Wie sieht die Kita- und Schulverpflegung der (nahen) Zukunft aus? Welche Rolle spielt dabei eine rein pflanzliche Ernährung? Die Einschätzung von Anke Köllmann-Gutjahr von ProVeg im Interview.
Quelle: B&L MedienGesellschaft/Midjourney

Wie essen Kinder überübermorgen?

Heute Spaghetti Bolognese, morgen Vollkornreis mit Linsenbratling und Gemüse-Sugo – was kommt in Kitas und Schulen künftig auf die Teller? Wie ist die Einschätzung zu rein pflanzlichem Mittagessen

Kita- und Schulverpflegung künftig rein pflanzlich?

Anke Köllmann-Gutjahr, Head of Institutional Engagement bei ProVeg, hat im Interview Fragen rund um die Zukunft der Kita- und Schulverpflegung beantwortet und dabei auch den Stellenwert von einer rein pflanzlichen bzw. einer pflanzenbetonten Ernährung beleuchtet. Ihre Antworten lesen Sie im Folgenden:

Frau Köllmann-Gutjahr, ist die Zukunft der Kita- und Schulverpflegung rein pflanzlich? 

Die Verpflegung in Kitas und Schulen sollte wissenschaftlich fundiert sein und sich an den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) orientieren. Die DGE empfiehlt eine pflanzenbetonte Verpflegung, bei der mindestens drei Viertel aus pflanzlichen Nahrungsmitteln wie Gemüse und Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten, Nüssen und pflanzlichen Ölen bestehen. Das Angebot kann mit pflanzlichen Alternativen wie Tofu und angereicherten Pflanzendrinks ergänzt werden, Mischkost- oder vegetarische Angebote können zusätzlich geringe Mengen an tierischen Nahrungsmitteln enthalten. Das Wochenangebot sollte laut den Qualitätsstandards generell nicht mehr als ein Fleischgericht umfassen.

In der Praxis besteht die Kita- und Schulverpflegung meist aber noch aus zu wenig Gemüse und einem Überangebot an Fleisch. Das hat bereits 2015 eine Erhebung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ermittelt.2

Bemerkenswert – und bedenklich – ist, dass sich bis heute keine entscheidenden Änderungen nachweisen lassen, wie kürzlich eine Analyse von Wochen-Speiseplänen durch die Vernetzungsstelle Kitaverpflegung Niedersachsen gezeigt hat.3

Essverhalten und Geschmacksvorlieben werden früh geprägt und können unsere Gesundheit und unsere Lebensqualität ein Leben lang beeinflussen. Laut Robert Koch-Institut (RKI) essen Kinder und Jugendliche generell zu wenig Obst, Gemüse und Vollkorngetreide, aber zu viel Fleisch, Wurst und Süßigkeiten. Laut einer Studie der Krankenkasse AOK fehlt auch vielen Eltern das Wissen über eine gesunde, klima- und umweltfreundliche Ernährung.4,5

Deshalb sorgen Kitas und Schulen mit einer pflanzenbetonten Verpflegung – und idealerweise Ernährungsbildung – für einen wertvollen Ausgleich und leisten einen entscheidenden Beitrag zu einer gesunden Kindheit und einem gesunden Leben. 

Wie ist Ihre Erfahrung: Warum scheitert eine pflanzenbetonte Ernährung häufig (noch) in Kitas und Schulen? 

Verbindliche Standards sind für den Erfolg pflanzenbetonter Verpflegung entscheidend. Denn sie geben Anreize für Veränderungen und ermöglichen fördernde Maßnahmen wie Trainings für Küchenteams. Die DGE-Qualitätsstandards für Schulen sind mittlerweile fast 20 Jahre alt, aber nur in Berlin, Bremen, Hamburg, dem Saarland und Thüringen verbindlich. Einzig in Thüringen und im Saarland gelten sie auch für Kindertagesstätten.

Die strukturellen Hürden betreffen aber auch die Kochausbildung: Viele angehende Köche lernen weiterhin vor allem das klassische Drei-Komponenten-Gericht. Viele von ihnen lernen aber nicht, wie sie geschmackvolle pflanzliche Gerichte zubereiten, die proteinreich sind und sättigen. Nudeln mit Tomatensauce sind eben keine vollwertige Mahlzeit; nach wenigen Stunden meldet sich der Hunger wieder.

