Die Kaffeebranche ist wie kaum eine andere Branche ein Spiegel der wirtschaftlichen Situation und wandelt sich gleichzeitig mit den sich ändernden Bedürfnissen immer wieder grundlegend.
Als Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre die Coffeeshops in Europa aufkamen und wuchsen, gab es in Deutschland weniger als 100 Röstereien. Niemand hätte damals gedacht, dass die Röstkultur eine solche Renaissance erleben würde und könnte. Heute, rund 25 Jahre später, gibt es in Deutschland etwa 2.000, die sich in Mikro-, Klein-, Groß- und Industrieröstereien unterteilen lassen. Sie unterscheiden sich in Größe, Arbeitsweise, Vertrieb und Geschäftsmodell.
Mikroröstereien
Die kleinsten, die als Mikroröstereien bezeichnet werden können, sind gleichzeitig meist Cafés, die fast ausschließlich für den eigenen Ausschank produzieren und nur zu einem geringen Teil auch einen Verkauf an Kunden haben, die den Kaffee direkt vor Ort im Café kaufen. Relativ neu sind „Nebenerwerbsröstereien“, die meist zu Hause in kleinem Maßstab meist sehr hochwertige Rohkaffees verarbeiten und an einem Tag in der Woche oder an wenigen Tagen im Monat Verkaufszeiten anbieten oder ihre Kaffees teilweise ausschließlich online vertreiben. Die Produktionsmengen dieser Mikroröstereien liegen zwischen 0,5 und 10 Tonnen Röstkaffee pro Jahr. Mikroröstereien, die vom Ausschank dominiert werden, produzieren in der Regel weniger Kaffeebohnen und verdienen ihr Geld mit den margenträchtigen Kaffeegetränken.
Sie arbeiten zumeist mit Röstanlagen mit einem Volumen von 1 bis 5 Kilogramm pro Röstcharge, der Rohkaffee wird von Hand eingefüllt und die Röstkaffees auch einzeln gewogen und verpackt.
Kleinröstereien
Die Kleinröstereien konzentrieren sich auf den Verkauf von Kaffeebohnen und beliefern meist als „Local Hero“ umliegende Gastronomiebetriebe, Bäckereien, Hotels und Unternehmen. Privatkunden kaufen direkt in der Rösterei vor Ort, über Wiederverkäufer (in inhabergeführten Supermärkten als regionales Produkt) oder online im Webshop der Rösterei.
Sie produzieren zwischen 10 und 100 Tonnen Röstkaffee pro Jahr. Hier finden sich in der Regel Röstmaschinen mit einem Fassungsvermögen von 10 bis 60 Kilogramm, bei den etwas größeren Kleinröstereien häufig zwei Röstanlagen, meist eine kleinere und eine größere, um besser auf unterschiedliche Produktionsanforderungen und Produktionsspitzen reagieren zu können. In der Regel sind halbautomatische Wiege- und Verpackungsanlagen vorhanden. Die Beschickung mit Rohkaffee erfolgt jedoch meist noch manuell über größere Beschickungsbehälter.
Großröstereien
Die Großröstereien produzieren jährlich zwischen 200 und 2.500 Tonnen Kaffeebohnen. Ihre Kunden sind größere Gastronomiebetriebe, Hotels, Cafés, Bäckereien, Kantinen, Unternehmen und über eigene Coffeeshops oder Kaffeebars auch Endverbraucher, die die Rösterei auch als regionalen Produzenten wahrnehmen.
Auch hier gibt es verschiedene Wiederverkaufsstellen und Zusammenarbeit mit Supermärkten. Fast immer werden mehrere Röstanlagen betrieben, größere für die Hauptsorten und kleinere für spezielle Kundenmischungen und Spezialitätenkaffees. Die Anlagen sind in der Regel vollautomatisch und verfügen über Rohkaffeezuführungen und ebenfalls vollautomatische Weiterleitungen des Röstkaffees in Silos und zu den Mahlanlagen. Häufig findet man hier auch Anlagen zur Herstellung bzw. Abfüllung von „Single-Portion-Systemen“ und „Kapselsystemen“ oder anderen portionierten Sonderverpackungen. Verkaufsargumente sind hier häufig „Zertifikate“, die als absolute Wahrheiten hochgehalten werden, da das Absatzgebiet über den Rahmen hinausgeht, in dem die Röstereien als „lokal“ oder „regional“ wahrgenommen werden.
Industrielle Röstereien
Die industriellen Röstereien erreichen Produktionsmengen von 10.000 bis knapp 100.000 Tonnen pro Jahr. „Bon Presso“ in Rheine (Schwarz Produktion Stiftung und Co. KG) produziert zum Beispiel nach eigenen Angaben bereits 50.000 Tonnen pro Jahr, die Melitta-Rösterei kam 2019 auf rund 90.000 Tonnen Jahresproduktion. In ähnlichen Größenordnungen bewegen sich Tchibo (ca. 50.000 Tonnen), Dallmayr (ca. 80.000 Tonnen) und Jacobs. Darboven produziert ca. 36.000 Tonnen. Hauptvertriebsweg ist der Handel, über den der Haushaltskaffeemarkt erreicht wird, der ca. 50 Prozent des gesamten deutschen Kaffeemarktes ausmacht.
Sie arbeiten mit großen Röstanlagen, die zum Teil kontinuierlich, zum Teil im vollautomatischen Chargenbetrieb arbeiten. Aerothermische Anlagen und Sphärenröster stehen hier neben riesigen Trommelröstern mit mehreren hundert Kilogramm Fassungsvermögen. In den letzten Jahren sind die Industrieröstereien auch dazu übergegangen, Spezialitätenkaffeelinien zu produzieren und dafür „Manufakturen“ aufzubauen. Auch wurden strategische Zukäufe von bekannten lokalen Marken getätigt, um das eigene Portfolio entsprechend zu erweitern – meist in anderen Landesteilen und bei Herstellern mit anderen Produktionsschwerpunkten. Häufig werden auch Zukäufe im Ausland getätigt, um dort eine zweite Marke in bestehenden Vertriebskanälen zu platzieren und umgekehrt das Image der erworbenen Marke nach Deutschland zu transportieren.
Warum die Entstehung von Mikroröstereien als Reaktion auf die zunehmende Homogenisierung des Kaffeemarktes verstanden werden kann, was sie auszeichnet und wieso ein Vergleich der Entwicklung von Kleinröstereien in verschiedenen Ländern interessant ist, erklärt Dr. Steffen Schwarz ausführlich in seinem Bericht „Lokal bis regional“ in unserem Fachmagazin „Kaffee & Co.“ Ausgabe 1|2024.
Quelle: Dr. Steffen Schwarz