Der Inhaber des Schlemmer-House in Gau-Algesheim kennt die Herausforderungen seiner Branche aus dem Effeff – vom defekten Dunstabzug bis zum Steuerformular. Im Interview spricht Götz Sentz über Bürokratie und Fachkräftemangel, über politische Verantwortung, neue Konsumtrends und die Zukunft der Schnellgastronomie. Sein Ziel: den vielen inhabergeführten Betrieben eine starke Stimme geben – praxisnah, lösungsorientiert und auf Augenhöhe mit der Politik.
Götz Sentz im Gespräch über Praxisnähe, politische Baustellen und Chancen für die Imbissbranche
Herr Sentz, Sie sind Inhaber des Schlemmer-House in Gau-Algesheim und seit Kurzem Präsident des BVI – Bundesverband Schnellgastronomie & Imbissbetriebe e. V. Wie kam es dazu?
Angefangen hat alles im klassischen Imbiss-Container, später kam das Schlemmer-House hinzu. Ich weiß also sehr genau, wie sich politische Vorgaben und bürokratische Pflichten im Tagesgeschäft auswirken – wenn die Abzugshaube nicht läuft, die Kundenschlange immer länger wird und gleichzeitig ein neues Formular fällig ist.
Diese Bodenhaftung ist für mich entscheidend. Als Präsident des BVI möchte ich den Kollegen eine Stimme geben, die wirklich gehört wird – praxisnah, lösungsorientiert und auf Augenhöhe mit der Politik. Denn unsere Branche ist viel mehr als schnelle Mahlzeiten: Sie ist Teil der Alltagskultur und Grundversorger in Deutschland.
Was unterscheidet den BVI von anderen Verbänden?
Der BVI ist der einzige Verband in Deutschland, der sich ausschließlich auf die Schnellgastronomie und Imbissbetriebe konzentriert – also auf jene, die meist als kleine bis mittlere Unternehmer täglich hunderte Gäste versorgen. Wir vertreten keine Ketten, sondern den Mittelstand, Inhaber und Familienbetriebe. Diese Spezialisierung erlaubt uns, bei politischen Verfahren sehr konkret zu argumentieren. Die gewachsenen langjährigen Kontakte unter den Mitgliedern bieten ein sehr gutes Austauschportal und letztendlich ergibt es so ein erfolgreiches Netzwerk von Gleichgesinnten.
Wo sehen Sie aktuell die größten politischen Baustellen für Ihre Mitglieder?
Ganz klar: Bürokratie, Steuerunsicherheit und Personalmangel. Viele Betriebe ersticken an Dokumentationspflichten – von Allergenkennzeichnung bis Kassenverordnung. Wir brauchen einheitliche, digitale Verfahren, die der Realität im Betrieb gerecht werden.
Außerdem fordern wir Planungssicherheit bei der Umsatzsteuer auf Speisen – die dauernden Änderungen sind Gift für die Kalkulation.
In den letzten Jahren war der BVI bei mehreren Gesetzesinitiativen aktiv – etwa zur Zusatzstoffverordnung und Kassensicherungsverordnung. Wie erlebt man solche Prozesse aus Verbandsperspektive?
Das ist oft zäh. Man muss früh in den Dialog mit Ministerien und Ausschüssen gehen, am besten schon im Entwurfsstadium. Wenn Gesetze erst beschlossen sind, ist es zu spät. Unsere Aufgabe ist, Praxisbeispiele zu liefern, damit Politiker verstehen: Was auf dem Papier einfach klingt, kann im Betrieb existenzbedrohend sein.
Sie führen mit dem Schlemmer-House selbst einen erfolgreichen Betrieb mit mehr als 30 Mitarbeitern. Wie fließt diese Erfahrung in Ihre Verbandsarbeit ein?
Mein Betrieb ist mein Seismograph. Wenn neue Regelungen oder Trends kommen, sehe ich sofort, ob sie funktionieren. Ich teste vieles selbst – digitale Bestelltools, Mehrweglösungen, Personalmodelle. Das hilft mir, Positionen im Verband realistisch zu bewerten und den Kollegen Lösungen statt Paragrafen zu bieten.
Wie hat sich das Konsumverhalten der Gäste verändert?
Wir erleben eine Verschiebung hin zu ganztägigem Snacking und flexiblen Mahlzeiten. Qualität, Schnelligkeit und Transparenz zählen mehr als der Preis allein. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach regionalen Zutaten und Nachhaltigkeit. Das ist eine Chance für uns – wenn wir sie pragmatisch angehen: ehrlich, bezahlbar, alltagstauglich.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für die Schnellgastronomie praktisch?
Nicht jeder Imbiss kann sofort auf Mehrweg oder Bio umstellen – das wäre unrealistisch. Aber jeder kann Schritte gehen: energiesparende Geräte, lokale Lieferanten, bessere Abfalltrennung, kleinere Speisekarten mit weniger Foodwaste. Nachhaltigkeit beginnt mit dem richtigen Bewusstsein, nicht mit einem Zertifikat.
Wie unterstützt der BVI seine Mitglieder ganz konkret?
Mit Rundschreiben, rechtlichen Hinweisen, Mustervorlagen, Schulungen und direkter Beratung. Wir bereiten komplexe Themen verständlich auf – von Hygieneverordnungen bis zum Arbeitsrecht. Und wir bringen Betriebe zusammen, die voneinander lernen können. Der Austausch unter den Kollegen in unseren Seminaren oder Erfa-Kreisen ist immer sehr erfolgreich. Da nimmt jeder Kollege von dem anderen etwas mit. Gemeinsam sind wir wirklich stark.
Sie sprechen von „Wertschätzung für die kleinen Betriebe“. Was meinen Sie damit?
Ein Imbiss ist kein Nebenschauplatz der Gastronomie. Er ist Nahversorger, Integrationsort, oft erster Schritt in die Selbstständigkeit. Diese Betriebe halten das soziale Gefüge zusammen. Hier treffen verschiedene soziale Schichten und mehrere Generationen gleichzeitig zusammen, lernen sich kennen und tauschen sich aus. Wenn wir als Gesellschaft wollen, dass es weiterhin gutes, schnelles und bezahlbares Essen gibt, müssen wir diese Unternehmer stärken.
Wie sehen Sie die Zukunft der Branche in den nächsten fünf Jahren?
Ich bin optimistisch. Wer Qualität, Tempo und Menschlichkeit verbindet, wird erfolgreich sein. Die Branche wird digitaler, effizienter, aber der persönliche Kontakt bleibt entscheidend. Und ich glaube: Der Imbiss erlebt ein Comeback – als moderner Treffpunkt, als ehrliche Küche mit regionaler Note.
Können Sie abschließend erklären, was für Sie persönlich der Inbegriff von Imbisskultur ist?
Wenn Menschen sich begegnen, gutes Essen genießen und kurz den Alltag vergessen – dann ist das Imbisskultur. Eine frisch gebratene Currywurst oder ein hausgemachter Wrap können mehr Gemeinschaft stiften als jedes Event. Genau dafür stehe ich – im Schlemmer- House wie im Verband.
Danke für das Gespräch!
Sie wollen auch Mitglied im BVI werden? Auf der Website finden Sie alle nötigen Informationen.
Quelle: Redaktion 24 Stunden Gastlichkeit, BVI
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