Woran liegt es, wenn Fortbildungsbudgets nicht ausgeschöpft, Seminare schleppend belegt und Lernangebote zögerlich genutzt werden? Wir beschreiben in Teil 2 unserer Serie Weiterbildungs-Navi die wesentlichen Hürden und wie sie überwunden werden.
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Weiterbildungs-Navi: (Un-)Freiwillige vor!

Kaum jemand wird es bestreiten: Die regelmäßige Weiterbildung des Teams ist Voraussetzung, um als Unternehmen zukunftsfähig zu sein. Und auch der Lernende selbst gewinnt durch seine Weiterentwicklung an Fähigkeiten und Persönlichkeit. Doch der Wunsch, Neues lernen zu wollen, ist nicht überall gegeben. Eine Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) während der Pandemie ergab, dass zwar rund 50 % der befragten Betriebe Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeitenden gefördert und geplant haben, doch wenn Fortbildungsangebote abgesagt wurden, war in 23 % der Fälle die mangelnde Bereitschaft der Mitarbeitenden der Grund.

Doch warum fehlt die Motivation zur Weiterbildung? GVMANAGER sprach für Teil 2 unserer Serie Weiterbildungs-Navi mit Jan Steffen, Dozent der Deutschen Hotelakademie (DHA) und Geschäftsführer der Agentur Eto Personalmarketing in Bremen über die wesentlichen Knackpunkte, wenn es zwischen Mitarbeitenden und Weiterbildung nicht matcht.

1. Die Mitarbeitenden haben „keine Zeit“ oder sehen keine Notwendigkeit

Wenn Mitarbeitende auf mangelnde Zeitkapazitäten verweisen oder den Sinn einer Fortbildung anzweifeln, liegen die wahren Gründe oft in der Führungskultur. „Viele Entscheider sehen die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden immer noch eher als lästige Pflicht, denn als Chance“, sagt Jan Steffen. Diese Negativeinstellung überträgt sich auf die Belegschaft. Dann wird Fortbildung schnell als ungeliebte Zusatzbelastung gesehen oder gemurrt, weil der Kollege „auf Seminar“ ist und dessen Arbeit miterledigt werden muss. In diesem Klima fühlen sich motivierte Mitarbeiter, die gerne eine Weiterbildung belegen möchten, oft ausgebremst.

Dass z. B. von einer Fortbildung zum vegetarisch-veganen Koch künftig der gesamte Verpflegungsbetrieb profitiert, muss deshalb frühzeitig kommuniziert werden. Im gemeinsamen Gespräch ist zu klären, wie die Weiterbildungsmaßnahme mit dem Alltagsgeschäft der Großküche unter einen Hut gebracht werden kann, ohne Einzelne über Gebühr zu belasten. Die gemeinsame Philosophie sollte sein: Schulung ist etwas Gutes für alle, und wer eine Weiterbildung belegt, kann die Maßnahme mit Stolz und mit Rückendeckung aller Vorgesetzten und Kollegen antreten.

In einer positiven Weiterbildungskultur liegt der Schlüssel für den Erfolg. Führungskräfte sollten das dreitägige Fortbildungsseminar mit der gleichen Wertschätzung betrachten, wie genehmigten Urlaub. „Die wenigsten Vorgesetzten würden die Hochzeitsreise eines Mitarbeitenden streichen“, sagt Jan Steffen. „Eine Fortbildung, die gerade nicht in den Zeitplan passt, schon eher. Das darf nicht sein.“

Jan Steffen in Teil 2 unseres Weiterbildungs-Navi.
(Quelle: Eto Personalmarketing)

„Mit Fortbildungen ist es wie in der Autoindustrie. Wird etwas entwickelt und wenig Nachfrage erreicht, dann liegt’s am Produkt, nicht an der Zielgruppe. Dann sollten Qualität, Preis, Konditionen und das Marketing geprüft werden.“

Jan Steffen, Geschäftsführer, Eto Personalmarketing

2. Lernangebote sind unattraktiv

Trainings, die nicht den Interessen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden entsprechen, wecken nur wenig Begeisterung. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Weiterbildungsangebote oft nur auf die Vermittlung von beruflichem Fachwissen beschränken. Coachings von „weichen“ Themen, die der Persönlichkeitsentwicklung dienen, finden sich weniger im Portfolio. Das ist schade, denn Seminare wie „Selbstsicherheit & Souveränität“ oder „Wie wirke ich auf andere?“ bringen für den Job ebenfalls einen großen Nutzen. Da der Input auch im Privatbereich hilfreich ist, können gerade junge Menschen, deren Persönlichkeitsentwicklung noch am Anfang steht, mit diesen Themen gewonnen werden.

