Ein Wasserschaden in der Zentralküche der Kliniken Essen-Mitte war im Frühjahr 2025 eine besondere Herausforderung für Peter Beer. Doch auch Positives hielt das Jahr 2025 für den Leiter Verpflegungsmanagement von KEM’s Kulinarik bereits bereit. Mehr dazu hat er im Interview verraten.
Herr Beer, erst in diesem Jahr hatten Sie in Ihrer Küche eine Krise zu meistern – wenn Sie zurückblicken, wie gut hat Ihr Krisenmanagement funktioniert?
Der erhebliche Wasserschaden hat unseren Betriebsablauf nachhaltig gestört. Besonders hart traf es unsere Kühlanlagen, die infolge der Trockenarbeiten nur noch mit deutlich erhöhten Temperaturen arbeiten konnten. Rund 1.300 m2 Estrich waren vollständig durchnässt, wobei sich das Ausmaß des Schadens erst zeigte, als am Haupteingang Wasser aus der Wand sickerte. Mit 240 Bohrlöchern und 80 Trocknungsgeräten, die rund um die Uhr im Einsatz waren, erreichten wir nach vier Wochen den erforderlichen Trocknungsgrad.
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie den Wasserschaden und dessen Ausmaß festgestellt haben?
In der Anfangsphase ließ sich das Ausmaß des Schadens kaum abschätzen. Erst mit Einbindung eines Sachverständigen wurde schnell deutlich, welche Herausforderungen eine vollständige Regulierung mit sich bringen würde. In dieser unsicheren Phase wussten wir lange nicht, ob der Betrieb aufrechterhalten werden kann, denn zunächst musste ein Baubiologe prüfen, ob die zulässigen Schimmel-Grenzwerte überschritten werden. Wäre dies der Fall gewesen, hätten wir die Küche schließen müssen.
Als sich herausstellte, dass keine Gefährdung bestand, trafen wir uns mit einem Expertengremium aus 15 Fachleuten, um die erforderlichen Maßnahmen zu definieren. Auf Grundlage dieser Ergebnisse entwickelte ich ein Verpflegungskonzept, das die baulichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten berücksichtigt.
Wie hat es trotz Wasserschaden geklappt, die Patientenverpflegung zu gewährleisten?
Aufgrund der massiven Einschränkungen in Produktion und Lagerkapazität sahen wir uns gezwungen, unser Speisenangebot stark zu reduzieren. Provisorische Kühlmöglichkeiten konnten die ausgefallenen Kühlanlagen nicht annähernd ersetzen, sodass es zu einem nahezu vollständigen Produktionsstillstand kam.
Parallel dazu stellten wir sicher, dass die Verpflegung den Vorgaben unseres Ernährungskatalogs und den individuellen therapeutischen Anforderungen entsprach. In enger Abstimmung mit den zuständigen Behörden entwickelten wir ein Hygienekonzept, das insbesondere auf die Bedürfnisse immungeschwächter Patienten Rücksicht nimmt.
Die Wahlleistungsangebote beim Frühstück und Abendbuffet entfielen vollständig, da die Produktionsstätte nur behelfsmäßig eingerichtet war. Um die medizinisch notwendige Versorgung dennoch aufrechtzuerhalten, haben wir High-Convenience-Produkte zugekauft. Diese haben wir in allen Bereichen der Verpflegung eingesetzt. Für die Patienten konnten wir auf TK-Menüschalen zurückgreifen.
Die Kompensation der Mitarbeiterverpflegung stellte eine besondere Herausforderung dar. Jedoch konnten wir an dieser Stelle die Frischkost eines unserer Lieferanten nutzten, um die Mitarbeiter für diesen Zeitraum zu verpflegen. Ergänzend dazu gab es ein Angebot unseres Obst- und Gemüselieferanten, das für die nötige Frische sorgte.
Einen Bereich unserer Verpflegung konnten wir nicht auf Fertigprodukte umstellen: der Bereich der Naturheilkunde mit der mediterranen Vollwertkost. Diese Art der Versorgung ist Teil der Therapie und musste von uns weiterhin produziert werden. Da die mediterrane Vollwertkost einzigartig ist, haben wir auch keinen Ersatz schaffen können. Also alles in allem eine sehr herausfordernde Zeit, in der wir schätzen gelernt haben, wie wichtig die Versorgung aus eigener Hand ist.
Gibt es etwas, dass Sie für dieses Ausfallkonzept nachjustiert haben? Wie viel haben Sie generell – seit Corona – an Ihrem Krisenmanagement geändert?
