Sechs Vertreterinnen aus der Gastronomie und Hotellerie teilen ihre Ansichten zur Stellung der Frau in der Branche.
Wie beurteilen Sie die Stellung der Frauen in der Branche?
Agnes Karrasch: Ich glaube, dass wir uns im Wandel befinden. Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen, die sich durchaus langsam ändern, wird der Beruf für uns als das körperlich schwächere Geschlecht ganz automatisch einfacher erreichbar. Und es kommen immer mehr Frauen in verantwortungsvolle Positionen. Das ist schon zu
sehen!
Antonella Rösch: Es ist ein immer währendes Beweisen der Attribute: Klarheit, Authentizität, Durchhaltevermögen und Durchsetzungskraft. Denn uns Frauen haftet immer noch das Stigma der Verweichlichung, der Schwäche an. Auch „mütterlich sein“ ist kein Hindernis um sich zu positionieren und strebsam, genauso kraftvoll wie die männlichen Gastronomen, die erforderlichen Schritte zu gehen.
Iris Goller: Die Stellung der Frau als Leitung in der Gemeinschaftsverpflegung hat über die Jahre kontinuierlich zugenommen. Die berufliche Ausbildung und vor allem die Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen haben dies ermöglicht. Es macht mir sehr viel Freude viele starke Frauen in der Küchen– oder Betriebsleiterposition zu sehen. In der Geschäftsführung sind sie leider noch weniger zu finden.
Karina Ansos: Grundsätzlich erst einmal sehr positiv, denn die Hotellerie und Gastronomie ist deutlich eine „Frauenbranche“. Die Zahlen der weiblichen Angestellten, die hier arbeiten, verzeichnen ein stetes Wachstum – vor allem an der Rezeption, im Service und in den Verwaltungsbereichen. Schaut man jedoch in die oberste Führungs-Etage, ist definitiv noch Luft nach oben.
Maike Menzel: Ich kann mir vorstellen, dass einige Frauen nicht in den altbekannten Kreisen der Köche ernst genommen werden. Nach wie vor glaube ich nicht, dass Küchenchefinnen oder generell Frauen in einer Küche weniger talentiert und fähig sind als Männer oder weniger Durchhaltevermögen besitzen. Wir müssen uns nicht unter Beweis stellen, brauchen uns nicht zu verstecken. Der Umbruch in diese Männer dominierten Branche ist nun schon lange im Gange und es ist an der Zeit, auch über Frauen in der Gastronomie zu berichten. Hinzusehen, welche großartigen Küchenchefinnen es schon längst gibt. Es ist schon lange an der Zeit, dass Mann dies akzeptiert und anerkennt.
Petra Weindl: Im Vergleich mit anderen Branchen empfinde ich die Stellung von Frauen in der Hotellerie – generell im Dienstleistungsbereich – als gut. Es gibt viele wunderbare, starke Frauen in der Branche, die diese bedeutsam prägen. Auch unter den Ringhoteliers finden sich viele Frauen, die die Geschicke der Hotels leiten und zum Teil eben erst die Führung des Betriebs von den Eltern übernommen haben oder als Gründerinnen neue Projekte starten.
Ich als Frau finde die Diskussionen um Frauenquoten und das Hervorheben der Unterschiede bei den Geschlechtern schwierig. An erster Stelle steht der Mensch, wie er im beruflichen Umfeld agiert und es prägt – unabhängig vom Geschlecht. Und manchmal geht es nicht ohne den einen oder den anderen, wofür unsere privat geführten Hotels das
beste Beispiel sind.
Haben Sie selbst bereits berufliche Benachteiligung erfahren?
Agnes Karrasch: Durchaus. Das fing an bei „harmlosen“ Neckereien und ging bis zu unangenehmem körperlichen Kontakt. Mittlerweile habe ich glücklicherweise genug Selbstbewusstsein, um diesem Verhalten sehr stark entgegenzuwirken. Außerdem arbeite ich mittlerweile in einer Küche, in der mein Geschlecht keine Rolle spielt und ich als Köchin wie jeder andere angesehen werde.
Antonella Rösch: Nicht offensichtlich, eher subtil… Die Einladung zum Gastronomen-Stammtisch z.B. erfolgte sehr spät von ansässigen Kollegen, vielleicht auch durch den Glaubenssatz: ist die wirklich und ernsthaft glaubwürdig?
Oder benachbarte Gastronomen erkennen mich einfach nicht, das Grüßen entfällt. Ich nehme das nicht persönlich… möchte es eigentlich nicht bewerten. Ich wurde aber auch schon ernsthaft weiterempfohlen von männlichen Kollegen.
Iris Goller: In meiner ganzen beruflichen Laufbahn: Nie. Als 20-Jährige hatte ich bereits die Stellvertretung des Küchenleiters.
Karina Ansos: Nein, ich habe keinerlei Nachteile in meiner Karriere erfahren, sondern ganz im Gegenteil viel, an meine jeweilige Position angepasste Unterstützung von jedoch in der Tat überwiegend männlichen Mentoren erhalten. Sicherlich ist es auch immer individuell, wie jeder Mensch – egal welchen Geschlechts – mit konstruktiver Kritik und Förderung der eigenen Person umgeht. Ich persönlich bin immer dankbar für klare, ehrliche Hinweise, Vorschläge aus anderen Blickwinkeln und natürlich auch motivierendes Lob.
