Bruderhahn-Aufzucht goes Gastronomie (Quelle: Stock Holm/Colourbox.de)
Quelle: Bruderhahn-Aufzucht goes Gastronomie (Quelle: Stock Holm/Colourbox.de)

Bruderhahn-Aufzucht goes Gastronomie

Mit dem Prädikat Nachhaltigkeit schmücken sich in der Gastronomie so einige Betriebe. Ein richtiges Modewort ist daraus geworden. Aber wirklich nachhaltig Denken und entsprechende Maßnahmen umsetzen tun bislang noch zu wenige.

Das liegt aber nicht nur an den Gastgebern unserer Branche: Vielmehr ist es mangelndes Wissen, die daraus resultierende Hilflosigkeit bei der Umsetzung entsprechender Gegenmaßnahmen und die fehlende Unterstützung der Politik. Bestes aktuelles Beispiel: das Kükentöten. Immerhin reden wir hier von etwas 45 Millionen männlichen Küken, die jährlich in Deutschland vergast oder geschreddert werden. Erst kürzlich entschied das Bundesverwaltungsgericht: Das verstößt gegen das Tierschutzgesetz. Rechtmäßig ist es dennoch. Zumindest vorerst.

Hofhuhn-Projekt

Ingmar Jaschok und Vincent Fricke wollen daran etwas ändern. Ingmar, Landwirt aus Wilzenberg-Hußweiler, weiß schließlich, dass es auch anders geht. Auf seinem Bornwiesenhof hat er eine eigene Bruderhahn-Aufzucht. Anfang 2018 startete er mit seinem Hofhuhn-Projekt. „Das, was mir die Landwirtschaft – konventionell wie ökologisch – an Hühnerhaltung gezeigt hat, war überhaupt nicht meins. Es entspricht überhaupt nicht meiner Vorstellung von Nachhaltigkeit und Übernahme von Verantwortung“, erklärt er den Ursprung seiner Idee.
Mit seinem Projekt will er Verantwortung übernehmen. Dazu gehört auch eine Hühnerhaltung, die auf den eigenen Hof zugeschnitten ist. Was das genau bedeutet, sieht man zum Beispiel beim Aspekt der Fütterung: „Ich füttere hauptsächlich gekochtes Getreide. Dieses steht einen Tag im kalten Wasser, wird dann einmal aufgekocht und quillt dann ein paar Stunden. Eine sehr schonende Garmethode, die viele gute Eigenschaften des Getreides erhält. Dazu gibt es gekeimtes Getreide, ebenfalls aufwändig aber toll für die Tiere. Für die wichtige Eiweißversorgung der Küken ist die Käserei zuständig. Auch Teil des Konzeptes: die Hühner als Teil des Hofkreislaufes. In der Tierhaltung ist die Eiweißversorgung immer der Knackpunkt. Wir haben mit unserer Molke und anderen Resten aus der Herstellung, wie Quark oder abgetropftem Joghurt, tolle Eiweißkomponenten, die von den Küken unglaublich gerne gefressen werden“, berichtet er auf seinem Blog, der über das Projekt umfangreich informiert.

In unserem Kurz-Video erklärt Ingmar Jaschok, welches Narrativ er mit seinem Ansatz durchbrechen will und worauf es ihm bei seinen Hühneraufzucht ankommt.

From Nose to Tail

Am 30. Juli 2019 durften wir im Pop-Up Restaurant Hahn, dass im Café M des Hotel Andaz München Schwabinger Tor stattfand, seine Idee genauer kennenlernen. Dabei ging es auch um die Frage, wie die Gastronomie dem Bruderhahn das Leben schenken kann. Zehn eben solcher Bruderhähne hatte Ingmar Jaschok (rechts im Bild) dafür mitgebracht. In sechs Gängen wurden diese von Vincent Fricke verarbeitet. Das Ergebnis war in jedem Fall interessant: Ganz im Sinne des Konzepts „From Nose to Tail“ bekamen die Gäste u. a. Hahnenfuß und -herz, Hals und Magen in Wan Tan-Form und, nicht ganz so untypisch, die Keule serviert.
Aber funktioniert das Konzept auch im eigentlichen Betrieb? Wir haben mit Vincent Fricke, Münchner Koch, Caterer und Buchautor, darüber gesprochen:

Vincent Fricke (l.) und Imgar Jaschok (Quelle: Lesch)
Vincent Fricke (l.) und Imgar Jaschok (Quelle: Lesch)

Vincent, wie funktioniert „From Nose to Tail“ im Catering? Und wie ist die Resonanz der Gäste?

Tatsächlich gestaltet sich das schwierig. Schließlich sind es meist einzelne Personen, die das Catering für viele Menschen ordern und da siegt doch meist die Unsicherheit und die Angst. Am Ende bestellen sie doch Bekanntes und Gewohntes.
Um das zu ändern muss man eine Vertrauensebene schaffen und das ist harte Arbeit. Allerdings muss ich zugeben, dass eine leichte Besserung in Sicht ist.

Was können Gastronomen tun, um euer Denken zu unterstützen?

Sie können Mut auf dem Teller beweisen und die Kommunikation angehen – in der Speisekarte und gut informiertes Servicepersonal.

Was bedeutet für dich persönlich nachhaltige Verantwortung?

Dinge zu Ende denken und in natürliche und logische Zusammenhänge bringen. Und diese Gedanken nachvollziehbar immer wieder unter die Menschen bringen, aber auch regelmäßig neu hinterfragen und andere Meinungen zulassen und aufnehmen.

Mit dem Prädikat Nachhaltigkeit schmücken sich heutzutage ja einige, wirklich umsetzen tun es die wenigsten. Woran erkenne ich „schwarze Schafe“?

An Fragen die ganz offenkundig über den Tellerrand hinausgehen – wobei es tatsächlich schwer ist schwarze Schafe zu erkennen, da es schon einen tieferen Einblick in das System und entsprechende Kenntnisse verlangt.

In der Gastronomie zählt oft nur der Gewinn. Haben Ethik, nachhaltiges Denken und Verantwortungsbewusstsein da überhaupt einen Platz?

Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten. In jedem Wirtschaftszweig zählt der Gewinn, darauf ist unser gesamtes Wirtschaftsnetz weltweit aufgebaut. Daher gibt es ja aktuell auch mehr und mehr Debatten dazu, ob sich eine nachhaltige Welt, wie wir sie aktuell brauchen und sie zwingend notwendig ist mit unserem vorherrschendem kapitalistischem System vereinbar ist. Rein kalkulatorisch ist es aber auch nicht einfach für den Gastronom in Deutschland ein Publikum nachhaltig zu bedienen, das die „Geiz ist geil“-Moral so verinnerlicht hat.
Meiner Meinung nach könnte man dennoch häufiger nachhaltiger arbeiten, auch ohne den Gewinn zu mindern – allerdings setzt das etwas mehr Einsatz, Kreativität, erhöhte Fachkenntnis und Leidenschaft voraus.

Danke für das Gespräch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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