Ben Förtsch macht keine Kompromisse bei Maßnahmen zum Klimaschutz.
Quelle: Colourbox.de

Cut the Bullshit!

Der Gastgeber des Hotel Luise in Erlangen, Ben Förtsch, geht keine Kompromisse mehr in Sachen Klimaschutz ein. Im Interview berichtet er, was das für ihn und sein Hotel bedeutet.

Herr Förtsch, wieso ziehen Sie die Bezeichnung „Gastgeber“ der des Hoteldirektors vor?

Das hat mein Vater bereits so gehandhabt. Direktor ist für mich ein sehr alter Begriff und meine Mitarbeiter* nennen sich auch Gastgeber. Ich möchte mich nicht durch meine Berufsbezeichnung über sie heben.

Für Sie ist ein rund um nachhaltiges und achtsames Leben selbstverständlich. Wie nehmen Sie dies bei Ihren Gästen im Hotel Luise wahr?

Mal so, mal so. Früher hätte ich gesagt, 80 Prozent der Gäste interessieren sich überhaupt nicht für Nachhaltigkeit. Aber es wandelt sich. Ich denke, ein achtsames Leben ist für viele normaler, als es früher war – wenn auch nur in Teilbereichen. In allen Bereichen achtsam zu sein ist ja so komplex. Es gibt viele, die schon weiter sind, aber auch viele, die noch nicht so weit sind. Wir wollen hier im Hotel auch nicht den Zeigefinger heben oder das Wort „Verzicht“ benutzen. Eigentlich benutze ich ebenso ungern das Wort „Nachhaltigkeit“. Der Begriff beschreibt so vieles, dass zwei Personen von ganz anderen Dingen sprechen können, wenn sie ihn nutzen.

Viele Hotels werben mit Klimaneutralität oder sogar Klimapositivität. Kann man den CO2-Ausstoß überhaupt jemals wirklich kompensieren?

Wir waren das erste Hotel, das 2015 eine Positivzertifizierung erhalten hat, versuchen uns nun aber auch von den Begriffen „Klimaneutralität“ und „Klimapositivität“ zu distanzieren. Wir haben stets viel Rücksprache mit unserem Zertifizierer und den Kompensationsprojekten gehalten. Mit einer Goldstandard-Zertifizierung fährt man relativ gut, aber es ist so, dass in diesem Bereich auch viel Schindluder betrieben wird und es immer eine Form von Ablasshandel darstellt. Es sollte der allerletzte Schritt sein.

Die positiven Zahlen stehen bei uns dafür, dass wir jedes Jahr weniger Bäume pflanzen müssen. Diese sinkende Zahl der Pflanzungen kann man aber schlecht bewerben. Man merkt einfach, dass über dieses Thema zu berichten gar nicht so einfach ist, weil es eben sehr komplex ist. Wir werden klimapositiv bleiben, werden die Klimapositivität aber nicht mehr so in den Vordergrund stellen.

Ben Förtsch macht keine Kompromisse mehr in Fragen des Klimaschutzes.
Ben Förtsch (Quelle: Hotel Luise)

„Wir wollen hier im Hotel Luise auch nicht den Zeigefinger heben oder das Wort ‚Verzicht‘ benutzen. Eigentlich benutze ich ebenso ungern das Wort ‚Nachhaltigkeit‘. Der Begriff beschreibt so vieles, dass zwei Personen von ganz anderen Dingen sprechen können, wenn sie ihn nutzen.“

Ben Förtsch

Wie sollte Nachhaltigkeit beworben werden?

Je mehr man in dieses Thema einsteigt, desto komplizierter wird es und desto schwieriger ist es, klare Aussagen zu treffen. Regionale Eier können beispielsweise auch aus der Legebatterie kommen, also „regional“ für sich genommen ist noch kein Siegel. Ich habe auch immer ein Problem damit, wenn beispielsweise in den Medien über die Nachhaltigkeit von Elektroautos diskutiert wird. Dabei müsste natürlich nochmal unterschieden werden, ob jemand mit einem Smart oder dem SUV unterwegs ist. Beide weisen schlicht nicht die gleiche Nachhaltigkeit auf.

Da kann ich dann auch keine einfache Antwort geben. Ich kann allen Unternehmen nur an die Hand geben „Cut the Bullshit“. Sie sollten anfangen, ehrlich zu sein und genau kommunizieren, wo sie in puncto Nachhaltigkeit noch Probleme haben, statt sich mit Sachen zu brüsken, die eventuell gar nicht so gut funktionieren. Wenn man sich bewusst macht, was noch nicht so läuft, dann fängt man auch an nach Lösungen zu suchen. Wenn man nur über die Themen spricht, die man gut macht, dann fühlt man sich ja manchmal viel toller als man eigentlich ist. Und alles andere verschwindet von der Agenda.

Hotels bewerben ja sehr gerne ihre Nachhaltigkeit…

Kleinigkeiten werden in Hotels gerne werblich aufgebauscht. Beispielsweise dieses Belohnungssystem für Gäste, die die Zimmerreinigung ausfallen lassen. Besser wäre es, man würde es umdrehen und nur noch auf Anfrage die Reinigung anbieten. Aber das kann man natürlich nicht so gut bewerben. Unterstützt man mit dem Belohnungssystem allerdings Projekte wie Project Wings (Wings Coin) ist das natürlich super!

