„Ökologisch mangelhaft“ – mit diesem Ergebnis schnitten Bundeskantinen in einer Anfang 2022 veröffentlichten Studie des Instituts für Welternährung (IWE) in Kooperation mit der Hochschule Darmstadt ab. Das Fazit der Studie: Die Bundesregierung schadet durch ihre Kantinenwirtschaft dem eigenen Ansehen und der internationalen Glaubwürdigkeit ihrer Politik. Kritikpunkte waren u. a., dass zu häufig und zu viel Fleisch angeboten wird; Kriterien wie bio, regional und fair bislang unterbelichtet sind, die Kommunikation mit den Gästen unzureichend ist und es nur in einem Drittel der Kantinen verbindliche Vorgaben des Bundes in Sachen Nachhaltigkeit gibt.
Verfehlen die Bundeskantinen also ihre Vorbildfunktion? Das Engagement einzelner zeigt, der Wille zur Veränderung ist da, was fehlt, ist die politische Weichenstellung. Was bereits gut läuft und wo GV-Manager an ihre Grenzen stoßen. Wir – aus der Redaktion GVMANAGER – haben bei zwei Betreibern nachgefragt.
Nachgehakt bei…
Andreas Ulrich, Geschäftsführer Widynski & Roick, Potsdam; Betreiber u. a. der Kantine des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Berlin
„Wir müssen in den Häusern, in denen die kommenden Nachhaltigkeitsprinzipien entwickelt werden, mit gutem Beispiel vorangehen. Grundvoraussetzung sind jedoch auch dringende Anpassungen der Kantinenrichtlinien des Bundes.“
Andreas Ulrich, Geschäftsführer Widynski & Roick in Potsdam
Herr Ulrich, kennen Sie die Studie aus 2022 und wie lautet Ihre Meinung dazu?
Ich kenne die Studie, die im Frühjahr/Sommer 2021 durchgeführt worden ist. Sie spiegelt schon die Gegebenheiten wider, da sich in der Vergangenheit der Speiseplan nicht so entwickelt hat, wie es die gewünschten Nachhaltigkeitskriterien erfordern. Ursache für die mangelnde Entwicklung der Vergangenheit sind die vertraglichen Bedingungen. Diese schreiben in der Regel Abgabepreise vor, die aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Umsetzung nicht ermöglichen.
Haben Bundeskantinen eine Vorbildfunktion zu erfüllen?
Bundeskantinen haben in jedem Fall eine Vorbildfunktion. Wir müssen in den Häusern, in denen die kommenden Nachhaltigkeitsprinzipien entwickelt werden, mit gutem Beispiel vorangehen. Das Notwendige ist behutsam und mit spannenden Momenten in den Vordergrund zu stellen, die nachhaltigkeitshemmenden Aspekte sind auf ein überschaubares Maß zu reduzieren – ohne, dass vollständig auf beliebte Gewohnheiten verzichtet werden muss. Grundvoraussetzung sind jedoch auch dringende Anpassungen der Kantinenrichtlinien des Bundes.
Welche Note würden Sie sich selbst in Sachen Nachhaltigkeit geben?
Ich würde uns eine 2– geben, da wir zum einen zwar die Speiseplanstruktur komplett umgestellt haben, jedoch noch über kein fertiges Abfallreduzierungskonzept verfügen und weil auf dem Speiseplan der CO2-Fußabdruck pro Essen noch fehlt.
Welche Maßnahmen hinsichtlich Nachhaltigkeit ergreifen Sie bereits, welche sind in Planung?
Wir haben das Angebot auf ein Fleischgericht pro Tag reduziert und eine vegane Menülinie eingeführt, welche von ein bis zwei vegetarischen Menülinien ergänzt wird. Außerdem setzen wir verstärkt auf Bio-Lebensmittel; um die erhöhten Aufwendungen dafür zu finanzieren, ist unser Speiseplan auf regionale und saisonale Gerichte ausgerichtet.
Zusätzlich planen wir ein schlüssiges Abfallvermeidungs- und Abfallreduzierungskonzept sowie die Entwicklung einer Schnittstelle, um den CO2-Fußabdruck für jedes Menü auf dem Speiseplan zu berechnen. Parallel dürfen wir die Weiterbildung unserer Mitarbeiter nicht vergessen. Wir entwickeln daher ein entsprechendes Weiterbildungsprogramm zur besseren Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien.
