Ende 2023 ist das Buch „Alkoholfrei“ von Publizistin und Gastro-Beraterin Nicole Klauß erschienen. Nach „Die neue Trinkkultur – Speisen perfekt begleiten ohne Alkohol“ ist es bereits ihr zweites Buch zu diesem Thema. Im Interview verrät sie, warum Gastronomen auf alkoholfreie Getränke, vor allem als Speisenbegleitung, setzen sollten.
Frau Klauß, der Bauernverband und das Deutsche Weininstitut vermeldeten sinkende Umsätze bei Bier und Wein – was meinen Sie, woran liegt das?
Seit einiger Zeit ist eine Entwicklung festzustellen: die Verbraucherinnen und Verbraucher möchten wissen, was in Lebensmitteln enthalten ist, Bücher über gesunde Ernährung trenden und da gehört das Thema Alkohol natürlich dazu: viele Menschen hinterfragen ihren Alkoholkonsum. Gerade liegt der Dry January hinter uns und die Zeitschriften und Zeitungen sind voll von Tipps für einen Monat ohne Alkohol. Das bedient den Trend, der nun schon länger anhält: immer mehr Menschen trinken immer weniger Alkohol. Werfen wir nur einen Blick in die Supermarktregale: früher standen bei den alkoholfreien Getränken Sirupe, Limonaden und Wasser. Jetzt finden sich dort Kombucha, kohlensäurehaltige Getränke mit Tee, hochwertige reinsortige und vor allem Direktsäfte sowie alkoholfrei destillierte Spirituosen.
Warum sollten Restaurants alkoholfreie Alternativen auf der Getränkekarte anbieten – das bedeutet ja meistens mehr Arbeit, da sich jemand mit der Thematik beschäftigen muss?
Viele Menschen, die nicht oder wenig trinken, besuchen Restaurants und bevorzugen die Orte, die Alternativen zu Wein und Bier anbieten. Diese Zielgruppe muss bedient werden, sonst verlieren die Restaurants Umsatz: ein Gast, der nichts trinken möchte, bleibt beim Wasser, oder geht in Restaurants, die Alternativen anbieten. Die Rechnung ist recht einfach: 40 Prozent des Gesamtumsatzes sollte der Getränkeumsatz ausmachen – bleibe ich beim Wasser, geht diese Rechnung nicht auf. Bietet das Restaurant Alternativen an, so kommen acht bis zehn Euro pro Glas dazu. Beim Restaurant Horvàrth in Berlin kostet ein Glas mit einer alkoholfreien Alternative 15 Euro, das sind 90 Euro für ein alkoholfrei begleitetes Sechs-Gänge-Menü.
So kann ein Restaurant neue Zielgruppen erschließen und die Fachkraft finanziert sich über die generierten Umsätze.
Woran liegt es, dass sich immer noch so wenig Restaurants diesem Thema widmen?
Fakt ist, dass das Thema in den Wein- und Sommelierschulen nach wie vor so gut wie gar nicht behandelt wird, werden jedes Jahr Sommeliers ausgebildet, die sich in Sachen Wein und Spirituosen hervorragend auskennen, aber in puncto alkoholfreier Begleitung wenig Kenntnisse aufweisen. Fragen dann Gäste nach einer alkoholfreien Begleitung, müssen die meisten Sommeliers passen. Oft wird dem Gast dann Saft angeboten oder Limonaden. Interessanterweise wird in vielen Fine-Dining-Restaurants bei der Reservierung nach Allergien gefragt: Gluten, Zucker, Nüsse oder Schalentiere, nicht aber danach, ob der Gast aus welchen Gründen auch immer keinen Alkohol trinken möchte. Das ist nicht im Sinne der Inklusion.
Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich vertrage kaum Alkohol und bin eine von den Gästen, denen jahrelang bei Empfängen ein Orangensaft im Wasserglas angeboten wurde. Während meiner Schwangerschaften und Stillzeiten galt für mich die 0,0% Regel – und das war kein großer Spaß. Ich erinnere mich an Abende, bei denen den anderen Gästen detailreich die Vorzüge des Weines angeboten wurden und mir auf die Frage nach einer alkoholfreien Begleitung die Gegenfrage gestellt wurde, ob ich denn Wasser mit oder ohne Kohlensäure wünschte?
Was empfehlen Sie den Gastronomen – wie startet man mit der alkoholfreien Begleitung?
Das Wichtigste ist: die Speise steht vorne. Das ist im Prinzip wie bei der Queen und Prinz Philip: der Speise gehört das Rampenlicht, das Getränk begleitet. Sushi zum Beispiel profitiert von einem Cold Brew Tee, wie einem geröstetem Grüntee, nicht aber von einer Cola oder eine Saft.
Es muss klar sein, wer für die alkoholfreie Begleitung zuständig ist, und es muss eine Vertretung geben, im Falle des Urlaubs oder eine Krankheit. Dabei gibt es drei Möglichkeiten, eine Speise zu begleiten: der erste und leichteste Weg ist „Ton-in-Ton“: nehmen Sie ein Aroma aus der Speise und komponieren Sie daraus ein Getränk. Das kann eine Zitrusfrucht sein, ein Gewürz oder verwendete Kräuter. Der Klassiker in diesem Fall ist ein Earl Grey und ein Toast mit einer Zitruskonfitüre, die Noten der Bergamotte im Tee korrespondieren mit den süß-bitteren Noten der Konfitüre.
Ein Getränk kann auch ergänzend agieren: zu einem indischen Curry kann ein mit frischem Koriander aromatisiertes Wasser gereicht werden, dazu wird frischer Koriander leicht angedrückt und für eine Nacht in ein verschließbares Gefäß mit Wasser gegeben: das Getränk ergänzt das würzige Curry mit frischen Noten des Korianders.
Eine dritte Möglichkeit ist das Prinzip der Kontraste: das Curry kann mit einer säuerlich-frischen Infusion von Hibiskusblüten zusammen mit Agavensirup, Limettensaft und Tonic begleitet werden – sie begleitet ein Curry souverän, frisch und mit leichten Bitternoten.
Für den Beginn empfehle ich in der Beratung den Restaurants die Begleitung einer überschaubaren Anzahl an Speisen, zum Beispiel einem kleinen Tastingmenü, das möglichst nicht täglich die Zutaten ändert. Hier braucht es zudem einen engen Austausch zwischen Küche und Bar.
Vielen Dank für das Gespräch!
Quelle: Michael Teodorescu/B&L MedienGesellschaft
Nicole Klauß: Alkoholfrei
Immer mehr Menschen trinken keinen Alkohol, in Bars oder Restaurants werden sie häufig auf Softdrinks verwiesen. Dass es auch besser geht, zeigt die Autorin. Ihr neues Buch richtet sich an Weinfachleute, Sommeliers, Gastronomen und Weinhändler. Die Autorin führt in das Universum der nichtalkoholischen Getränke ein und erklärt, wie sie zubereitet werden, wie sie schmecken und zu welchen Gerichten sie passen.
Aarau/CH: AT Verlag, 336 Seiten, 36 €
Sober Drinks
Auch Torsten und Sascha Wett haben ein Buch über alkoholfrei Drinks geschrieben. Im exklusiven Interview verraten sie ihre Vision und warum alkoholfreie Cocktails im Trend liegen.