Statt die Umsatzeinbußen tatenlos hinzunehmen, hat Jürgen Bergjan, Bereichsleiter Gastronomische Dienstleistungen beim Nordhorner Bistro und Cateringservice des Inklusionsunternehmens MahlZeit, den Drive-In-Schalter in Betrieb genommen und das Essen auf Rädern-Angebot um die tiefgekühlte MahlZeit-Box erweitert.
Mehr dazu hat uns der GV-Manager exklusiv berichtet:
„Wir haben in unserer Cook & Chill-Küche 15 neue tiefgekühlte Gerichte eigens für den Vertrieb unserer neuen MahlZeit-Box neu entwickelt. Neu ist nicht nur das Produktionssystem, sondern auch die Möglichkeit unterschiedliche Kundengruppen zu erreichen. Es handelt sich also nicht mehr um klassisches Essen auf Rädern.“
Jürgen Bergjan, Bereichsleiter Gastronomische Dienstleistungen beim Nordhorner Bistro und Cateringservice des Inklusionsunternehmens MahlZeit
Herr Bergjan, Sie sind aktuell sehr optimistisch – wie schwer hat die Coronakrise Ihren Verpflegungsbetrieb getroffen?
Auch für uns ist das Geschäftsjahr 2020, kaum gestartet, bereits erledigt. All unsere Geschäftsbereiche, ob Großküche, Bistro oder Catering – jeweils voller Aufträge, brachen zusammen. Ob Schulen oder Kitas, ob Behindertenwerkstätten oder Cafeterien – auch uns ereilte die bislang nie gekannte Umsatzvernichtungskeule namens Corona.
Mitarbeiter mussten in die Kurzarbeit geschickt werden, einer nach dem anderen stornierte seine Buchungen in unserem Bistro oder seine bestellten Caterings. Großveranstaltungen wie das Grafschaft Open Air wurden abgesagt. Die VIP-Versorgung unseres Handball Bundesligisten reduzierte sich von Hundert auf Null.
Wie konnten Sie zumindest einen Teil der Umsätze retten?
Bereits beim Neubau unseres Küchenkomplexes, an welchen ein öffentliches Bistro angeschlossen ist, haben wir einen klassischen Drive-In-Schalter mit verbaut. Dieser wurde gerade während der Hochphase des Lockdowns mittags sehr gut frequentiert.
Wie ist bei diesem Drive-In der konkrete Ablauf?
Das Prinzip ist einfach: Vorfahren – eines der zwei Gerichte bestellen – bezahlen – genießen. Eine Vorbestellung ist nicht nötig. Verpackt haben wir die Gerichte hygienisch und sicher versiegelt in Menüschalen von Duni.
Was hat der Drive-In umsatzmäßig gebracht?
Zwei Drittel unserer eigentlichen Umsätze, die wir in normalen Zeiten mit Bistro & Drive In erreichen.
Wir haben während der Öffnungszeiten von täglich 11 bis 15 Uhr zwischen 50 und 200 Portionen unseres beliebten Grafschafter Mittagstisches zum Mitnehmen verkauft.
Darüber hinaus hat uns auch die Weiterentwicklung unseres klassischen Grafschafter Mittagstisches, also dem Essen auf Rädern-Angebot, weitere Umsätze beschert.
Inwiefern haben Sie das Essen auf Rädern-Angebot zur MahlZeit-Box weiterentwickelt?
Wir haben in unserer Cook & Chill-Küche 15 neue tiefgekühlte Gerichte eigens für den Vertrieb unserer neuen MahlZeit-Box neu entwickelt. Neu ist nicht nur das Produktionssystem, sondern auch die Möglichkeit unterschiedliche Kundengruppen zu erreichen. Es handelt sich also nicht mehr um klassisches Essen auf Rädern.
Da wir derzeit nicht ausliefern, sondern die Gerichte bei uns abgeholt werden müssen, sind wir zudem in der Lage attraktive Abgabepreise anbieten zu können (weitere Infos: www.mahlzeit-nordhorn.de).
