Rica Friedl, Obfrau Bio Hotels
Quelle: Sylvia M. Huber

Pioniere im grünen Tourismus

Rica Friedl vom Bio Hotel Bayerischer Wirt in Augsburg und zudem Präsidentin und Geschäftsführerin der Bio Hotels erklärt, warum die grüne Kooperation wächst.

Die Kooperation Bio Hotels wurde vor 20 Jahren gegründet, als die breite Masse Ökotourismus und Bio noch belächelte. Das hat sich nun geändert. Stellt sich da ein gewisses „Wer zuletzt lacht…“-Gefühl ein?

So würde ich das nicht formulieren. Es ist schön zu sehen, dass sich immer mehr Betriebe mit dieser Thematik beschäftigen, aber das ist auch dringend notwendig. Wir begrüßen es, dass sich mehr und mehr Hotels nachhaltig orientieren, würden uns aber wünschen, dass mehr Betriebe Nachhaltigkeit auch ganzheitlich umsetzen. Hier wird leider immer noch viel Greenwashing betrieben. Als Bio Hotels setzen wir uns bereits seit mehr als 20 Jahren für Bio und Nachhaltigkeit in der Hotellerie und Gastronomie ein. Somit können wir mit Stolz sagen, dass wir die Pioniere des grünen Tourismus sind.

War es denn schwierig, in den Anfängen der Kooperation auf breiter Fläche ernst genommen zu werden?

Damals war das denkbar schwierig und man wurde beispielsweise als „Körndlfresser“ bezeichnet und belächelt. Mittlerweile hat sich das geändert und Nachhaltigkeit ist heute aus dem öffentlichen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Der große Vorteil lag bereits damals darin, sich als Gruppe zusammenzuschließen, auszutauschen und gemeinsame Interessen zu forcieren. So wurden z. B. schon bald Partnerschaften und Kooperationen mit nachhaltigen Unternehmen eingegangen und erste Großhandelspartner mit ins Boot geholt. Der Verein Bio Hotels wuchs recht schnell und immer mehr Gleichgesinnte kamen dazu, um die gemeinsame Mission voranzutreiben. Mittlerweile sind wir rund 70 Mitgliedsbetriebe in sechs europäischen Ländern.

Wann ungefähr wurde Öko dann cool?

Bio hat sich mehr und mehr raus aus der Nische und hin zur Mitte der Gesellschaft entwickelt. Was früher als Öko galt, ist heute modern. Man kann also durchaus sagen, dass wir damals bereits unserer Zeit voraus waren. Mittlerweile – nicht erst seit der Klimakrise, Bewegungen wie Fridays for Future und der Corona-Pandemie – werden Themen wie Gesundheit und ein grüner Lebensstil vielen in ihrem Alltag wichtiger. Zudem achten immer mehr Menschen auf Umweltschutz, einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen und Bio-Qualität – insbesondere, was ihre Lebensmittel anbelangt.

Welche Auflagen muss ein Hotel mindestens erfüllen, wenn es der Kooperation Bio Hotels beitreten möchte?

Für Betriebe, die Teil der Bio Hotels werden möchten, gibt es eine Kriterienliste. Nur, wer alle Muss-Kriterien erfüllt, kann Partner werden. Wir begleiten die Umstellung zum zertifizierten Bio Hotel mit Rat und Tat. Die Zeit der Umwandlung variiert natürlich von Betrieb zu Betrieb, je nachdem, wie viele Kriterien bereits erfüllt sind. Die Kriterien umfassen die Bereiche Food mit 100 Prozent biologisch-zertifizierten Speisen und Getränken sowie nachhaltige Produkte im Non-Food, die eingesetzte zertifizierte Bio-Kosmetik, die Ausstattung des Hotels, die Ressourcenschonung im Allgemeinen und auch den Bereich Mitarbeiter. Die Bio Hotels denken Nachhaltigkeit ganzheitlich und machen auch bereits seit zwölf Jahren regelmäßig eine CO₂-Bilanzierung.

Rund 70 Häuser gehören nun zu den Bio Hotels. Wie viele Anfragen haben Sie derzeit?

Wir haben monatlich mehrere Anfragen, aber die Anzahl variiert. Spannend zu beobachten war insbesondere die Zeit der Corona-Krise, da sich dort sehr viele Hoteliers mit uns in Verbindung gesetzt haben, um Informationen rund um die Mitgliedschaft einzuholen. Seit April 2020 konnten wir neun neue Mitglieder bei uns begrüßen.

Zudem strecken wir unsere Fühler aus und haben erst kürzlich, am 13. November, zum Netzwerken zur Veranstaltung „Sachsentourismus meets Bio Hotels“ ins Nationalparkzentrum Bad Schandau eingeladen. Als Partner unterstützten Landestourismusverband Sachsen, Dehoga Sachsen, IHK Dresden sowie der TVSSW das Treffen und luden Interessierte aus der Tourismusbranche zum Event.

Müssen Sie auch Häuser ablehnen?