Wie hoch ist Ihr Bio-Anteil aktuell? Welches Ziel streben Sie an?
Der Bio-Anteil in einzelnen Kantinen liegt gegenwärtig bei 40 Prozent. Wir streben in einem weiteren Schritt die 50-Prozent-Marke an.
Wie kommunizieren Sie Ihr Engagement an die Gäste?
Wir kommunizieren über Flyer die Gründe und die Motivation hiter unserer Speiseplangestaltung und geben den Tischgästen über Informationstafeln klar vor, welche Lebensmittel wir ausschließlich in Bio-Qualität anbieten. Der Tischgast hat somit eine klare Orientierung, für welche Speisen und Lebensmittel er sich entscheiden kann. Regelmäßige Tischgastbefragungen ergänzen die Kommunikation.
Gibt es Bereiche in denen Sie gerne noch nachhaltiger agieren möchten, dies aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist?
Wir würden gerne mehr Fleisch in Bio-Qualität anbieten, die Einkaufspreise sind mit wenigen Ausnahmen jedoch so hoch, dass von einer dauerhaften Akzeptanz erhöhter Endverbraucherpreise nicht auszugehen ist.
Vielen Dank für das Gespräch!
Nachgehakt bei…
Jens Riedel, Inhaber Dias Catering, München; Betreiber der Kantine des KVR München
„Wir würden gerne den Fleischverbrauch verringern, sind aber von den Vorlieben der Gäste abhängig. Ein Fleischanteil von max. 30 Prozent wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es aber den politischen Willen, ein Konzept und finanzielle Unterstützung.“
Jens Riedel, Inhaber des Cateringunternehmens Dias Catering in München
Herr Riedel, haben Bundeskantinen Ihrer Meinung nach eine Vorbildfunktion zu erfüllen?
Auf jeden Fall! Wo Gesetze beschlossen werden, sollte man hinsichtlich Nachhaltigkeit ein Vorbild sein.
Welche Note würden Sie sich selbst in Sachen Nachhaltigkeit geben?
Wir haben unser eigenes Bio-Lieferantennetzwerk aufgebaut. Zudem ist Bio-Ware bei uns fast ausschließlich regional. Ich gebe uns daher die Note 2–.
Welche weiteren Maßnahmen hinsichtlich Nachhaltigkeit ergreifen Sie bereits?
Wir versuchen unnötige Lebensmittelabfälle zu vermeiden und kalkulieren unsere Menüs preis- und mengengenau. Für die Ausgabe nutzen wir einen Kellenplan. Weiterhin haben wir schon 2019 Kaffee-Pappbecher abgeschafft. Unsere Menüboxen für Essen zum Mitnehmen sind biologisch abbaubar oder Mehrweg, genau wie unsere Kaffeebecher.
Die Stadt München hat sich bis Mitte 2025 einen Bio-Anteil von 50 Prozent in der Gemeinschaftsgastronomie zum Ziel gesetzt. Wie hoch ist Ihr Bio-Anteil aktuell? Wie realistisch ist diese Zielvorgabe?
Unser Bio-Regional-Anteil liegt mittlerweile bei über 20 Prozent – ohne Zuschüsse der Stadt München. 50 Prozent Bio sind meiner Ansicht nach aber ohne städtische Zuschüsse nicht umsetzbar. Das liegt nicht nur am Einkaufspreis, sondern auch an der Verarbeitung. Bio braucht viel mehr Handarbeit, da es kaum vorverarbeitete Produkte gibt. Demnach steigen mit einem höheren Bio-Anteil auch die Lohnkosten. Dann befinden wir uns im Preiswettbewerb mit den günstigen Mittagsangeboten der umliegenden Restaurants.
Gibt es Bereiche, in denen Sie gerne noch nachhaltiger agieren möchten, dies aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist?
Wir würden gerne den Fleischverbrauch verringern, sind aber von den Vorlieben der Gäste abhängig. Ein Fleischanteil von max. 30 Prozent wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es aber den politischen Willen, ein Konzept und finanzielle Unterstützung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Einfluss von CO2-Angaben aufs Essverhalten
Verleiten Angaben zum CO2-Fußabdruck von Speisen auf der Karte tatsächlich zu einer nachhaltigeren Ernährung? Eine Studie gibt nun Aufschluss. Mehr zu den Ergebnissen einer Untersuchung in der Mensa des Studentenwerks Münchens.
Quelle: B&L MedienGesellschaft