Carola Schneider ist Expertin für Fachkräftenachwuchs und Azubigewinnung. Sie hilft Hoteliers dabei, talentierte Azubis für die Ausbildung im Betrieb zu gewinnen.
Frau Schneider, was sind die größten Fehler, die man als Hotelier beim Anwerben von talentierten Azubis machen kann?
Da gibt es viele Fehler, die im schlimmsten Fall ins Geld gehen können. Möchte man zum Beispiel auf einer Messe junge Leute als Azubis anwerben, dann muss man auf sie eingehen. Ihnen gegenüber zu argumentieren, als seien sie Erwachsene, ist kaum überzeugend. Auch eine Power-Point-Präsentation voller Daten und Fakten über den Betrieb wirkt abschreckend – damit langweilt man Heranwachsende meistens. Auch den finanziellen Köder sollte man nicht gleich beim ersten Treffen auswerfen, das ist ein falsches Signal. Andererseits sollten Anwerber auch nicht den Fehler machen, Jugendliche wie Kinder zu behandeln. Stattdessen sollte man mit ihnen auf Augenhöhe kommunizieren.
“Man darf junge Erwachsene nicht wie Kinder behandeln, sondern sollte ihnen auf Augenhöhe begegnen.”
Carola Schneider
Wie schätzen Sie den Erfolg von Messen generell ein?
Eher gering: Die Betriebe geben große Summen für ihren Auftritt auf einer Ausbildungsmesse aus, können aber kaum Jugendliche begeistern. Wir müssen bedenken, dass die Ausbildermesse für die Heranwachsenden eine schulische Pflichtveranstaltung ist. Viele von ihnen haben noch keine konkreten Pläne für die Zukunft. Die Erwachsenen vertrauen oft darauf, dass es einem Betrieb gelingt, das Interesse der künftigen Azubis zu gewinnen. Solange die jungen Leute emotional nichts mit den Unternehmen verbinden und es an gemeinsamen Erfahrungen mangelt, ist das nicht so einfach. Besser wäre es, wenn die Unternehmen zu den Schülern in die Schulen kommen und sich erlebnisorientiert zeigen.
Wie könnte das in der Praxis aussehen?
Wir reden von 14- bis 16-Jährigen, deren Lebenswelt bisher aus Familie und Schule besteht. Unter der Arbeit in einem Hotel können sie sich nichts vorstellen. Deswegen muss man ihnen einen Eindruck vom Arbeitsalltag im Hotel verschaffen. Man könnte z. B. damit beginnen, gemeinsam Servietten zu falten. Ein Hotelier brachte einmal verschiedene Obstsorten mit in die Schule und dann wurde überlegt, was man alles aus diesen Früchten zubereiten kann. Wer danach Interesse an der Arbeit im Hotel zeigt, der sollte dort zur Probe hinkommen und etwas ausprobieren dürfen.
Also der nächste Schritt findet dann schon im Hotel statt?
Ja, ich nenne das Berufs-Entdecker-Tage. Diese Phase ist Teil eines Gesamtkonzepts: der Strategie „Customer Journey für Fachkräftenachwuchs“. Das Grundkonzept kommt aus dem Marketingbereich, bzw. aus dem Vertrieb. Es ist ein Programm, das damit beginnt, dass man Schüler erst einmal für einen Beruf begeistert. Denn nur die wirklich Interessierten kommen dann auch im Hotel vorbei und probieren sich aus. Dieser Berufs-Entdecker-Tag wird wie ein Event vorbereitet. Im Mövenpick Hotel in Berlin haben wir z. B. mehrere Stationen organisiert. An der Bar wurden mit den Jugendlichen Cocktails gemixt, im Restaurant ein Tisch gedeckt, in der Küche eine Suppe gekocht und so weiter. So gibt man den jungen Leuten Einblicke in den Arbeitsalltag. Erst danach kann man sich mit denen, die noch immer Interesse haben, über konkrete Ausbildungsbereiche unterhalten. Auf die richtige Reihenfolge kommt es an: Zuerst muss man das Interesse wecken, dann kann man über die genaue Umsetzung einer Ausbildung sprechen.
Was kommt nach dem Berufs-Entdecker-Tag?
Wichtig ist, dass das Hotel die interessierten Schüler bis zum unterschriebenen Ausbildungsvertrag begleitet. Das schließt Nachfragen per WhatsApp, wie es den Schülern gefallen hat ebenso ein wie Updates für die nächsten Termine oder Dankes-E-Mails. So gewinnt man interessierte und talentierte Azubis.
Führen Sie die Jugendlichen für Hotels durch den Prozess?
Ich biete das an. Es ist anfangs immer eine Zusammenarbeit, die ich als Interims-Azubigewinnerin führe. Als Projektleiterin bringe ich das Handwerkszeug mit: Know-how, Equipment und natürlich Ideen. In jedem Hotel sind die Abläufe ein bisschen anders, aber das Grundprinzip basiert immer auf meiner Methode „Berufstalent entdecken“. Um die Prozedur erfolgreich zu gestalten, sollte der erste Durchlauf als Pilotprojekt gemeinsam mit mir durchgeführt werden. Danach kann das Haus entscheiden, ob ich auch weiterhin die Leitung bei der Anwerbung für talentierte Azubis übernehmen soll, oder ob ich das Hotel-Team dafür schulen soll. Da kann jeder Hotelier individuell über den Ablauf entscheiden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Brennpunkt Recruiting
Mehr zum Thema Recruiting lesen Sie im Interview mit Gerhard Bruder, Geschäftsführer und Präsident des Institute of Culinary Art.
Quelle: B&L MedienGesellschaft