Folglich produzieren wir unsere Grafschafter Mittagstisch-Angebote derzeit nicht mehr nur frisch für die Bistros und das Drive-In, sondern alternativ als gefrorene Menüschale. Zugegeben, diese Idee entstand bereits vor der Corona-Zeit. Insofern hatten wir auch eine gehörige Portion Glück unsere sogenannte neue MahlZeit-Box an den Kunden zu bringen.
Wie werden sich der Stellenwert und die Klientel derartiger Angebote Ihrer Meinung nach noch verändern?
Das klassische Essen auf Rädern befindet sich bereits im Wandel. Kleinere Anbieter stellen das Angebot ein, größere drängen mit Tiefkühlkost auf den Markt.
Wer den Wandel mitmacht, wie wir mit unserer MahlZeit-Box, kann aber größeres Gästepotanzial erschließen – über den klassischen Essen auf Rädern-Kunden hinaus: von Berufstätigen und Studenten, über Schichtarbeiter bis hin zu Alleinerziehenden. Es gibt viele Gründe, warum Kunden in der heutigen Zeit nicht selbst kochen.
Hinzu kommt, dass sich ein höheres Qualitätsbewusstsein in Bezug auf Speisen entwickelt und der Wunsch nach regionalen Bezugsquellen wachsen wird.
Viele GV-Manager und auch Gastronomen fragen sich gerade, wie sie mit den reduzierten Sitzplatzkapazitäten und auch der reduzierten Nachfrage ihren Betrieb noch wirtschaftlich halten können. Wie gehen Sie mit diesem Damoklesschwert um?
Die Tatsache, unsere bereits vorhandene Küchentechnik auch für neue Angebote heranzuziehen, war für mich der Beweis dafür, dass gute Fachlichkeit, gepaart mit Mut, und der Erkenntnis in der Krise neue Wege gehen zu müssen, notwendig wurde.
Bei uns haben das Ausnutzen neuer Chancen sowie die Freude an der Arbeit, aber auch eine gewisse Risikobereitschaft zumindest dazu beigetragen, dass wir uns bestmöglich mit der Situation auseinandergesetzt haben.
Unser Chamäleon-Dasein, oder anders gesagt unsere flexible Haltung mit einem klaren Blick für Neues, hat uns so in dieser Zeit zumindest einen Teil der Umsätze erhalten.
„Individuelle Analysen des eigenen Betriebes sind in diesen Zeiten in jeglicher Hinsicht unumgänglich. Blinder Aktionismus und überhastete Entscheidungen in Bezug auf das Angebot helfen nicht weiter. Was für den einen gut ist, das kann dem Kollegen unterm Strich noch mehr Einbußen einbringen. Es kann daher für manchen Betrieb sinnvoller sein, komplett runter zu fahren als irgendwelche Aktionen aus dem Hut zu ziehen, die unterm Strich Geld kosten.“
Jürgen Bergjan
Mir ist bewusst, dass es die eine Lösung nicht gibt – genau deshalb ist es so wichtig, in diesen Zeiten Managementaufgaben wahrzunehmen.
Sie wollen Ihren Branchenkollegen mit Ihrem Beispiel dennoch Mut machen, welchen Rat geben Sie diesen aktuell?
Ich bin fest davon überzeugt, dass auch bei den Kollegen und deren Betrieben noch unglaublich viel Potenzial verborgen ist! Denn schlussendlich sind wir die Fachleute auf unserem Gebiet, und wir sind es, die auch in der Vergangenheit mit Kreativität und Flexibilität oftmals über viele Jahre unsere Kunden bestmöglich bedient haben.
Wir selbst müssen nach Lösungen und Wegen schauen, um dieses Tal zu durchschreiten.
Die neue Normalität, von der vielfach gesprochen wird, ist längst da – packen wir’s an!
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Quelle: B&L MedienGesellschaft