Ein Geburtstag ist alljährlich eine passende Gelegenheit, um ein Resümee über Vergangenes zu ziehen – aber auch, um sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Daher nahm die first class-Redaktion ihr 40-jähriges Jubiläum zum Anlass, um einen Blick in die Zukunft der Hotellerie zu werfen und bat die drei Experten Andrew Fordyce, Pierre Nierhaus und Sven Gabor Janszky, ihre Prognosen abzugeben.
In einer wöchentlichen, jeweils am Donnerstag erscheinenden Serie beantworten die Fachleute je eine Frage, die sich auf künftige Entwicklungen in der Hotelbranche bezieht.
Im dritten Teil unserer Serie beschäftigen sich unsere Experten Sven Gabor Janszky, Pierre Nierhaus und Andrew Fordyce mit der Frage, welche Trendfelder sich in der Hotellerie etablieren werden.
Herr Janszky, Herr Nierhaus, Herr Fordyce: Welche Themen werden sich in der Hotellerie besonders herausbilden und warum?
Sven Gabor Janszky: Die Mitte in den Kundensegmenten der Hotellerie wird wegbrechen. Stellen Sie sich eine Pyramide vor, die unten breit und oben spitz ist. Unten ist ein großer Bereich, den wir Economy Bereich nennen – dort ist alles recht günstig und die Qualität ist eher niedrig. Oben an der Spitze ist das Premium-Segment. Dort sind Qualität und Preis hoch. Dazwischen ist ein riesiger Bereich, den wir Standard Bereich nennen. In diesem machen die allermeisten Hotels heute ihr Geschäft. Dieser Bereich ist aber heute schon stark unter Druck – und irgendwann ist er weg. Wenn er nicht mehr existiert, sortiert sich die Kundschaft, die bisher im Standardbereich war, entweder nach oben oder nach unten.
Das bedeutet, dass die allermeisten heutigen Hotelbetreiber vor einer riesigen strategischen Fragestellung stehen. Sie müssen sich überlegen, ob sie mit ihrem Hotel in den Economy- oder in den Premium-Bereich gehen wollen. Das ist deshalb so dramatisch, weil man im Premium-Bereich ganz andere Strategien als im Economy-Bereich braucht.
Das bedeutet aber nicht, dass die 5-Sterne-Hotels der künftige Premium-Bereich sind, die 3-Sterne-Hotels nicht existieren und der Economy-Bereich nur noch aus 1-Sterne-Hotels besteht. Was wir Zukunftsforscher damit meinen, ist, dass heutige 5-Sterne-Hotels genauso im Economy-Bereich liegen – die sind nicht mehr Premium. Das hat einen Grund: Jeder, der heute nach Preis-Leistungs-Gesichtspunkten verkauft, begibt sich automatisch in ein Segment – das künftige große Economy-Segment – in dem sich die Kunden nach Preis-Leistung festlegen. Im Premium-Segment entscheiden die Kunden nicht nach Preis-Leistung, sondern danach, ob sie mit dem Produkt, also dem Hotel, ihre Identität ausdrücken können.
Das heißt, ich gehe an einen Ort, der eine Identität widerspiegelt, die ich auch gerne haben möchte. Wenn ich beispielsweise Marathonläufer bin, werde ich in ein Hotel gehen, von dem ich weiß, dass etwa der Ernährungsberater einer Sportmannschaft die Küche betreut. Wenn ich selber zu dieser Marathon-Identität gehöre, werde ich in dieses Hotel gehen – völlig egal, wie der Preis aussieht. Ich gehe dann nämlich nicht in das Hotel aufgrund des Preises, sondern um zu beweisen, dass ich zu dieser Community gehöre.
Von diesen Identitäten gibt es eine Menge, denn wir Menschen tragen sie in uns. Wir sind zum Beispiel sportlich, kulturinteressiert, intellektuell, luxusorientiert, umweltbewusst oder heimatverbunden. Die Menschen möchten das an dem Ort, zu dem sie reisen, ausdrücken. Die Quintessenz für uns Zukunftsforscher ist: wenn Hoteliers Premium werden wollen, müssen sie zu Identitätsorten werden. Hotelbetreiber müssen mit jedem Angestellten und mit jedem ihrer Angebote für eine Identität stehen.
Pierre Nierhaus: Junge Menschen haben einen Nachholbedarf an Reisen – aber bitte nachhaltig. Auch Firmen werden Hotels mit nachhaltiger Performance bevorzugen. Das Essen wird zudem gesünder sowie nachhaltiger und der vegan-vegetarische Anteil wird sich erhöhen. Lokale Kunden nutzen Lobby und Gastronomie zum Treffen, Genießen und zum Arbeiten.
Workspace in Hotels wird ein logisches Zusatzangebot, Konnektivität und Digitalisierung werden zur allgemeinen Basis. Auch deshalb muss als Gegenpol analoge Gastgeberschaft in den Fokus gestellt werden.
Andrew Fordyce: „Bums-in-Bed“ – das ist, was heute in der Hotellerie zählt. Nicht erst seit Corona sind Food & Beverage wegen steigender Kosten in den Hintergrund getreten. Ich denke, dass die Gastronomie in der Hotellerie mittelfristig stark gegen Systemgastronomie ausgelagert wird – gleich dem Konzept von 25hours Hotels, die in Köln mit „Neni“ den Gastro-Teil abdecken.
Attraktive Gastro-Konzepte, von Restaurant über Bar bis Roof Top oder Terrasse dienen dazu, den „Bum“ überhaupt erst ins Bett zu bekommen. Daraus rekrutieren sich 10 bis 20 Prozent mehr Bettenbelegung. Eine weitere Idee wäre, Streetfood von lokalen Streetfood-Größen oder zubereitet vom Sternekoch anzubieten.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Weitere Zukunftsaussichten
Wen weitere Prognosen der drei Fachkundigen zu den Aussichten der Branche interessieren, der findet die aufschlussreichen Vorhersagen im Beitrag in der Jubiläumsausgabe der first class, Ausgabe 12/2022, oder in weiteren Episoden unserer sechsteiligen Online-Serie.
Themen der Beiträge:
Teil 1: Künftige Schwerpunkte
Teil 2: Gäste-Bedürfnisse
Teil 3: Trendfelder in der Hotellerie
Teil 4: Umbrüche in der Branche
Teil 5: Zukunftsmärkte
Teil 6: Ratschläge an Hoteliers
Quelle: B&L MedienGesellschaft