Dadurch, dass wir sehr hohe Standards haben, die erfüllt werden müssen, kommt eine Kooperation für manche Betriebe nicht in Frage. Insbesondere unsere Konsequenz, z. B. 100 Prozent zertifizierte Bio-Qualität samt regelmäßigen Bio-Kontrollen, stellt für einige eine Herausforderung dar oder lässt sie etwas länger darüber nachdenken, diesen Schritt zu wagen. Die Anforderungen, Teil unserer Bio Hotels zu werden, sind sehr hoch und Nachhaltigkeit wird bei uns ganzheitlich im gesamten Hotelbetrieb umgesetzt – das gilt für alle Bereiche, nicht nur für die Küche.

22 der Häuser bei den Bio Hotels sind klimaneutral, 26 klimapositiv. Wie wollen es die Bio Hotels schaffen komplett klimapositiv zu werden?

Unsere Klimabilanzierung erfolgt alle zwei Jahre durch die Nachhaltigkeitsberatungsgesellschaft Fokus Zukunft auf Grundlage des Greenhouse Gas Protocols. Regelmäßig lassen unsere Häuser ihren CO2-Fußabdruck berechnen, um diesen dann stetig zu optimieren. In den Bio Hotels entstehen durchschnittlich 7,5 kg CO2e pro Übernachtung. Aktuell arbeitet der Großteil der Bio Hotels bereits klimaneutral oder klimapositiv, was bedeutet, dass entstandene CO2-Emissionen durch die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten ausgeglichen wurden.

Der Verein Bio Hotels hat auf der Generalversammlung 2020 beschlossen, dass ab 2023 alle Mitgliedsbetriebe klimapositiv sein sollen. Unsere Bio Hotels haben sich darauf geeinigt, dass das Doppelte an verursachten Tonnen CO2e kompensiert werden muss, um ein klimapositives Bio Hotel zu sein. Insgesamt haben die Bio Hotels 10.954 Tonnen CO2e durch den Kauf von Klimaschutzzertifikaten ausgeglichen. Unsere nächste CO2-Bilanzierung erfolgt im nächsten Jahr.

Generell ist uns als Hotelvereinigung vor allem das Thema Transparenz besonders wichtig. Daher wird auf jeder Hotelseite auf biohotels.info in der Rubrik Nachhaltigkeit aufgezeigt, durch welche Kontrollstelle die Bio-Kontrolle erfolgt und wie viel CO2e im Hotel gesamt und pro Übernachtung entstehen. Mehr Informationen zur Klimabilanzierung und zu den Projekten, die wir unterstützen, findet man auch auf unserer Website.

Welche Ziele wollen die Bio Hotels in naher Zukunft zusätzlich umsetzen? 

Aktuell planen wir, das wichtige Thema Employer Branding weiter zu forcieren. In unseren rund 70 Bio Hotels sind etwa 1.200 Mitarbeitende beschäftigt. Sie profitieren von ihrem sinnvollen Arbeitsplatz, arbeiten mit hochwertigen Produkten, u. a. mit ökologischen, hautfreundlichen Reinigungsmitteln, und erhalten Verpflegung in zertifizierter Bio-Qualität. Neben gefördertem Austausch werden auch Events, Weiterbildungen, Vergünstigungen sowie, wenn möglich, die Nutzung von Fitness- und Spa-Bereichen, hoteleigenen E-Autos oder E-Bikes oder Rabatte für Angehörige angeboten. Einige Bio Hotels haben auch eigene Mitarbeiterhäuser. Um die Kommunikation zu vereinfachen und unsere Hoteliers im Alltag zu entlasten, planen wir künftig ein eigenes Bio Hotels Intranet. Darüber hinaus möchten wir als nachhaltigste Hotelgruppe natürlich auch wachsen und immer mehr Kollegen mit unserer Philosophie und unserer Mission begeistern.

Reisen ist ja leider insgesamt nicht sonderlich nachhaltig. Wie müsste sich die gesamte Branche Ihrer Meinung nach umstellen, damit Tourismus auf breiter Fläche umweltfreundlich sein kann?

Generell wäre es wünschenswert, wenn wieder mehr Reisen im eigenen Land und in den Nachbarländern stattfinden würden. Insbesondere die letzen Jahre haben vielen gezeigt, wie viel Schönes man im eigenen Land entdecken kann und dass man gar nicht weit wegfahren muss, um Besonderes zu erleben. Möglichst nachhaltig ist das natürlich, wenn man sich ein zertifiziertes Bio Hotel als Unterkunft aussucht und im besten Fall auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Außerdem versuchen wir Gäste zu überzeugen, dass weniger, aber dafür längere Reisen gemacht werden sollen. Dies hat eine positive Auswirkung auf den CO2-Fußabdruck im Bereich Tourismus, der immerhin für 10 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Wichtig ist in diesem Kontext aber auch, dass sich Länder und Regionen künftig vermehrt mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen und sich in diese Richtung weiterentwickeln.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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