Tim Hillemann, Abteilungsleiter Hochschulgastronomie im Studierendenwerk Heidelberg
Quelle: Studierendenwerk Heidelberg

„Wir erfinden uns gerade neu“

Das Studierendenwerk Heidelberg ist dabei eine große Nachhaltigkeits- und Tierwohloffensive in den Mensen und Cafeterien umzusetzen. Verantwortlich dafür ist Tim Hillemann als Abteilungsleiter Hochschulgastronomie.

Wie der GV-Manager die neuen Leitgedanken umsetzt und welche Rolle dabei die Studierenden des Studiengangs BWL-Foodmanagement spielen, hat uns Tim Hillemann im Interview für die Ausgabe 9/22 des GVMANAGER verraten.

Ziele der Nachhaltigkeits- und Tierwohloffensive:

  • eine Reduktion des Fleischeinsatzes,
  • der Umstieg auf Eier aus Freilandhaltung und Fleisch der Haltungsform 3 für mehr Tierwohl,
  • weniger Convenienceprodukte und dafür mehr Eigenproduktion sowie
  • eine Ausweitung des Mehrwegkonzepts.

Tim Hillemann: „Unser Lieferantennetz ist noch im Aufbau.“

Für die Offensive müssen Einkauf und Lieferantenstrukturen neu aufgebaut werden. Eine Herausforderung, schließlich produziert das Studierendenwerk täglich 10.000 Essen für sieben Mensen und zwölf Cafés. Wie die Umstellung gelingt, hat Tim Hillemann erzählt.

Tim Hillemann berichtet, wie das Studierendenwerk Heidelberg sich neu und nachhaltig ausrichtet.
(Quelle: Studierendenwerk Heidelberg)

Herr Hillemann, welche Voraussetzungen mussten geschaffen werden, um einen solch großen Verpflegungsbetrieb auf diesen neuen Kurs bringen zu können?

Unser neues Lieferantennetz ist noch im Aufbau. Wir sind noch nicht da, wo wir hin möchten, doch wir sind auf einem guten Weg. Wir kooperieren mit den Erzeugern und Lieferanten in der Bio-Musterregion Heilbronner Land und sind dabei, Teil des Netzwerks Genial Regional Heidelberg zu werden. Von der bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall (BESH) beziehen wir das Fleisch des Schwäbisch Hallischen Landschweins.

Die Warenbeschaffung im großen Stil dürfte schwierig sein …

Fleisch und Fisch aus tierwohlgerechteren Haltungsformen in ausreichender Menge zu bekommen, verlangt eine andere Herangehensweise, denn der Markt ist noch im Entwicklungsstadium. Noch gibt es lange Vorbestellzeiten. Kurzfristig mit Ware beliefert zu werden – das gibt es mit diesem Konzept (noch) nicht. Derzeit sind wir mit Lieferanten im Gespräch, die eigens für uns Fleischconvenience in Haltungsform 3 und 4 herstellen sollen. Diese Qualitätsstufen sind bisher auf dem Conveniencemarkt kaum zu finden. Zwar wollen wir mittelfristig das meiste selbst herstellen, doch so weit sind wir noch nicht. Bis dahin müssen wir täglich immerhin bis zu 10.000 Essen produzieren. Für die Köche bedeutet das: Sie müssen vorausschauend ihren Speiseplan entwickeln, der natürlich auch nicht so weitergeschrieben werden konnte, wie bisher. Fleisch und Fisch sind nun teurer im Einkauf, doch das Mensagericht soll bezahlbar bleiben. Unser gesamtes Cost-Controlling musste neu aufgestellt werden.

Und was ändert sich konkret in den Küchen?

Für den erhöhten Anteil der Eigenproduktion müssen Produktionsflächen erschlossen werden. Zum Glück sind unter den 19 Verpflegungseinrichtungen einige Küchen, die groß genug sind. Es gibt sogar eine ehemalige Konditorei sowie eine Metzgerei, deren Flächen wir nun für eine zentrale Eigenproduktion nutzen können. Die Pastamanufaktur ist bereits etabliert und versorgt von dort die Einrichtungen in Heidelberg. Bald wollen wir auch unsere Suppen, Saucen und Dressings als Eigenmarke herstellen. Um die Waren gut gekühlt in die Einrichtungen zu bringen, formierten wir eigens ein Logistikteam.

Wir erfinden uns gerade neu. In den Küchen müssen einige verkrustete Strukturen aufgebrochen werden, immerhin ist das Studierendenwerk über 100 Jahre alt. Es gilt, sämtliche Arbeitsprozesse zu hinterfragen, bis hin zur Energieeffizienz der Garmethoden. Da wir mehr Lebensmittelabfälle vermeiden möchten, müssen wir unsere Speisen künftig bedarfsgerecht nachproduzieren. Ein anderes Arbeitssystem also. Um den Wandel in den Küchen voranzubringen und die Küchenteams entsprechend zu schulen, haben wir Bereichsleiter eingestellt, die als Bindeglied fungieren und von Berufs wegen wissen, wie eine Großküche tickt.

Wie haben Sie die vegan-vegetarische Kompetenz Ihrer Köche gestärkt?

Mit dem veganen Starkoch Björn Moschinski führten wir Workshops in Theorie und Praxis durch. Das Motto: Geiler Geschmack braucht kein Fleisch! Dafür erhielten Konsistenz und Würzungen einen völlig neuen Stellenwert. In Kürze wird es darüber hinaus weitere Fortbildungen durch unsere Bereichsleiter geben, die selbst ausgebildete Köche sind.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

info

Planetary Health Diet

Die sieben veggie-freundlichsten Mensen Deutschlands haben im Zuge der Kampagne Planetary-Health-Mensa ihre beliebtesten pflanzlichen Planetary Health Rezepte in einem Kochbuch zusammengetragen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Quelle: Cornelia Liederbach für B&L MedienGesellschaft

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