Das Bundesministerium fรผr Ernรคhrung und Landwirtschaft (BMEL) schlieรt mit 14 Unternehmen des Groร- und Einzelhandels eine Vereinbarung zur Reduzierung von Lebensmittelabfรคllen ab. Darin verpflichten sich die unterzeichnenden Unternehmen auf konkrete Reduzierungsziele und verpflichtende Reduzierungsmaรnahmen โ sowohl im eigenen Unternehmen als auch an den Schnittstellen zu den vor- und nachgelagerten Bereichen der Lebensmittelversorgungskette.
Die Vereinbarung gegen Lebensmittelverschwendung tritt ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung in Kraft und gilt bis 31. Dezember 2031. Die Umsetzung der Zielvereinbarung, insbesondere die Zielerreichung, wird durch das Thรผnen-Institut fรผr Marktanalyse (TI) als unabhรคngige Einrichtung im Geschรคftsbereich des BMEL begleitet und รผberprรผft.
Vereinbarung zwischen BMEL und Unternehmen des Groร- & Einzelhandels:
1. Verpflichtung der Unternehmen auf konkrete Reduzierungsziele
Die unterzeichnenden Unternehmen des Groร- und Einzelhandels verpflichten sich mit der vorliegenden Vereinbarung, die Lebensmittelabfรคlle in ihrem Unternehmen umfassend zu reduzieren: um 30 Prozent bis 2025 und um 50 Prozent bis 2030. Damit nehmen die Unternehmen die Zielsetzungen aus der Agenda 20301 als fรผr sich selbst verbindlich und verpflichtend an.
2. Pflicht zur Kooperation zwecks Weitergabe von Lebensmitteln
Schon heute spenden viele Unternehmen ihre รผberschรผssigen Lebensmittel. Die unterzeichnenden Unternehmen verpflichten sich, die Weitergabe noch verzehrfรคhiger Lebensmittel auszubauen.
90 Prozent der Geschรคftsstandorte des unterzeichnenden Unternehmens gehen, vergleichbar mit der โSpendenverpflichtungโ in Frankreich, mindestens eine feste Kooperation mit einer entsprechenden Empfรคngerorganisation ein.
Verzehrfรคhige Lebensmittel sollen primรคr an soziale Einrichtungen wie die Tafeln gespendet werden. Die Weitergabe an andere Empfรคngerorganisationen, z. B. an Vermittlerplattformen oder an eigene Mitarbeiter, ist ebenfalls mรถglich. Die Standorte kรถnnen mit entsprechendem Logo ihre Kooperationen kenntlich machen.
3. Konkretisierung der Pflichten nach Kreislaufwirtschaftsgesetz fรผr Lebensmittel
Die Vereinbarung konkretisiert die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Obhutspflicht, Abfallhierarchie) mit Blick auf Lebensmittel. Oberstes Ziel ist die Vermeidung von Lebensmittelabfรคllen.
Die Vereinbarung schreibt fest, dass Lebensmittel nicht durch aktives Handeln gezielt fรผr den Verzehr unbrauchbar gemacht werden dรผrfen. Die Unternehmen verpflichten sich auรerdem, Lebensmittel, die nicht mehr fรผr den menschlichen Verzehr bestimmt oder geeignet sind, einer mรถglichst hochwertigen Verwendung oder Verwertung zuzufรผhren (beispielsweise aufbereitet als Tierfutter).
4. Konkrete Maรnahmen zur Reduzierung von รberschรผssen โ auch an den Schnittstellen
Die Unternehmen verpflichten sich zu spezifischen Maรnahmen hinsichtlich Mehrmengen und Retouren, damit innerhalb der Lebensmittelversorgungskette anfallende รberschรผsse reduziert werden.
Im unternehmensinternen Bereich gibt es Maรnahmen wie die Verpflichtung, geeignete Schulungsmaรnahmen fรผr relevantes Personal durchzufรผhren. Andere Maรnahmen adressieren die Beziehungen zu Lieferanten und Verbrauchern (z. B. der Verkauf von Obst und Gemรผse mit Schรถnheitsfehlern, Maรnahmen der Verbrauchersensibilisierung) und damit die Schnittstellen beim Ein- und Verkauf. Damit leisten die Unternehmen auch einen Beitrag zur Reduzierung von Lebensmittelabfรคllen und -verlusten in den anderen Sektoren.
Der Maรnahmenkatalog der Vereinbarung umfasst ferner Maรnahmen zur Optimierung der Prozess-, Logistik- und Kรผhlkette, zum preisreduzierten Abverkauf von Waren nahe dem Mindesthaltbarkeitsdatum sowie Maรnahmen zur Unterstรผtzung der Weitergabe รผberschรผssiger Lebensmittel (z. B. Investitionen in die Logistik der Tafeln, Verwendung digitaler Tools zur Erleichterung des Spendenprozesses).
