Mit über 2,25 Milliarden täglich konsumierten Tassen Kaffee weltweit, generiert die internationale Kaffeeindustrie erhebliche und wachsende Werte. Allerdings gibt es eine Wissenslücke darüber, wie dieser Wert in der Lieferkette verteilt wird und wie viel davon die Kaffeebauern erreicht.
„Die Kaffeeindustrie muss sein Wirtschaftsmodell überdenken und gemeinsam handeln, um seine Zukunft zu sichern.“
Annette Pensel, Geschäftsführerin der Global Coffee Platform
Die Komplexität des Kaffeemarktes und die Preisschwankungen bergen Risiken für alle Beteiligten in der Lieferkette. Risikominderung hat dazu geführt, dass der Wert zunehmend von den Produzenten weg hin zu den Kaffeehändlern und -marken konzentriert wird. Steigende Arbeits- und Betriebskosten treffen die verwundbarsten Kaffeebauern besonders hart. Eine benachteiligte Position der Bauern stellt ein langfristiges Risiko für den gesamten Sektor dar. Dennoch hat der Kaffeesektor insgesamt genug Gewinne – diese kommen jedoch nicht bei den Kaffeebauern an.
Global Coffee Platform (GCP), IDH und Solidaridad haben daher eine Studie in Auftrag gegeben, die erstmals einen detaillierten und faktenbasierten Einblick in die Wertschöpfungsverteilung entlang der Kaffeelieferkette gibt. Die von der unabhängigen Organisation BASIC durchgeführte Untersuchung nutzt öffentlich zugängliche Daten des deutschen Kaffeemarktes, um objektive quantitative Schätzungen der Verteilung von Wert, Kosten, Steuern und Nettogewinnmargen sowie der Einkommen der Kaffeebauern entlang der Wertschöpfungskette von Kaffee darzulegen. Diese Ergebnisse wurden durch ausführliche Befragungen und Konsultationen mit unterschiedlichen Akteuren der Branche verifiziert und sind bezeichnend für die Verteilung der Wertschöpfung in anderen Märkten.
Aktuelle Wertverteilung wirtschaftlich nicht tragbar
Die Studie mit dem Titel „The grounds for sharing. A Study of Value Distribution in the Coffee Industry“, die den deutschen Markt besonders in den Blick nimmt, zeigt eindeutig:
- Die Wertschöpfung findet weit entfernt von den Kaffeebauern statt – auf Seiten der Importeure und Einzelhändler.
- Die Familienarbeit wird unterbewertet. Bei Kleinkaffeebauern macht die Familienarbeit den größten Teil der Kosten aus, wird jedoch oft weder bezahlt noch eingerechnet. Damit erscheinen die Gewinnmargen der Kleinbauern vermeintlich höher und verschleiern das Problem.
- Es gibt keine einfachen Lösungen. Neben den wichtigen Bemühungen des Sektors, die Rentabilität der Kaffeebauern zu erhöhen, müssen neue Mechanismen zur Wertschöpfungsverteilung geschaffen und Handelsbedingungen ermöglicht werden, die der Vielfalt und Komplexität des Kaffeesektors gerecht werden.
Kaffeeunternehmen sind nicht nur selbst mit der Komplexität von Geschäftsaktivitäten in einkommensschwachen Ländern konfrontiert, sondern sie tragen mit ihren kollektiv etablierten Geschäftspraktiken auch maßgeblich zur strukturellen Armut der Kaffeebauern bei.
Annette Pensel, Geschäftsführerin der Global Coffee Platform, sagt: „Die derzeitige Verteilung der Wertschöpfung macht die Kaffeeproduktion für die meisten Kaffeebauern und den Planeten wirtschaftlich unrentabel. Dies lähmt das Bestreben der Kaffeeindustrie, nachhaltig zu werden.“
Gespräche mit der Kaffeeindustrie
Die Preise, die Kaffeebauern für ihren Kaffee erhalten, sind von den Verbraucherpreisen abgekoppelt. Es fehlt an entsprechenden Mechanismen, um die Wertschöpfung besser zu verteilen.
Die Studie soll der Ausgangspunkt für neue Beschaffungspraktiken im Kaffeesektor sein, die eine bessere Wertverteilung ermöglichen. Die drei Organisationen streben eine Zusammenarbeit mit führenden Unternehmen der Branche an, um in gemeinsamen Gesprächen nachhaltige und faire Beschaffungspraktiken zu diskutieren und sich zu diesen zu verpflichten.
„Es sind zwei wichtige Maßnahmen erforderlich: Erstens muss sich der Sektor zu Beschaffungspraktiken verpflichten, die eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung ermöglichen. Zweitens sind Partnerschaften in der Lieferkette notwendig, die es erlauben, Mechanismen für die Verteilung von Wertschöpfung, die Schaffung und den Transfer von Werten zu entwickeln und umzusetzen. Mit den richtigen Mechanismen können Unternehmen die Sorgfalts- und Meldepflichten leichter einhalten und langfristig eine nachhaltige Versorgung mit Kaffee sicherstellen.“
Tessa Meulensteen, Direktorin Agri-Commodities von IDH
Gemeinsam mit der Branche soll erörtert werden, wie solche Mechanismen aussehen könnten, um der Vielfalt der Kaffeebauern sowie den unterschiedlichen Herkünften Rechnung zu tragen.
Andrea Olivar, Strategiedirektorin von Solidaridad Lateinamerika, weist darauf hin, die Studie verdeutliche, dass das Wirtschaftsmodell kleinerer Familienbetriebe den entscheidenden Kostenfaktor Familienarbeit außer Acht lässt. Ohne eine angemessene Bewertung dieser Arbeit sei eine faire Entlohnung der Kaffeebauern nahezu unmöglich. Dazu erklärt sie: „Die langfristigen Auswirkungen der Unterbezahlung der Kleinbauern und Familienbetriebe betreffen letztlich die gesamte Branche. Es bedarf wirtschaftlicher Ansätze, um dieses Problem systematisch und nachhaltig zu lösen.“
Online Tool zur Simulation
Ein Online-Tool steht zur Verfügung, um die detaillierten Ergebnisse der Studie zu durchstöbern. Es ermöglicht den Nutzern auch, ihre eigenen Daten einzubringen und die Auswirkungen auf die Verteilung von Wert und Kosten zu simulieren.
Alrighty Fairtrade Coffee München
Wie nachhaltiger Kaffee funktionieren kann, zeigt diese Mikrorösterei in München. Nicht nur ist sie von bekannten Gesichtern unterstützt, sondern betreibt auch partizipative Landwirtschaft, möchte Besuchern Ausflüge zu den Kaffeebauern anbieten und hat allgemein Nachhaltigkeit großgeschrieben. Damit wollen sie die Kunden und die Kaffeeindustrie langfristig überzeugen. Mehr dazu hier.
Quelle: Solidaridad