ProVeg hält es daher für wichtig, den Geltungsbereich der DGE-Qualitätsstandards auf den Bund auszuweiten und die Ausbilder für den Kochberuf bei der Vermittlung zeitgemäßer Lehrinhalte aktiv zu unterstützen.

Welches sind häufige Vorurteile, mit denen Sie konfrontiert werden, wenn es um eine pflanzlichere Ernährung für Kinder in Kitas und Schulen geht?

Einige Eltern machen sich Sorgen um die Nährstoffversorgung ihrer Kinder. Zum Beispiel Protein: Nur wenige wissen, dass pflanzliche Nahrungsmittel alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge liefern, wenn unterschiedliche Proteinquellen über den Tag hinweg kombiniert werden.7 Auch beim Thema Eisen gibt es oft Missverständnisse. Viele Menschen glauben, dass Eisen nur in Fleisch vorkommt. Tatsächlich enthalten auch viele pflanzliche Lebensmittel Eisen, zum Beispiel Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Nüsse und Samen. Damit der Körper pflanzliches Eisen gut aufnehmen kann, helfen bestimmte Zubereitungsmethoden wie Einweichen, Fermentieren oder Backen. Besonders effektiv ist die Kombination mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln wie Paprika, Zitrusfrüchten oder frischem Obst, da Vitamin C die Eisenaufnahme deutlich verbessert.

Tatsächlich lassen sich Vorurteile gegenüber pflanzenbetonter Schul- und Kitaverpflegung am besten mit konkreten Erfahrungen entkräften. „Macht nicht satt, ist zu teuer, schmeckt nicht“ – diesen Vorurteilen begegnet ProVeg in praktischen Schulungen.

Der ProVeg-Ernährungsteller hilft, einfach und verständlich eine nährstoffreiche Sattmacher-Mahlzeit zusammenzustellen. Mit vollwertigen Zutaten wie Getreide, Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst ist das gar nicht teuer, wie es beispielsweise Dänemark im Bereich öffentliche Beschaffung eindrücklich zeigt. Und mit den richtigen Rezepten lässt sich auch der Geschmack von Kindern und Jugendlichen treffen.

Gegen Vorurteile helfen also Wissen und – noch wichtiger – Erfahrung.

 „Viele Köche lernen nicht, wie sie geschmackvolle pflanzliche Gerichte zubereiten, die proteinreich sind und sättigen.“ 

Anke Köllmann-Gutjahr,
Head of Institutional Engagement, ProVeg 

Anke Köllmann-Gutjahr, Head of Institutional
Engagement,
ProVeg
(Quelle: ProVeg)

Wie wichtig ist das Thema Aufklärung bei Küchenverantwortlichen, Pädagogen, Kindern und Eltern für die Akzeptanz einer pflanzenbetonten/pflanzlichen Mittagsverpflegung?

Kinder gesund aufwachsen zu lassen, ist eine gesellschaftliche Aufgabe, zu deren Erfüllung alle Beteiligten ihren Teil beitragen. Das kann nur, wer sich auskennt und danach handelt. Für Küchenteams sind praktische Weiterbildungen mit attraktiven pflanzlichen Rezepten das A und O. Ausgabekräfte, Pädagogen und Erzieher sind wiederum Vorbilder: Kinder orientieren sich daran, wie sie sich über die pflanzenbetonte Verpflegung äußern, negativ wie positiv.

Da gesunde klima- und umweltfreundliche Ernährung in vielen Familien noch nicht gelebt wird, schafft die Mittagsverpflegung fünf Gelegenheiten in der Woche, Kindern und Jugendlichen anzubieten, was daheim selten auf den Tisch kommt, zum Beispiel Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen, Linsen und Kichererbsen. Mit der Zeit können leckere Geschmackserlebnisse den Kindern und Jugendlichen dann nachhaltig Lust auf mehr Pflanzliches machen.

Welchen Tipp haben Sie für Verantwortliche in Kita-/Schulküchen, wie sich pflanzliche Ernährung künftig einfach umsetzen lässt?