Wenn wir jetzt nach außen kommunizieren würden, dass wir in unserem Haus hier und da noch dies oder jenes Problem hätten, dann würden wir uns schlechter stellen, obwohl wir eigentlich schon viel mehr für den Umweltschutz machen, als andere, die nur kleine Maßnahmen durchführen. Damit habe ich offen gestanden ein Problem. Effiziente Nachhaltigkeitsbemühungen und ihr Ansehen in der öffentlichen Wahrnehmung driften oft auseinander.

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Das Hotel Luise

Seit 2014 führt Ben Förtsch das Hotel Luise in Erlangen, das seine Großeltern 1956 eröffneten. Ende der 1980er-Jahre lenkte deren Sohn Klaus Förtsch das Haus gemeinsam mit Ehefrau Gudrun Förtsch auf einen umweltfreundlichen Kurs. Ben Förtsch machte es 2015 zum ersten klimapositiven Hotel Deutschlands. Heute führt er das Erbe seiner Eltern erfolgreich fort. Über 230 Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit, die das Hotel Luise bereits umsetzt, finden auf der hauseigenen Wall of Change ihren Platz. Ben Förtsch hat es sich zum Ziel gesetzt einen komplett zirkulären Betrieb zu schaffen.

Das Neutralste wäre doch eigentlich, daheim zu bleiben…

Nicht unbedingt. Es ist schon so, dass eine Autoreise CO2 zur Folge hat, mit der Bahn ist es aber deutlich weniger – und wir sind sehr gut erreichbar. Aber es gibt noch andere Bereiche, wo ebenfalls großer Ausstoß entstehen kann. Ein Kilogramm Rindfleisch hat laut Dehoga z. B. den gleichen CO2-Wert wie eine Übernachtung in einem Vier-Sterne-Haus. Also müsste ich theoretisch nur auf ein Kilogramm Rindfleisch verzichten, um mir meine Übernachtung zu „verdienen“. Natürlich unterstützt jeder Gast, der zu uns kommt, auch unsere Projekte mit. Wir haben ja viele Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, und wir sehen unser Hotel als Multiplikator, um die Ideen des zirkulären Wirtschaftens in die Welt hinaus zu tragen.

Muss man sich Nachhaltigkeit leisten können?

Unternehmer, die sich nicht bemühen, möglichst umwelt- und sozialverträglich zu handeln, nehmen aktiv in Kauf, dass andere Menschen und die Natur darunter leiden und sogar sterben. Wenn man sagt, man kann sich das nicht leisten, dann sollte man als Erstes überlegen, ob man es sich leisten kann, sich sein eigenes Gehalt auszuzahlen und was man damit macht. Ich verzichte jederzeit auf mein Gehalt wenn nötig, weil mir das Wohl meines Unternehmens und die faire Bezahlung meiner Mitarbeiter einfach wichtiger sind. Ich kann Aussagen wie „ich kann mir Nachhaltigkeit nicht leisten“ persönlich nicht akzeptieren.

Wir selbst waren durch Corona und Hochwasserschäden zuletzt richtig gebeutelt und schaffen es trotzdem, unsere Nachhaltigkeitsmaßnahmen umzusetzen. In vielen Bereichen sparen wir dadurch am Ende zudem noch mehr Geld ein, als es uns kostet. Ich bin sicher, dass ich in jedem beliebigen Unternehmen auf Anhieb fünf bis zehn Maßnahmen finden würde, mit denen es sofort Geld einsparen würde. Die Krux ist ja, dass diejenigen, die vermögender sind, in der Regel viel mehr CO2 durch ihr Handeln erzeugen als einkommensschwächere Menschen und gerade wohlhabendere Menschen viel mehr tun müssten.

Sie haben auch alle Mitarbeiter von Service bis Reinigung fest angestellt…

Was oft vergessen wird, ist, dass Nachhaltigkeit auch Soziales miteinschließt. Auf unserer Wall of Change gibt es noch nicht so viel zur sozialen Nachhaltigkeit, weil wir noch nicht so viele Fotos davon haben und manche Dinge auch nicht gut plakativ darstellbar sind, aber grundsätzlich ist uns im Haus der soziale Aspekt sehr wichtig. Alle Mitarbeiter sind deshalb auch fest angestellt. Wir haben kein Fremdpersonal und auch Minijobber bekommen einen festen Vertrag und soweit es aus Sicht der Buchhaltung möglich ist, dieselben Vorteile wie unsere Voll- und Teilzeitkräfte.

Was macht bei Ihnen die Mitarbeiterführung im Haus aus?

Die Mitarbeiter kommen eigentlich immer vor mir. Das ist für mich selbstverständlich, sodass ich es gar nicht mehr als ungewöhnlich herausheben möchte. Die Hotelbranche ist kein Hochlohnsektor, aber wo ich kann, versuche ich meine Mitarbeiter zu unterstützen. Wir befinden uns tendenziell auch über den tariflichen Vorgaben.

Ist Umdenken für die älteren Generationen noch zu schwierig?

Ich denke, das hat nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun. Die innere Einstellung ist wichtig und es gehört auch Mut dazu, sich Veränderungen zu stellen. In der Welt ändert sich gerade so extrem viel und dass da Ängste aufkommen, das verstehe ich, aber das darf kein Vorwand sein, um stehen zu bleiben. Man muss Probleme erkennen und daran arbeiten, etwas einfach von sich zu schieben, ist nicht in Ordnung. Es gibt nichts Wichtigeres als unser Klima zu retten und fair und sozial mit unseren Mitmenschen umzugehen. 

Vielen Dank für das Gespräch!

*Genderschreibweise von der Redaktion geändert

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Quelle: B&L MedienGesellschaft

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