur Selbstreflexion an und das kann natürlich unbequem sein. Ich hatte eine Situation, da haben wir in der Gruppe Wertearbeit gemacht. Jeder hat seine persönlichen Werte vorgestellt. Ein Teilnehmer sagte mit feuchten Augen, es falle ihm schwer, seine Werte auch zu leben. Das war ein bewegender Moment für die ganze Gruppe. Wir haben dann herausgearbeitet und aufgezeigt, wie er diese Werte tagtäglich lebt und wie er sie tatsächlich gewinnbringend in sein Team trägt.

Steht der mangelnde Wille zur Veränderung auch häufig der Anerkennung von Diversität im Weg?

Die Hospitality ist ein People Business. Wir haben diverse Facetten und die gilt es zu akzeptieren. Zudem gilt es, einen Raum zu schaffen, in dem sich jeder so zeigen kann, wie er ist. Ich halte es für elementar, dass Mitarbeitenden die Sicherheit vermittelt wird, dass sie genauso sein dürfen, wie sie sind – mit allen Ecken und Kanten und special effects. Wir sind alle unterschiedliche Typen und das ist so wertvoll. Es gibt z. B. Metaprogramme, die die Motivation und Informationsverarbeitung beschreiben. Ein Beispiel dafür ist „same same“ oder „same different“. Viele Führungskräfte haben ein „same same“-Metaprogramm laufen und stellen nur denselben Persönlichkeitstyp ein, der sie selbst sind. Diese Teams sind in der Regel weniger erfolgreich, als Teams, die nach „same different“ zusammengestellt wurden. Deshalb sollten Führungskräfte zusehen, dass sie ein möglichst diverses Team aufstellen. So entstehen immer neue Ideen und eine sehr positive Energie. Wenn es zu viele ähnliche Persönlichkeitstypen im Team gibt, wirkt das oft erschlagend und langweilig – auch auf die Gäste.

Sind diese Erfolge messbar?

Definitiv. Es ist so, dass Frauen z. B. in der Regel ein stärkeres Bewusstsein für Risiken haben als Männer. Wenn wichtige Entscheidungen zu treffen sind und Männer dies unter sich ausmachen, kann das ganz schnell sehr schief gehen. Das ist eines von vielen Beispielen, warum es Sinn macht, möglichst divers aufgestellt zu sein. Beispielsweise habe ich es in der Hotellerie immer so empfunden, dass alle Karriereschritte gleichwohl für Männer als auch für Frauen offenstehen, gleichzeitig haben wir aber viel zu wenige Hoteldirektorinnen.

Frauen haben in der Gastronomie auch oft Probleme, wenn sie Kinder bekommen wollen …

Diese Denke, dass sie dann weniger einsatzfähig wären, gubt es – und es gibt extrem wenige Beispiele, bei denen sich dann z. B. zwei Personen eine Führungsposition teilen. Dabei wäre das durchaus eine Lösung und es könnte zudem so wertvoll sein, wenn zwei unterschiedliche Persönlichkeitstypen lenken, sodass jeder im Team seinen Ansprechpartner findet. Ich kann nicht nachvollziehen, warum sich große Betriebe dieses Potenzial nicht erschließen. Ich habe Mütter immer als super wertvolle Teammitglieder erlebt, denn sie können sich in der Regel sehr gut organisieren und sind sehr lösungsorientiert.

Wie sollte man sein diverses Team am besten bewerben?

Man sollte auf der eigenen Karriere-Website Fotos und Videos von echten Mitarbeitenden zeigen und keine Stock-Bilder. So kann Vielfältigkeit wunderbar dargestellt werden. Ich fand z. B. auch die Generation Gold-Kampagne von Karls Markt mit dem Ziel über 60-Jährige zu finden grandios. Es gibt so viele Möglichkeiten zu zeigen, dass man divers ist, es gibt Unternehmen, die spezielle Frauenförderungsprogramme haben oder Frauenquoten, weil sie besser werden wollen und das darf ein Betrieb auch alles nach außen zeigen. Das findet noch viel zu wenig statt.

Gerade Hoteliers sind sich häufig ihrer Stärken nicht bewusst. Die halten vieles für selbstverständlich und kommunizieren es nicht extra, dabei ist es das nicht. Ich bin ja in vielen Branchen unterwegs und diejenigen Themen, die dort gerade aktuell sind, die hat die Hotellerie z. B. schon vor zehn oder 15 Jahren behandelt. Also die Hotellerie ist viel besser als Arbeitgeber, als sie sich häufig darstellt – auch was flexible Arbeitszeiten angeht.

Kann das Bewerben von Diversität ein Mittel gegen den Fachkräftemangel sein?

Natürlich, wenn man neue Bewerbergruppen anspricht, bekommt man auch mehr Bewerbungen. Durch den Mitarbeitermangel sortiert sich jetzt auch einiges von selbst. Der Markt regelt, dass bestimmte Konstrukte einfach so nicht mehr funktionieren. Das ist auch ganz gut so.

Was muss eine gute Führungskraft können?

Eine gute Führungskraft macht aus, dass sie mehr Fragen stellt, als Aussagen trifft und hinhört, -fühlt und -schaut. Sie schult ihre Mitarbeitenden und nimmt sich selbst zurück.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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