Seit der Eröffnung 2022 steht das HAPPA Restaurant in Berlin-Kreuzberg für eine klimafreundliche, pflanzliche Küche mit klarer Haltung. Auch eine Bio-Zertifizierung gehörte bislang dazu. Ende Juni lief diese aus – und wird nicht verlängert. Für Sophia Hoffmann (im Bild links) und Nina Petersen (im Bild rechts) war das eine bewusste Entscheidung. Im Gespräch mit 24 Stunden Gastlichkeit erklärt Küchenchefin Sophia Hoffmann, warum das Siegel für sie nicht mehr das Maß aller Dinge ist, wie sie stattdessen auf ehrliche Kommunikation setzt – und was Gäste künftig erwarten dürfen.
Wie das HAPPA-Team den Bio-Standard neu denkt
Frau Hoffmann, was war der ausschlaggebende Moment oder Faktor, der zur Entscheidung geführt hat, die Bio-Zertifizierung nicht zu verlängern?
Der ausschlaggebende Moment war die anstehende Verlängerung der Zertifizierung Ende Juni und der damit einhergehende unangekündigte Kontrolltermin. Im Zuge dessen haben wir Bilanz gezogen – und dabei festgestellt, dass Aufwand und Nutzen für uns als kleiner Betrieb in keinem sinnvollen Verhältnis stehen. Die Entscheidung war letztlich ein logischer, aber auch konsequenter Schritt.
Wie lange im Voraus reifte diese Entscheidung – war sie schon länger ein Thema im Team?
Das Thema war schon seit über einem Jahr immer wieder Gegenstand unserer internen Diskussionen. Besonders im ersten Jahr haben wir gemerkt, wie groß der bürokratische Aufwand ist – und wie wenig Sichtbarkeit oder Unterstützung damit einhergeht. Im Frühjahr 2025 haben wir dann final entschieden, das Siegel nicht zu verlängern.
Welche konkreten Anforderungen der Bio-Zertifizierung empfinden Sie als besonders belastend für kleinere Betriebe?
Zum einen der hohe Dokumentationsaufwand: jeder neue Lieferant muss nachgetragen und gelistet werden und von allen die entsprechenden Bio-Zertifikate eingeholt werden – auch wenn diese den Kontrollstellen ja eigentlich vorliegen müssten. Auch die jährlichen Kosten sind für kleine Betriebe nicht unerheblich.
Sie erwähnen fehlende Unterstützung – in welchen Bereichen hätten Sie sich konkrete Hilfestellung durch die Kontrollstelle gewünscht?
Wir hätten uns praktische Materialien zur Gästekommunikation gewünscht, digitale Tools zur Lieferantenpflege, vielleicht auch Schulungen oder eine Hotline für kleine Betriebe. Stattdessen mussten wir vieles selbst herausfinden – oft mit dem Gefühl, eher verwaltet als begleitet zu werden. Und auch eine Flexibilität hinsichtlich der Kontrollzeiten: mitten im laufenden Mittagsbetrieb ist es für uns einfach nicht möglich eine mehrstündige Kontrolle umzusetzen. Gleichzeitig haben wir mehrere Schließtage an denen so eine Kontrolle stressfrei machbar wäre, wenn es einen minimalen Ankündigungsvorlauf gäbe. Wir verstehen die Idee hinter der unangekündigten Kontrolle grundsätzlich, finden diese aber ultimativ logistisch schwer umsetzbar für uns in der Praxis.
Wir empfinden die Zusammenarbeit mit einer Kontrollstelle als eine Dienstleistung, die wir gewollt in Anspruch nehmen – gegen Bezahlungen, angefühlt hat sie sich eher wie eine Steuerprüfung, unangenehm und ohne erkennbaren Mehrwert. Man bekommt nicht mal einen Aufkleber oder eine Plakette für die Tür, all dies muss man sich selbst erstellen.
Wie erklären Sie künftig den Gästen, dass das Essen weiterhin ökologisch ist, obwohl kein Siegel mehr vorhanden ist?
Wir setzen auf offene Kommunikation – im Gespräch, auf der Speisekarte und über unsere Kanäle. Unser Anspruch an nachhaltige Zutaten bleibt bestehen, wir geben unseren Gästen volle Transparenz über unsere Bezugsquellen und erklären aktiv, warum wir uns gegen das Siegel entschieden haben.
Gibt es alternative Möglichkeiten, die Standards sichtbar zu machen – z. B. Transparenzberichte, digitale Lieferantennachweise o. Ä.?
Ja, auf unserer Website veröffentlichen wir eine ständig aktualisierte Übersicht aller Lieferanten.
Wären Sie offen für ein neues, vereinfachtes Zertifizierungsmodell – und wie müsste es konkret aussehen, um praktikabel zu sein?
Ja, absolut. Ein neues Modell müsste vor allem flexibler, digitaler und praxisnaher sein – zum Beispiel mit einem vereinfachten Verfahren für kleine Betriebe, digitalen Schnittstellen für Lieferantennachweise und klarer Kommunikation über Kriterien und Vorteile. Langfristig wünschen wir uns aber, dass Bio der Standard ist – und konventionelle Lebensmittel kennzeichnungspflichtig sind, nicht umgekehrt.
Wie könnte die Bio-Zertifizierung aus Ihrer Sicht attraktiver für moderne, nachhaltige Gastronomiekonzepte gemacht werden?
Indem der Mehrwert deutlich erhöht wird: zum Beispiel durch bessere Sichtbarkeit im Netz oder ein zentrales Verzeichnis zertifizierter Gastronomien, gezielte Förderprogramme für biozertifizierte Restaurants, niedrigere Einstiegshürden und stärkere Netzwerke zwischen Gastronomie, Zertifizierungsstellen und Verbänden. Bio muss nicht nur überprüfbar, sondern auch erlebbar und wirtschaftlich sinnvoll sein – sonst bleibt es eine Hürde statt einem Hebel.
Danke für das Gespräch!
Quelle: HAPPA Restaurant