Wir konnten uns glücklich schätzen, dass unser Ausfallkonzept in der Praxis unverändert funktionierte und sofort greifbare Ergebnisse lieferte. Unsere Lieferanten bildeten dabei das Herzstück: Bereits in einem frühen Stadium bezogen wir sie ein, um die künftige Abdeckung des Speisenangebots zuverlässig zu garantieren.
Da für die Zwischenlagerung unserer tablettierten Speisen keine konventionellen Kühlkapazitäten zur Verfügung standen, passten wir parallel die gesamte Speisenlogistik an. Moderne Technik ermöglichte es schließlich, die Gerichte in den einzelnen Betriebsteilen gekühlt vorzuhalten.
Die Corona-Pandemie hinterließ tiefe Spuren in der Patienten- und Mitarbeiterversorgung. Kontaktbeschränkungen und massiv gestörte Lieferketten zogen unmittelbare Auswirkungen auf unsere Betriebsabläufe nach sich. Während dieser Zeit haben wir die Zwischenmahlzeit mehr in den Mittelpunkt gerückt. Wir haben Aktionen wie das „Ruhrpott Baguette“ oder „Twenty One Salat“ ins Leben gerufen. Wir haben aktiv die Mitarbeiter eingebunden und nach ihren Wünschen befragt. Heraus kam zu unserem Erstaunen, das wir auch vegane Alternativen bei den Baguettes anbieten sollten. Hierzu haben wir auch Rezepturen erhalten.
Um die Versorgungssicherheit erneut zu stärken, führten wir eine Zwei-Lieferanten-Strategie ein. Kurz darauf zwang uns der Ukraine-Krieg, unsere strategische Verpflegungsplanung erneut zu überdenken. Seit 2023 haben wir daher unser Speisenkonzept komplett überarbeitet und auf einen klar definierten Lebensmittelkorb umgestellt.
„Wir konnten uns glücklich schätzen, dass unser Ausfallkonzept in der Praxis unverändert funktionierte und sofort greifbare Ergebnisse lieferte. Unsere Lieferanten bildeten dabei das Herzstück.“
Peter Beer, Leitung Verpflegungsmanagement, Zentralküche von KEM’s Kulinarik
Auf welche positiven Entwicklungen können Sie und Ihr Team in diesem Jahr zurückblicken?
Als wir uns entschieden, eine vegane Menülinie für unsere Mitarbeiter einzuführen, waren wir zunächst unsicher, ob dieses Angebot auf Akzeptanz stoßen würde. Zum Start der Umstellung auf eine neue Mitarbeiterverpflegung begannen wir daher mit drei Menülinien. Zwei davon waren stark fleisch- bzw. fischlastig, aus Sorge, die vegane Variante könnte wenig Zuspruch finden.
Doch es kam ganz anders: Die Nachfrage nach den pflanzlichen Gerichten wuchs stetig. Heute liegt der Anteil vegetarischer und veganer Speisen bei der Mitarbeiterversorgung bereits bei beeindruckenden 40 Prozent.
Aktuell setzen wir den nächsten Meilenstein in der Patientenversorgung um: die Einführung eines Self-Ordering-Systems. Damit können Patienten über ihr Mobiltelefon oder iPad ihre Mahlzeiten entsprechend ihrer Kostform selbst auswählen. Wir sind überzeugt, dass wir so nicht nur die Eigenständigkeit der Patienten fördern, sondern auch das Pflegepersonal deutlich entlasten. Zum Einstieg wird das System zunächst auf zwei Stationen getestet, um wertvolle Erfahrungswerte zu sammeln.
Was war ausschlaggebend für die große Nachfrage bei den veganen Gerichten?
Entscheidend für diesen Erfolg war, dass wir unserem Motto der Eigenfertigung treu geblieben sind. Der hohe Anteil selbst hergestellter Gerichte war eine bewusste Entscheidung: Industriell gefertigte Produkte überzeugten uns weder geschmacklich noch qualitativ. Nicht selten war die Zutatenliste kürzer als die Liste der chemischen Zusatzstoffe, die für die Herstellung benötigt wurden – ein Kompromiss, den wir nicht eingehen wollten.
Stattdessen entwickelten wir Rezepte, die auf natürlichen Lebensmitteln basieren. Wir setzen auf reichlich Gemüse, Sojaprodukte, Tempeh, Seitan und selbstverständlich Tofu. Die Entwicklung veganer Gerichte ist dabei weniger aufwändig, als viele denken: Oft nehmen wir klassische Fleisch- oder Fischgerichte als Vorlage und interpretieren sie mit pflanzlichen Zutaten neu. So lässt sich zum Beispiel eine vegane Bratensauce kaum von der traditionellen Variante unterscheiden.