Am besten lassen sich Menschen jeden Alters mit gutem Geschmack von pflanzlichen Gerichten überzeugen. Für Kinder eignet sich zum Beispiel eine Linsenbolognese oder eine Lasagne mit Sojahack gut. Ergänzend lässt sich mit einer passenden Präsentation und Nudging viel erreichen. Nudging sind subtile, aber wirksame Maßnahmen, um das Essverhalten der Gäste ganz ohne Zwang oder Verbote in eine Richtung zu lenken. Steht das pflanzliche Gericht etwa an erster Stelle in der Auswahl, ist preislich attraktiver oder in der Bestellsoftware als Standardoption ausgewiesen, dann kann das bereits viel bewirken.

Wer direkt einsteigen möchte, findet weitere Tipps und Tricks in den kostenlosen ProVeg-Broschüren Leckeres Essen für alle – Nachhaltige Verpflegung in Schulen und Kitas und Pflanzlich, lecker, leicht gemacht – Rezeptideen für die Schulverpflegung. Die Broschüren sind digital wie auch als Druckexemplare erhältlich und konsequent praxisorientiert. Stöbern lohntsich also!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Quellen:
1 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2023): DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Schulen, 5. Auflage, 2. korrigierter und aktualisierter Nachdruck. Online unter: https://www.schuleplusessen.de/fileadmin/user_upload/medien/DGE-QST/DGE_Qualitaetsstandard_Schule.pdf
2 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2015): Qualität der Schulverpflegung – Bundesweite Erhebung, veröffentlicht im Mai 2015. Online unter: https://www.gemeinsamgutessen.de/fileadmin/nqz/publikationsdateien/20150625INFORM_StudieQualitaetSchulverpflegung.pdf
3 Bundeszentrum Kita- und Schulverpflegung (2025): Zu selten Gemüse und ein Überangebot an Fleisch, veröffentlicht am 12.04.2025. Online unter: https://www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de/presse/zu-selten-gemuese-ein-ueberangebot-fleisch
4 Robert Koch-Institut (2021): EsKiMo II – Die Ernährungsstudie als KiGGS-Modul, überarbeitete Fassung. Online unter: https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/6887.2/EsKiMoII_Projektbericht.pdf
5 An der Heiden, I., J. Bernhard & R. Ochmann (2022): AOK-Familienstudie 2022 – Eine Befragung von Eltern mit Kindern im Alter von 4 bis 14 Jahren, IGES Institut, Berlin, veröffentlicht im Februar 2023. Online unter: https://www.aok.de/pk/familienstudie/familienstudie-2022
6 Bundeszentrum Kita- und Schulverpflegung: FAQ – Antworten zu den häufigsten Fragen, Zugriff: 15.05.2025. Online unter: https://www.gemeinsamgutessen.de/service/faq
7 Mangels, R., V. Messina & M. Messina (2011): The Dietitian’s Guide to Vegetarian Diets, 3. Ausgabe, S. 71.
8 Holmbeck, P. (2020): Best practice in Organic Public Procurement: The case of Denmark. Online unter: https://paulholmbeck.com/wp-content/uploads/2021/06/IFOAMOE_Best-Practice-in-Organic-Public-Procurement_The-case-of-Denmark.pdf

Quelle: B&L MedienGesellschaft

Bild von Sarah Hercht

Sarah Hercht

Sarah Hercht ist als Chefredakteurin des Fachmagazins Schulverpflegung, stv. Chefredakteurin des Fachmagazins GVMANAGER und als verantwortliche Redakteurin für die Online-Auftritte unter dem Dach von blgastro.de verantwortlich. Der Schritt in die nun mehr als zehnjährige journalistische Tätigkeit wurde durch ein Studium der Oecotrophologie (B.Sc.) geebnet, in dem sie sich in ihrer Abschlussarbeit bereits mit den verschiedenen Produktionssystemen im Bereich der Schulverpflegung widmete – und Wissen aus dieser Zeit, auch heute noch in die redaktionelle Tätigkeit einfließen lässt. Ihr Ziel: relevante Informationen für die Praktiker der Branche praxisgerecht und leicht verständlich zu Verfügung zu stellen, damit diese direkt in die Umsetzung gehen können – um Herausforderungen des Alltags zu Chancen der Zukunft zu machen.

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