Welche Dekoration schmückt den Tisch am besten? Wie kreiert man die perfekte Atmosphäre? Genau diese Fragen beantwortet Kommunikationsexpertin Katerina Vetter Kapagiannidou in ihrem Buch „Was Gäste glücklich macht – Das Handbuch“, welches am 4. November in der Edition Michael Fischer erschienen ist.
Die Inhaberin eines Berliner Feinkostlabels erklärt, welchen Einfluss Essen auf unsere Kommunikation hat und wie wir diesen gezielt für die Atmosphäre am Tisch nutzen und steuern können. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Kunst, passende Settings, Produkte und Menüs zu kreieren, die die Rolle als Gastgeber grundlegend beeinflussen.
Katerina Vetter Kapagiannidou im Gespräch
Vetter Kapagiannidou, was können Gastronomen von Ihrem Buch lernen?
Es begeistert mich, mit wieviel Kreativität in der Gastronomie gearbeitet wird. Von radikal regional bis ganz weit weg, von neuen, chemischen Experimenten bis zu widerentdeckten Techniken unserer Vorfahren. Das ist wunderbar, aber viele der Konzepte drehen sich mehr ums Essen, als um den Gast selbst. Genau wie die Interaktion. Natürlich können Gastronomen ihrem Gast gegenüber minutenlang darüber referieren, wo die Karotte herkommt oder mit welch stressreduzierender Methode der Fisch getötet wurde, aber die Trickkiste, wie man mit seinen Gästen interagieren kann, ist so viel größer.
Da ich aus der Kommunikation komme, habe ich mich gefragt: Was macht das Essen mit uns? Welchen Einfluss hat es auf unser Miteinander? Und wie können wir diesen Einfluss als Gastgeber gezielt nutzen? Welche Kommunikationsstrukturen liegen den einzelnen Anlässen zugrunde? Und was passiert, wenn wir sie verändern?
Diese Fragen sind neu. In meinem Buch beschäftige ich mich mit den Antworten darauf und wie sie uns zu noch besseren Gastgebern machen können. Meine Arbeit bei Hochzeiten, Staatsdinnern und Events hat mich zu einigen Anekdoten verleitet, die in dem Buch genauso Platz gefunden haben, wie Beispielrezepte und Tipps von einigen der besten Gastgeber aus Hotellerie, Gastro und Event, denen ich im Laufe der Jahre begegnen durfte.
Das Buch ist bewusst an alle gerichtet und ich bin sicher, wir werden Gastronomen nicht die Regeln ihres Handwerks neu erklären können. Wohl aber, wie man sie bricht.
Inwieweit unterscheiden sich Abende im Restaurant von denen zu Hause mit Familie oder Freunden?
Zunächst haben sie vor allem eine riesige Gemeinsamkeit: den Esstisch. Wir Menschen lieben als soziale Wesen die Gemeinschaft – und es gibt keinen Ort an dem wir uns lieber treffen, ganz egal welcher Anlass.
Doch während das eigene Zuhause ein individueller und unverwechselbarer Ort ist, den wir von Natur aus lieben, muss sich das Restaurant um dieses Prädikat erst bemühen. Darum ist es so wichtig, die eigene Handschrift zu entwickeln, zum Beispiel über einzigartige Produkte, deren Zubereitung und Präsentation, über das Geschirr, die Kleidung, und natürlich über die Kommunikation mit dem Gast. Wenn das alles stimmig ist, ist das Restaurant eine wunderbare Alternative zum eigenen Zuhause, ein Ort, an dem man die Gastgeberrolle auch mal abtreten kann, entspannen und ein Stück weit die Verantwortung abgeben kann, was Service, Qualität und Ambiente angeht, auf die man sich im besten Fall verlassen kann. Dieser Widerspruch aus Routine und Einzigartigem Erlebnis ist Widerspruch und damit ein spannender Spagat.
Gibt es kleine „Hacks“, die Gastronomen nutzen können, um die Atmosphäre von Gastraum und Tisch ansprechend zu gestalten?
Der Ansatz der kulinarischen Kommunikation ist voll davon! Paul Watzlawick hat es schon gesagt: Man kann nicht nicht kommunizieren. Alles kommuniziert, auch in der Gastronomie – das Bild an der Wand, das Besteck und die Teller genau wie alles andere, das auf dem Tisch stattfindet – oder eben nicht. Das alles sind Stellschrauben, der eigentliche Kniff ist es, zu verstehen, dass man an jeder einzelnen davon drehen kann.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der es immer mehr um das Erleben geht und darum, Erinnerungen zu schaffen. Essen ist dafür perfekt gemacht, unser Geruchs- und Geschmackssinn ist beispielsweise eng mit unserem Erinnerungsvermögen verknüpft. Die Welt drumherum mitzudenken verstärkt diesen Effekt noch. Man kann daraus ein stimmiges, holistisches Gesamtkonzept komponieren, aber auch provokante Momente kreieren.
Was passiert, wenn ich das Besteck ganz weglasse? Das Erlebnis mit allen Sinnen auf die Spitze treibe? Was passiert, wenn das Personal Ledergeschirre trägt, die zur Kunst an der Wand und zum Fleisch auf dem Teller passen? Es gibt keine Regeln, außer dass der Gast das Essen an den Tisch gebracht bekommt. Und nicht mal das stimmt: Das ABC, ein Dreisterner in Barcelona, hat mal seine Gäste überrascht, indem es einen Hauptgang im Tischsalz versteckt hatte – bevor die Gäste überhaupt platziert wurden. Ein wunderbarer Effekt. Wer neue Antworten will, muss auch bereit sein, alles in Frage zu stellen.