Die Konsequenz die sich mit der Akzeptanz der veganen/vegetarischen Gerichte ergab, war, dass wir nur noch zwei Gerichte anbieten. Ergänzend mit den Erfahrungen aus der Corona-Zeit wurden die Baguettes und die Salate als fester Bestandteil des Speisenprogramms aufgenommen. Abgerundet wird das tägliche Angebot mit einem Salatbuffet.
Sie bieten auch Currywurst in der Patientenverpflegung an – ist diese wie häufig in der Betriebsgastronomie der Renner?
Unsere Currywurst „Ruhrpott Style“ ist längst mehr als nur ein Gericht – sie ist ein Stück kulinarische Heimat und eine willkommene Abwechslung in der Verpflegung unserer Wahlleistungspatienten. Rund 13 Prozent aller Privatpatienten entscheiden sich für diese Spezialität – nur die traditionelle Rinderroulade erfreut sich noch größerer Beliebtheit.
Für unsere Mitarbeiter ist die Currywurst sogar eine feste Größe. Jeden Tag steht ein eigener Topf bereit, aus dem man sich nach Herzenslust bedienen kann. Dazu reichen wir ofenfrisches Baguette oder ein knuspriges Mini-Brötchen – ein kleiner Luxus im Arbeitsalltag.
Getoppt wird dieses Highlight nur von einer „wahren Legende“ unserer Küche: dem traditionellen Porree-Schlemmertopf. Seit Generationen unverändert, vereint er saftiges Rinderhackfleisch, Porree und aromatischen Fetakäse in einer cremigen Rahmsauce. Dazu gibt es unsere hausgemachten Nudeln, die das Gericht perfekt abrunden. Wenn dieses Traditionsgericht einmal nicht auf dem Speiseplan steht, merkt man sofort: Die Vorfreude wächst – und die Nachfrage gleich mit.
Was treibt Sie in Ihrem Beruf immer wieder an?
Für mich bedeutet meine Tätigkeit mehr, als nur festgelegte Aufgaben zu erfüllen – sie bietet die Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag zu leisten. Ist der Sinn und Zweck einer Aufgabe klar definiert und reicht ihr Nutzen über die eigene Person hinaus, entsteht für mich ein echter Mehrwert. Anerkennung in Form von konstruktivem Feedback und Wertschätzung stärkt meine Motivation und unterstreicht meinen Beitrag im täglichen Miteinander.
Ich empfinde meine Arbeit als besonders positiv, wenn sie mir Raum für fachliche und persönliche Weiterentwicklung lässt. Das Vertrauen von Vorgesetzten und Kollegen, das mir die Umsetzung eigener Ideen ermöglicht und die Übernahme von Verantwortung überträgt, betrachte ich als hohes Gut.
Ein kollegiales Umfeld, das von Zusammenarbeit, Respekt und einem konstruktiven Miteinander geprägt ist, unterstützt diese Haltung ebenso wie sichtbare Arbeitsergebnisse.
Wie blicken Sie der Zukunft Ihres Betriebes entgegen?
Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft unseres Betriebes. Der Grund dafür liegt in den frühzeitigen und konsequenten Entscheidungen, die wir getroffen haben, um unsere Verpflegung in Eigenregie fortzuführen. Mit dem Bau und Betrieb einer modernen Zentralküche haben wir uns die Möglichkeit gesichert, die Qualitätsstandards der Evangelischen Kliniken maßgeblich zu prägen und uns klar von Mitbewerbern abzuheben. Dies sind entscheidende Faktoren, die unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern.
Auch personell übergeben wir den Staffelstab an die jüngere Generation. Wir bereiten schon heute jüngere Mitarbeiter auf ihre künftige Führungsrolle im Betrieb vor.
Und wie denken Sie über die Zukunft der Branche generell?
Wer versäumt hat, notwendige Modernisierungen anzustoßen und die eigenen Strukturen zukunftsfähig aufzustellen, wird es zunehmend schwer haben, sich im Markt zu behaupten. Die Folgen sind bereits sichtbar: Im Zuge der Krankenhausreform müssen ganze Stationen schließen, und der Kostendruck steigt spürbar. Gerade im Care-Bereich wird die Verpflegung in den kommenden Jahren stärker in den Fokus rücken. Patienten, Bewohner und Angehörige legen zunehmend Wert auf frische, nährstoffreiche und individuell abgestimmte Mahlzeiten – nicht nur aus gesundheitlichen, sondern auch aus ethischen und ökologischen Gründen. Themen wie nachhaltige Beschaffung, Regionalität, Reduktion von Lebensmittelverschwendung und die Integration spezieller Kostformen (vegetarisch, vegan, allergenbewusst, diätetisch) werden dabei immer wichtiger.