Maike Menzel: Respekt am Arbeitsplatz hat für mich einen hohen Wert, egal welchem Geschlecht gegenüber. Als Küchenchefin begegnen mir gelegentlich erstaunte Reaktionen über meinen Beruf. Dennoch habe ich in der Vergangenheit keine Benachteiligungen im Umgang mit meiner Person und Position erfahren.
Petra Weindl: Nein, darüber kann ich glücklicherweise nichts berichten.
Was muss sich ändern?
Agnes Karrasch: Natürlich die Arbeitsbedingungen sowie die Einstellung von manchen männlichen Kollegen. Das tut auch den männlichen Kollegen gut, die sich nicht mit toxischer Männlichkeit profilieren müssen, sondern die einfach nur ihren Job machen. Die leiden nämlich ganz genauso unter dieser „Spezies“. Auf Dauer können wir nur besser werden und als Beispiel vorangehen, wenn wir den Zusammenhalt im Team ernst nehmen. Der Output ist dann natürlich viel höher.
Antonella Rösch: Meiner Meinung nach darf sich grundsätzlich die Erkenntnis, dass wir Menschen soziale Wesen sind, verfestigen! Auch wer noch so viel Eigenversorgung, Einzigartigkeit betreibt oder Einzelgängertum pflegt… ohne die anderen geht es nicht! Kollektives miteinander bedeutet für mich das Wir-Gefühl sollte gestärkt werden!
Das Personalpronomen der ersten Person im Plural bleibt für mich die Basis für unser Wirken, für unser Zusammenleben. Gemeinsam können wir mehr erwirken! Den weiblichen Stärken zu vertrauen, bedeutet für mich die Anerkennung, dass jeder Mensch, weibliche und männliche Potenziale in sich trägt. Werte und alte Überzeugungen darf jeder für sich reflektieren und evaluieren.
Iris Goller: Um noch mehr Frauen in leitende Funktionen zu bringen müsste man sich vielleicht auch weiter öffnen für mehr Teilzeitjobs, auch in der Gemeinschaftsverpflegung. Denkbar wäre hier, dass die 100 % Leitung auf zwei 50 % Schultern verteilt wird. In vielen anderen Branchen ist das bereits gängig.
Karina Ansos: Wer die Karriereleiter bis ganz nach oben steigt, zahlt häufig einen gewissen Preis für diesen Erfolg. Auch in unserer Branche ist die Arbeit sicherlich oft fordernd: Lange Arbeitstage, auch an Feiertagen oder am Wochenende, da kann die Freizeit (und die Familienzeit) schon mal etwas auf der Strecke bleiben. Wer könnte jedoch besser für entscheidende Veränderungen sorgen als Frauen selbst, indem sie die Initiative für sich ergreifen und die Chef-Positionen erobern? Denn schließlich stehen sie den Männern in Sachen Kompetenz, Wissen und Qualifikation in nichts nach. Ganz sicher muss das Thema der Vereinbarkeit von Familie und Karriere verstärkt angegangen werden, z.B. durch zusätzliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder bessere Optionen in Sachen Teilzeitarbeit. Je mehr weibliche Entscheidungsträger es gibt, desto besser stehen die Chancen für echten Fortschritt in dieser Hinsicht.
Maike Menzel: Ob sich etwas bestimmtes ändern muss, ist sicherlich für jeden ganz individuell zu betrachten. Mitarbeiterinnen in der Gastronomie wissen um die Bedingungen und Abläufe sowie Hierarchien Bescheid. Gelegentlich kann es helfen, dass sich der männliche Part in der Küche in seiner Ausdrucksweise und in seiner dominierenden Präsenz zurücknimmt, um das Arbeitsumfeld für ein gleichberechtigtes miteinander zu gestalten. So würde Frauen auf ihrem Posten als Köchin von vornherein Anerkennung und Respekt erwiesen.
Dass es vielen Frauen im Laufe ihrer Karriere nicht immer gelingt, die Arbeitszeiten mit ihrem Privaten zu vereinbaren, ist zu verstehen. Gewiss ist es Köchinnen eine Hilfe, wenn Arbeitgeber weniger Vorurteile gegenüber Frauen mit Familie in der Gastronomie haben und mehr Flexibilität in Position und Arbeitszeit zeigen würden, so wäre es auch ihnen leichter möglich erfolgreicher in der Gastronomie zu arbeiten.
Petra Weindl: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss in Deutschland noch deutlich verbessert werden. Im Vergleich zu z.B. skandinavischen Ländern stehen wir da weit hinten an. Wir werden es uns auf diesem Arbeitnehmermarkt nicht mehr erlauben können, auf viele wunderbare Frauen zu verzichten, die Kind und Beruf durch die Struktur im Land nicht vereinbaren können. Sicherlich muss auch auf das Thema Payment Gap in der Gesamtheit weiterhin ein Augenmerk gelegt werden. Leistung und Wertschätzung auf Augenhöhe – unabhängig vom Geschlecht – das ist das, was ich lebe und bisher auch in meinem Berufsleben glücklicherweise so erfahren habe.
Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle: B&L MedienGesellschaft