Doch leider klafft in diesem Angebotsbereich oft eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. „Beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden in die Entwicklung Ihres Lernangebotes ein“, rät Jan Steffen. „Wer über die Inhalte seiner Weiterbildung mitentscheiden darf, nimmt auch mit mehr Begeisterung teil.“ Das Lernformat hat ebenfalls Einfluss auf die Motivation. Digitale Lösungen wie Schulungs-Apps stehen zurzeit hoch im Kurs, doch auch diese sind keine Selbstläufer. Stimmen Inhalte und Aufbereitung nicht, werden sie im schlimmsten Fall ungern oder gar nicht genutzt.

3. Die „Verpackung“ ist langweilig

Wetten, dass sich 18-Jährige von einem „Azubi-Adventure-Camp“ eher angesprochen fühlen, als von einer „fünftägigen überbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahme für Auszubildende“? Da hilft auch wenig, dass das Programm eigentlich ein toller Mix aus Schulung, Erlebnissen und Entertainment ist. Die Formulierung von Weiterbildungsangeboten in typischem Beamten-Deutsch zählt zu den Kardinalsfehlern, um jegliches Interesse im Keim zu ersticken. „Wer sein spannendes Coaching-Thema unter dem wenig sexy Deckmantel ‚BGM Betriebliches Gesundheitsmanagement‘ verschleiert, muss sich über schleppende Nachfrage nicht wundern“, mahnt der HR-Experte. „Holen Sie das Spannende nach vorne und werben Sie mit dem eigentlichen Thema wie Stressmanagement & Resilienz, dann wird das Seminar erfolgreicher nachgefragt.“

4. Mitarbeitende kennen die Angebote nicht oder der Zugang ist erschwert

Im Rahmen einer „Learning & Development“-Studie (Bilendi) gaben 92 % der HR-Verantwortlichen an, dass es in ihrem Unternehmen ein L & D-Budget gibt. Gleichzeitig wissen aber nur 62 % der Mitarbeitenden davon. Auch Jan Steffen erfährt in seiner Berater-Praxis oft, dass Mitarbeiter sich nicht ausreichend über Schulungsangebote informiert fühlen. Die Schnittstelle „Personalabteilung/Gastronomieabteilung“ gehört zu den größten Hürden. „Kaum ein neuer Mitarbeitender, der sich für Weiterbildung interessiert, wird in der ersten Woche Betriebszugehörigkeit in der Personalabteilung anklopfen, um nach Schulungsangeboten zu fragen“, sagt Jan Steffen. „So tritt das Interesse erst mal in den Hintergrund und wenn es nicht aktiv wieder geweckt wird, schlummert es weiter.“

Das Schulungsangebot muss vom Küchenleiter bis hin zur Aushilfe an der Spülmaschine allen bekannt sein, ebenso die Regeln rund um die Beantragung. Das aktuelle Schulungsprogramm mit allen Informationen sollte idealerweise schon Neuankömmlingen beim Einstellungsgespräch ausgehändigt werden. Digitale Alternativen können die Informationsbeschaffung und Anmeldeprozesse zusätzlich erleichtern. Indem das Angebot möglichst niedrigschwellig angenommen werden kann, wird es auch erfolgreicher genutzt. Kommunikations-Apps in der Machart von Social Media lassen sich mit Mehrwerten wie dem Weiterbildungsprogramm verknüpfen. Ein Newsletter ist ebenfalls ein ideales Info-Medium, mit dem man darüber hinaus auch den Kontakt zu ausgeschiedenen Mitarbeitern aufrechterhalten kann.

5. Es gibt zu wenig Anreiz oder keine verlässliche Perspektive

Ein Mitarbeiter hat eine Weiterbildung zum vegetarisch-veganen Koch absolviert, kann aber das erlernte Wissen im Anschluss nicht wie erwartet in der Praxis einsetzen. Was passiert? Der Mitarbeiter ist frustriert und glaubt, Zeit und Energie umsonst investiert zu haben. Künftig wird er weniger offen für Fortbildungen sein. Natürlich können Entscheider schon im Recruitingprozess darauf hinweisen, dass Weiterbildung erwünscht und im Unternehmen üblich ist.