Wie steht es um Ihre Work-Life-Balance? Wie schalten Sie nach der Arbeit ab?
Ich verbringe sehr viel Zeit in den Niederlanden, dort haben wir uns ein kleines, aber feines Domizil eingerichtet. Ich liebe es, dort am Strand spazieren zu gehen oder mit dem Fahrrad einige Touren zu unternehmen. Gerne koche ich auch in der Freizeit am liebsten mit frischen Produkten. Um einen klaren Kopf zu bekommen, gehe ich gerne in den Garten, um dort einige Arbeiten zu verrichten oder fahre mit dem Fahrrad einige Runden übers Land.
Wie würden Sie sich mit drei Worten beschreiben?
Mir fällt es schwer mich zu beschreiben, deshalb habe ich meine Mitarbeiter gefragt: offen, empathisch und kompetent.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Steckbrief: Peter Beer
- Alter: 55 Jahre
- Position: Leitung Verpflegungsmanagement, KEM‘s Kulinarik (seit 1.1.2018)
- Werdegang:
- Ausbildung zum Koch,
- u. a. tätig als selbstständiger Gastronom, Betriebsleiter von SST Service GmbH, CEBONA GmbH und ahr Carefood, Küchenleiter, dann stv. Betriebsleiter bei St. Augustinus Service GmbH, Interims-Küchenleiter der ProKlin Service GmbH Köln, Betriebsleiter der Firma Eurest Service GmbH, Einrichtungsleiter der Küche Fliedner Stiftung
- zudem: Ausbildereignungsprüfung, Ausbildung zum Küchenmeister, berufsbegleitendes Studium zum Betriebswirt VWA (Marketing & Vertrieb), berufsbegleitendes Studium zum Bachelor of Arts
- Anzahl gastronomischer Einheiten: 3 Krankenhäuser und 3 Cafeterien
- Produktionssystem: Cook & Chill (Produktion an 5 Tage pro Woche)
- Essenzahl: 3.400 Mahlzeiten am Tag, davon je 1.000 Frühstücke und Abendessen, 1.400 Mittagessen
- Mitarbeiterzahl: 94 Mitarbeiter, davon 15 Fachkräfte
Speisenangebot der Zentralküche von KEM’s Kulinarik
Täglich stellen Peter Beer uns sein Team den Patienten ein vielfältiges Menü bereit:
- 4 verschiedene Vorspeisen
- 6 klare und Cremesuppen
- 32 Hauptgerichte mit Wahlmöglichkeiten (22 regulär, 10 Wahlleistung)
- 16 Desserts (8 regulär, 8 Wahlleistung)
- 2 wechselnde mediterrane Hauptgerichte
- 2 saisonale Gerichte für reguläre und Wahlleistungspatienten
- 4 Salatvariationen für Wahlleistungspatienten
- Täglich wechselnde Beilagen zum Abendessen für alle Patientengruppen
Das Küchenteam nutzt Vakuumtechnik, um sämtliche Speisen bis zu sieben Tage ohne Qualitätsverlust zu lagern. Aufgrund dieses Konzeptes ist es in der Lage, Lebensmittel sehr regional einzukaufen. Nahezu alle Fleisch- und Gemüsewaren werden von den Lieferanten in Mehrwegbehältern täglich frisch geliefert und bedarfsgerecht zubereitet. „Wir versuchen bewusst auf einen Großteil an Verpackungsmaterialien zu verzichten, jedoch können wir nicht alles aus hygienischen Gründen vermeiden“, erklärt Peter Beer. Hinzu komme, dass die Küche 20 Prozent des eigenen Stroms aus einer Photovoltaikanlage nutzt. Dabei reiche die Menge an Strom, die die Küche produziert, um acht Einfamilienhäuser ganzjährig zu versorgen.
Neben dem Angebot für die Patienten hat KEM’s Kulinarik auch das Angebot für die Mitarbeiter verändert: „Wir haben das Speisenangebot vom Speiseplan der Patienten entkoppelt und eigene Menülinien etabliert“, berichtet Peter Beer. Das Speisenangebot beinhaltet jetzt eine Fleisch-/Fisch-Menülinie sowie eine vegetarische/vegane Menülinie. Das Angebot richtet sich nach der Jahreszeit und wird ausschließlich aus frischen Zutaten regionaler Herkunft zubereitet.
Quelle: B&L MedienGesellschaft