Sonja Grundnig ist Leiterin des Bereichs Außer-Haus-Markt bei Bioland. Im Gespräch erzählt sie, wie gut gastronomische Betriebe in Sachen Bio aufgestellt sind, warum sich die Umstellung auf Bio lohnt und wie man damit am besten anfängt.
Frau Grundnig, Sie betreuen rund 200 Gastro-Partner: Welche Erfahrungen haben Sie mit den Betrieben gemacht? Fokussieren sich eher kleine oder große Betriebe auf Nachhaltigkeit und Bio?
Es fokussieren sich eher kleine, mittelständische Betriebe sowie Start-Ups auf das Thema Bio. Sie haben Bio als klaren Mehrwert für sich erkannt und wollen meist gleich mit einem klaren Nachhaltigkeitsprofil starten. Nichtsdestotrotz zählen auch große Gastronomie-Partner wie die Autostadt-Restaurants in Wolfsburg zu unseren Partnern: sie werden von Mövenpick betrieben und verpflegen jährlich etwa 2,2 Mio. Besucher mit Bio inklusive eigener Bioland-Bäckerei und Eisherstellung. Erfreulich ist, dass das Bewusstsein während der aktuellen Situation für regionale Bio-Produkte bzw. -Lieferketten gestiegen ist und sich Köche vermehrt bei uns zu diesem Thema melden.
Wie gut bzw. schlecht sind die Betriebe in Sachen Bio aufgestellt? Was müsste sich ändern, damit es besser läuft?
In Deutschland liegt der Bio-Anteil in der Außer-Haus-Verpflegung bei gerade mal 1,3 Prozent. Es herrschen leider immer noch viele Vorbehalte gegenüber Bio. Viele zweifeln an der Verfügbarkeit von Bio. Das ist bei den meisten Produktgruppen jedoch ein Trugschluss so sind zum Beispiel Molkerei- und Trockenprodukte sowie Kartoffeln und Gemüse (auch als TK-Ware) gut vorhanden.
Die größte Herausforderung im Außer-Haus-Markt liegt in der Einführung von Bio-Fleisch. Die Bio-Infrastruktur ist in dem Bereich leider noch nicht optimal. Aber mit einem gewissen Vorlauf, einem flexiblen Speiseplan und genauen Absprachen, ist auch das zu lösen. Als Verband unterstützen wir mit unserem Netzwerk aus Landwirten, Verarbeitern und Händlern gastronomische Betriebe sehr gut dabei regionale Lieferstrukturen vom Acker auf den Teller aufzubauen.
Ebenso denken viele Betriebe, dass sie ausschließlich Bio auf der Karte anbieten müssen, um mit Bio starten zu können. Es muss aber gar nicht von 0 auf 100 sein. Jeder kann langsam starten und zunächst nur einzelne Bio-Komponenten wie Molkereiprodukte, Salate, Kartoffeln, Gemüse, Eiprodukte oder Fleisch in Bio-Qualität anbieten und diese einzeln ausloben. Für diesen Einsatz ist eine Bio-Zertifizierung nach EU-Bio-VO notwendig, die sich aber vom Aufwand und den Kosten in Grenzen hält und einen klaren Mehrwert für die Gästekommunikation darstellt.
Häufig fehlt auch der Mut mit Bio zu beginnen! Wie bei jeder Neueinführung braucht es gute Vorbereitung und Planung sowie Beratung, bei der wir gerne mit unserem Know-how und Lieferkontakten unterstützen.
Warum lohnt sich Ihrer Meinung nach die Umstellung auf Bio? Wie sieht ein erster Schritt für potenzielle Nachahmer aus, was sollte man also Gastro-Betrieb zuerst angehen?
Eine Umstellung auf heimische Bio-Ware lohnt sich auf jeden Fall! Es wird zunehmend ein Imagefaktor, echte und zertifizierte Nachhaltigkeit anzubieten und sich nicht nur mit schwammigen Marketingfloskeln zu schmücken. Das zeigt auch die Coronakrise – während der der Bio-Absatz stark gestiegen ist, weil wieder selbst gekocht wurde und hier die Qualität des Essens „selbst gesteuert“ werden konnte.
Zum anderen zeigen Profiköche mit der Verarbeitung von Bio-Lebensmitteln ein deutliches Qualitätsbewusstsein, denn bei Bio sind zahlreiche Zusatzstoffe verboten, so punktet der gastronomische Betrieb mit ehrlichem und individuellem Geschmack durch gutes Handwerk.
Darüber hinaus tragen Betriebe mit einem Bio-Angebot ihr Umwelt- und Klimabewusstsein nach außen, denn Bio schützt die natürlichen Ressourcen wie Boden und Wasser und leistet einen Beitrag zur biologischen Vielfalt. Diese Vielfalt spiegelt sich oft auch auf der Speisekarte unserer Gastro-Partner wider, etwa durch Raritäten wie lila Kartoffeln oder seltene Fleischrassen. Dazu kommt natürlich noch der Tierwohl-Aspekt, der vielen Gästen immer wichtiger und auch zunehmend hinterfragt wird. Wichtig ist, dass die Umstellung nicht nur beim Einkauf passiert, sondern auch in den Köpfen der Verantwortlichen. So entstehen viele kreative Umsetzungsmöglichkeiten und Motivationen.
Was würden Sie sich für die Zukunft (z. B. von der Politik) wünschen, um Bio und nachhaltige Ernährung zu etablieren?
Insgesamt muss es wieder mehr Wertschätzung und Verständnis für die Herstellung von Lebensmitteln geben. Von der Politik fordern wir Bio-Mindestquoten in öffentlichen Einrichtungen wie eigenen Betriebsrestaurants und Kindereinrichtungen oder (Schul-)Programmen. Die öffentliche Beschaffung ist ein wichtiger Hebel beim Einkauf von Bio-Lebensmitteln und muss hier ihrer Vorbildfunktion gerecht werden – es darf nicht immer der billigste Anbieter zum Zug kommen. Qualität und Nachhaltigkeit haben ihren Preis und sind nicht zu Billigpreisen zu haben, das sollte sich auch in den Ausschreibungsverfahren widerspiegeln. Hier sollten auch die Anbieter selbstbewusster argumentieren.
Die Aspekte des Bio-Landbaus und seinen Mehrwerten zum Erhalt der Lebensgrundlagen müssen auch in der Ausbildung der Köche bzw. des Ernährungshandwerks verankert werden.
Apropos Köche: Was sollten diese zukünftig vermehrt tun?
Die Köche sollen Mut zeigen für den Einstieg mit Bio-Lebensmitteln. So wie jede Veränderung eine bestimmte Anlaufphase braucht, ist das bei der Umstellung auf Bio nicht anders. Aber man darf sich nicht entmutigen lassen und muss sich (wieder) auf den Wert der Kochkunst mit hochwertigen, biologisch und fair erzeugten Grundprodukten einlassen.
Vom Gast sollten die oben genannte Wertschätzung und eine nachhaltige Esskultur, die ihren Preis hat, anerkannt werden. Hier ist ehrliche und transparente Gästekommunikation gefragt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Quelle: B&L MedienGesellschaft, Bioland