Was macht Gäste „unglücklich“?
Das ist eine gute Frage, leicht zu beantworten, aber schwer umzusetzen: Die Erwartungshaltung des Gastes sollte nie unterschritten – sondern idealerweise erfüllt – oder durch überraschende Elemente gar übertroffen werden.
Wenn man sich künstlich Flughöhe aufbaut, etwa durch das eingangs beschriebene Referat über die Karotte, darf die Karotte dann auch nicht weniger sein als spektakulär. Ist sie das nicht, kann es für den Gast im Zweifel sogar die spannendere Erfahrung sein, wenn ich gar nicht kommuniziere und den Gast selbst herausfinden lasse, dass es sich um eine Karotte handelt. Auch das ist übrigens ein Kniff, mit der Kommunikation zu spielen: im Restaurant „Mugaritz“ gibt es keine langen Erklärungen, häufig erfährt man gar nicht, was man gleich essen wird, sondern erst im Anschluss, was das Erlebnis auf außergewöhnliche und kreative Art sinnlich macht.
Aber ich will nicht nur über Sternegastronomie reden. Erwartungshaltungen zu übertreffen muss nicht unbedingt teuer sein, im Gegenteil. Das Schmorgericht der Oma kann durchaus größere Gefühle hervorrufen als das Menü im Sternerestaurant, ein gutes Sauerteigbrot kann im richtigen Moment mehr überraschen als eine perfekte Gillardeau-Auster. Dieser schmale Grat ist eine Kunst für sich, mit der sich selbst das Protokoll für Gesellschaftliche Anlässe des Auswärtigen Amtes beschäftigt, mit dem ich immer wieder zusammengearbeitet habe.
Und zu guter letzt noch eine ganz andere, spannende Herausforderung: Gäste, die bereits unglücklich sind. Menschen, die per se zu schlechter Laune neigen können mit ihrer Stimmung eine ganze Gruppe anstecken, wie ein fauler Apfel den schönen Früchtekorb. Diese „rotten Apples“ sind ein bekanntes Phänomen in der Gruppendynamik, in dem Buch gebe ich auch hier ein paar Tipps, wie man damit gut umgehen kann.
Welche Speisen sind für die Kommunikation eher ungünstig?
Es gibt keine ungünstigen Speisen. Nur den falschen Anlass. Wichtig ist, zu verstehen, welche Rolle die Speise spielen soll. Soll sie eher der Star sein und peinliche Stille verhindern? Oder steht ein anderes Thema im Fokus und die Speise nimmt sich zurück? Konkret gesprochen: durchschnittlich drehen sich etwa 30 Prozent der Kommunikation bei Tisch um das, was darauf steht. Wenn ich diesen Prozentsatz mit außergewöhnlichen Settings und erklärungsbedürftigen Speisen künstlich in die Höhe treibe, es sich aber um ein Geschäftsessen handelt bei dem es eine wichtige Agenda zu besprechen gibt, handle ich der Natur der Sache zuwider.
Was also bei dem einen Anlass für Begeisterung sorgt, kann bei einem anderen das Haar in der Suppe sein. Wenn Sie in ein pinkes Macaron beißen das zwar nach Himbeere aussieht, sich aber als Blutwurstmacaron entpuppt, kann dieser Überraschungseffekt in der gehobenen Gastronomie großartig sein, beim Hochzeitsaperitif aber nerven. Darum ist es so wichtig, eben nicht nur über das perfekte Essen nachzudenken, sondern vor allem über den Anlass und die Menschen, die das begeistern soll.
Welche Eigenschaft muss der Gastgeber, die Gastgeberin im besten Fall mitbringen?
Ich bin sicher, da gibt es unterschiedliche Haltungen, aber meiner Meinung nach ist die Bescheidenheit das Wichtigste: Es ist einfach viel wichtiger, eine gute Zeit miteinander zu verbringen, als Lorbeeren zu ernten. Diese Einstellung nimmt den Fokus von der Perfektion, sorgt für weniger Stress und damit für eine entspanntere Atmosphäre. Und die ist den Gästen laut Umfragen ohnehin viel wichtiger.
Das bedeutet: Authentizität geht vor Show, man kann ruhig auch mal auf den Applaus verzichten. Spitzensommelier Willi Schlögl rät in meinem Buch beispielsweise je nach Anlass und Getränk dazu, die teuren, pseudo-schicken Gläser auch mal im Schrank zu lassen, wenn die rustikalere Variante einfach besser passt.
Darüber hinaus gut zu wissen: ein Zuviel an Perfektion bereitet vielen Menschen ohnehin eher Unbehagen.
Danke für das Gespräch!
Quelle: Redaktion 24 Stunden Gastlichkeit, EMF Verlag
Gasterlebnis im Mittelpunkt
Im Hamburger Fünf-Sterne-Superior Hotel Louis C. Jacob kommen Liebhaber von Kunst, Kultur und Kulinarik auf ihre Kosten. Gelegen an der Elbchaussee mit der berühmten, idyllischen Lindenterrasse positioniert sich das Hotel gerade neu als Hamburgs Kulturhotel. Dafür hat Hoteldirektorin Judith Fuchs-Eckhoff eigens ausgewählte Kulturangebote etwa für Besuche der Elbphilharmonie oder Konzerten im Hamburger Michel arrangiert. Mehr zum Konzept des Louis C. Jacob verrät Judith Fuchs-Eckhoff in der aktuellen Ausgabe der first class. Sie leitet das Hotel seit fast sechs Jahren. Worauf sie dabei Wert legt, berichtet Judith Fuchs-Eckhoff im Interview.