Wichtiger ist jedoch, die Selbstmotivation des Mitarbeitenden für seine Weiterentwicklung zu wecken und auch zu halten. Dies gelingt, wenn die Weiterbildung mit einer reizvollen Perspektive bzw. einer klaren Entwicklungsstrategie verknüpft ist, die dann auch erfolgt. Anerkennung in Form von öffentlichem Lob (z. B. in Newslettern, auf Aushängen) wirken ebenfalls motivierend, denn sie zeigt allen, dass Anstrengung gesehen und gewürdigt wird. Darüber hinaus haben auch Nachweise oder Zertifikate nach Abschluss einer Fortbildung belohnenden Effekt.

6. Der Mitarbeitende will keinen Aufstieg

„Warum ist das Chef-Sein für viele Nachwuchskräfte nicht mehr erstrebenswert? Man sollte sich fragen, ob die Führungskultur, wie wir sie heute kennen, die Führungskultur ist, in der die jungen Menschen von heute arbeiten möchten.“

Jan Steffen

Viele ältere Führungskräfte kennen das Problem: Es findet sich kein Nachfolger im Team. Der Sous-Chef ist zwar der perfekte Mann in der zweiten Reihe, doch dieser möchte nicht Küchenchef werden. „Wenn eine(r) aus dem Team die Führung nicht übernehmen will, muss man sich fragen: Warum nicht?“, sagt der HR-Experte. Das ehrliche Gespräch miteinander, ist der beste Weg, um die Gründe zu erfahren.

Aufschlüsse, ob jemand führen kann und möchte, liefern auch Persönlichkeitstests wie das Disg-Modell oder der Reiss Profile-Kurztest. Fakt ist: Nicht in jedem guten Koch bzw. jeder guten Köchin steckt eine gute Führungspersönlichkeit. Oder es erscheint einfach nicht verlockend, in die Fußstapfen des Vorgesetzten zu treten: 12-Stunden-Arbeitstage, Stress, Überlastung, schlechte Laune, dies alles für nur wenig mehr Geld – da winkt die Work-Life-Balance-Generation häufig ab. „Die Annahme, dass jeder Karriere machen möchte, ist falsch“, betont Jan Steffen. „Das Argument: ‚Dann bist du Chef‘ reicht nicht mehr als Anreiz, wenn mit Führung eher Negatives verbunden wird.“

Der HR-Profi rät, die im Unternehmen gelebten Führungsrollen zu hinterfragen: Wie kann die Attraktivität der Position gesteigert werden? Vermittelt der Vorgesetzte Spaß am Job? Wirkt er ausgebrannt? Ist es wirklich nötig, dass eine Führungskraft 12-Stunden-Arbeitstage hat oder können die Arbeitsabläufe effizienter organisiert werden? Lässt sich der Job vielleicht in Teilzeit auf zwei Schultern verteilen, wodurch mehr Mütter angesprochen werden könnten? Zeitgemäße Wege in der Führungskultur zu gehen, sich als Chef ständig weiterzuentwickeln und ein positives Vorbild zu sein – das ist der beste Weg, um junge Menschen für den Aufstieg zu ermutigen.

info

Neue Serie: Weiterbildungs-Navi

Regelmäßige Weiterbildung bildet den Grundstein, um das eigene Team kompetent, motiviert und agil zu halten.
Doch wie kann eine erfolgreiche Weiterbildungsstrategie aussehen? Mit unserem neuen „Weiterbildungs-Navi“ wollen wir Sie durch das Dickicht der Weiterbildungs-Chancen und -Hürden führen.
Sie erfahren u. a., warum es Sinn macht, mit System vorzugehen, wie Weiterbildung zum Profilierungs- und Bindungs-Tool wird, welchen Nutzen Digitalisierung bringt oder wie man aus dem Gros der Coaching-Angebote die besten Weiterbildungspartner wählt. Teil 1 verpasst? Den gibt es hier.

Quelle: B&L MedienGesellschaft/Cornelia Liederbach

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