Immer mehr gastronomische Betriebe entscheiden sich trotz eines wachsenden Angebots an Bio-Produkten bewusst gegen eine Bio-Zertifizierung. Häufig werden der bürokratische Aufwand, fehlende Ressourcen oder die Sorge vor zusätzlichen Kosten als Gründe genannt. Doch wie komplex ist der Weg zur Bio-Zertifizierung tatsächlich? Welche Erleichterungen gibt es für kleinere Betriebe – und welche Unterstützung können Gastgeber erwarten?
Antworten auf diese Fragen liefert Eva Marie Siegfried, Fachberaterin für den Außer-Haus-Markt bei Bioland. Im Gespräch erläutert sie, wie sich die Anforderungen durch die neue Außer-Haus-Verpflegungs-Verordnung verändert haben, welche Hilfestellungen Betriebe nutzen können und warum sich die Bio-Zertifizierung für viele Gastgeber trotzdem lohnt.
Bioland über den Weg zur Bio-Zertifizierung
Frau Siegfried, wie schwer ist der Weg zur Bio-Zertifizierung?
Gar nicht so schwer, wie man vielleicht denkt! Zu Beginn kann der Aufwand größer erscheinen, da alles neu ist und sich der Betrieb erstmal mit den Gegebenheiten einer Zertifizierung auseinandersetzen muss.
Mit der Einführung der neuen Außer-Haus-Verpflegungs-Verordnung (AHVV) wurde der Zertifizierungsprozess für Gastronomiebetriebe deutlich vereinfacht. Sofern man eine Zutat (z. B. frische Möhren) nun kontinuierlich in Bio-Qualität bezieht, ist keine aufwändige Warenflusskontrolle mehr notwendig. Es muss lediglich eine aktuelle Bio-Zutatenliste geführt werden, anhand dieser wird dann bei einer unangekündigten Kontrolle, im Lager und auf den Lieferscheinen/Rechnungen geprüft, ob die genannten Zutaten tatsächlich in Bio-Qualität eingekauft wurden. Zudem muss eine Liste der Bio-Lieferanten geführt werden mit allen aktuellen Bio-Zertifikaten dieser Lieferanten. Wenn der Betrieb bereits eine Liste auf der Homepage angeführt hat, könnte er auf diese Liste zurückgreifen und die Zertifikate dieser Lieferanten z. B. auf bioc.info herunterladen.
Zuletzt wird noch geprüft, ob das deutsche Bio-Siegel und eventuell Verbandssiegel, wie Bioland, in der Kommunikation (Speisekarte, Werbematerialien) korrekt genutzt werden. Die Nutzung ist nur noch Zutatenbezogen erlaubt und nicht mehr pauschal.
Der bürokratische Aufwand ist also überschaubar und mit etwas Vorbereitung lässt sich die Zertifizierung ohne große Hürden erreichen.
Was ist dran an der Kritik, dass das aktuelle Zertifizierungssystem für kleine Betriebe und Restaurants „kaum praktikabel“ ist?
Mit Einführung der neuen AHVV wurde der Aufwand speziell für kleinere Betriebe deutlich verringert. Ein gewisser Aufwand entsteht, wenn die kleinen Betriebe z. B. ohne Warenwirtschaftssystem auskommen und somit mehr dokumentieren müssen. Vergleicht man die Kontrolle jedoch mit der EU-Öko Kontrolle von anderen verarbeitenden Betrieben wie Bäckereien, Metzgereien oder den Kontrollen auf Erzeugerseite, ist die Bio-AHVV deutlich einfacher.
Welche konkreten Unterstützungsangebote gibt es derzeit für (potenziell) bio-zertifizierte Gastronomiebetriebe?
Wir bieten seit der Einführung der neuen Bio-AHVV zusammen mit einer Kontrollstelle regelmäßig kostenfreie Online-Seminare an, die offene Fragen zur Zertifizierung beantworten. Zudem bieten wir allen, die sich für eine Bioland-Gastronomie-Partnerschaft entscheiden (für die die gesetzliche Zertifizierung als Grundlage dient) eine engmaschige Betreuung und Beratung an, um z. B. auch ihre Fragen bezüglich Zertifizierung zu stellen.
So konnten wir auch unsere über 160 Gastronomie-Partner gut bei der Einführung ins neue System begleiten. Unabhängig davon gibt es eine Reihe von weiteren geförderten Veranstaltungen sowie Beratern, die unterstützen. Zur Nachverfolgung der Lieferantenzertifikate gibt es bereits Plattformen, wie bioc.info oder oeko-kontrollstellen.de, die den Unternehmen die Möglichkeit bieten ihre Lieferantenliste digital zu pflegen oder die aktuellen Lieferantenzertifikate einzusehen.
Wie könnte die Bio-Zertifizierung aus Ihrer Sicht attraktiver gemacht werden?
Attraktiv ist die neue Bundesförderung zur Übernahme der Kontrollkosten für Neueinsteiger, die sogenannte „RIZERT“ (Richtlinie zur Förderung der Ausgaben zur Bio-Zertifizierung von Unternehmen der Außer-Haus-Verpflegung im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau). Hier werden bis zu 80 Prozent der Kontrollkosten für zwei Jahre übernommen. Durch die Maßnahme, die noch in der alten Regierung auf den Weg gebracht wurde und hoffentlich im Herbst in die Umsetzung kommt, ergibt sich für Neueinsteiger ein finanzieller Anreiz, den Schritt hin zur Zertifizierung zu gehen. Einige Bundesländer bieten eine solche Förderung bereits an.
Wünschenswert für die Bio-Zertifizierung wäre darüber hinaus eine stärkere Digitalisierung bei den Kontrollstellen und den Gastronomien, wie etwa eine digitale Lieferantenverwaltung.
Welchen abschließenden Tipp geben Sie den Gastgebern in puncto „Bio-Zertifizierung“ noch mit auf den Weg?
Um bei der Bio-Zertifizierung gut betreut zu sein, empfehlen wir eine Bio-Verbandsmitgliedschaft. Mit Bioland beispielsweise holt man sich nicht nur fachliche Unterstützung, sondern auch ein starkes Netzwerk an die Seite. Unser Team ist jederzeit ansprechbar und begleitet durch alle Schritte. Bioland-Partnerbetriebe profitieren vom Wissen und der Erfahrung anderer Mitglieder sowie vom Verband als starker Stimme in Politik und Gesellschaft. Auch in Sachen Vermarktung sind die Profiküchen nicht auf sich allein gestellt: Vom Türschild bis zur Menükarte, von Social-Media-Vorlagen bis zur Pressearbeit bietet Bioland durchdachtes Material und praktische Unterstützung.
Danke für das Gespräch!
Quelle: Bioland e.V.

HAPPA, Berlin: Warum das Restaurant
nicht mehr „Bio“-zertifiziert ist
Seit der Eröffnung 2022 steht das HAPPA Restaurant in Berlin-Kreuzberg für eine klimafreundliche, pflanzliche Küche mit klarer Haltung. Auch eine Bio-Zertifizierung gehörte bislang dazu. Ende Juni lief diese aus – und wird nicht verlängert. Für Sophia Hoffmann und Nina Petersen war das eine bewusste Entscheidung. Im Gespräch mit 24 Stunden Gastlichkeit erklärt Küchenchefin Sophia Hoffmann, warum das Siegel für sie nicht mehr das Maß aller Dinge ist, wie sie stattdessen auf ehrliche Kommunikation setzt – und was Gäste künftig erwarten dürfen.