5. Umsetzung der Vereinbarung โ transparent und verbindlich
Mit Unterzeichnung verpflichten sich die Unternehmen, unmittelbar tรคtig zu werden. รber die Einhaltung der ergriffenen Maรnahmen legen sie Rechenschaft ab. Zu diesem Zweck ist ein jรคhrliches รถffentliches Reporting der Unternehmen in einem einheitlichen Format vorgesehen, dass Transparenz und Vergleichbarkeit herstellen und die verbindliche Umsetzung der Verpflichtungen gewรคhrleisten soll.
Die Rechenschaftslegung wird durch das Thรผnen-Institut fรผr Marktanalyse (TI) als unabhรคngige wissenschaftliche Einrichtung im Geschรคftsbereich des BMEL รผberprรผft. Das TI bewertet die Umsetzung der Zielvereinbarung unter Berรผcksichtigung weiterer, vertraulich gelieferter Unternehmensdaten und fasst die Auswertung in einem Monitoring-Bericht zusammen. Diese jรคhrlichen Berichte werden der รffentlichkeit zugรคnglich gemacht.
In Umsetzung des Paktes gegen Lebensmittelverschwendung soll der Austausch des BMEL mit den Handelsunternehmen fortgefรผhrt werden, insbesondere mit Blick auf die Arbeit an sektorรผbergreifenden Schnittstellen. Im Austausch mit den betroffenen Ressorts (Bundesministerium der Justiz, Bundesministerium der Finanzen) und den fรผr den Vollzug des Lebensmittelrechts zustรคndigen Lรคndern werden haftungs- und steuerrechtliche Spielrรคume ausgelotet sowie Regelungen, die der Vermeidung von Lebensmittelabfรคllen ggf. entgegenstehen, รผberprรผft. Die Akteure sollen durch praxistaugliche Handreichungen unterstรผtzt werden (z. B. Leitfaden zur Weitergabe von Lebensmitteln).
6. Unterzeichnende des Paktes gegen Lebensmittelverschwendung
Das BMEL hat die Vereinbarung am 27. Juni 2023 mit folgenden Unternehmen des Lebensmittelgroร- und Einzelhandels unterzeichnet: Aldi Einkauf SE & Co. oHG, Aldi Sรผd Dienstleistungs-SE & Co. oHG, Chefs Culinar West GmbH & Co. KG/Niederlassung Wรถllstein, Edeka Zentrale Stiftung & Co. KG, HelloFresh Deutschland SE & Co. KG, Kaufland Dienstleistung & Co. KG, Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG, Metro Deutschland GmbH, Netto Marken-Discount Stiftung & Co. KG, Norma Lebensmittelfilialbetrieb Stiftung & Co. KG, Penny Markt GmbH, Rewe Markt GmbH, tegutโฆ gute Lebensmittel GmbH & Co. KG sowie Transgourmet Deutschland GmbH & Co. OHG.
Kritik an der Vereinbarung
Die Kritik an der Vereinbarung folgte prompt. Das Bรผndnis Lebensmittelrettung etwa begrรผรt zwar die Zielvorgaben, bewertet die freiwillige Selbstverpflichtung jedoch als stumpfes Schwert ohne rechtliche Sanktionsmรถglichkeiten. Das Bรผndnis fordert von der Bundesregierung rechtlich verpflichtende Maรnahmen zur Halbierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030, die entlang der gesamten Lieferkette greifen โ also auch Lebensmittelproduktion und -verarbeitung. Ein Blick auf andere Lรคnder zeige, dass freiwillige Zielvereinbarungen nicht zu notwendigen Verรคnderungen fรผhren und mit regulatorischen Maรnahmen nachgeschรคrft werden mรผssen. Zudem kรถnne nur eine umfangreiche Berichterstattung der einzelnen Unternehmen zu ausreichend Transparenz mit Blick auf Lebensmittelabfรคlle fรผhren. Kritisiert wird weiterhin, dass lebensmittelrettende Akteure wie Foodsharing oder die Tafeln bei den Verhandlungen รผber geeignete Maรnahmen nicht mit ins Boot geholt wurden.
Lebensmittel spenden
Damit anfallende รberschรผsse nicht im Mรผll landen, kรถnnen Betriebe diese weitergeben. Was es dabei zu beachten gilt, erklรคrt Wolfgang Kulow, Dezernatsleiter, Dezernat 54 Veterinรคrwesen und Verbraucherschutz, Regierungsprรคsidium Gieรen im Interview.
Quelle: BMEL, Deutsche Umwelthilfe