Bertold Kohm von der SGN im Interview รผber das Projekt Arbeitsplatzanalyse und die damit verbundenen Ziele.
Quelle: PZN/SGN

Die Basis besser hรถren

Als GV-Betriebsleiter der Servicegesellschaft Nordbaden mbH (SGN) trรคgt Bertold Kohm personelle Verantwortung fรผr ein 100-kรถpfiges Gastronomie-Team. Dieses produziert tรคglich rund 1.000 Patientenessen fรผr den Mutterkonzern, das Psychiatrische Zentrum Nordbaden (PZN), sowie 300 Mitarbeiteressen und 1.900 Essen fรผr 37 externe Kunden.

Als Mitglied eines 7-kรถpfigen Projektteams, bestehend aus der Prokuristin Petra Stang, der Wรคscherei-Leitung, zwei Vertretern des Betriebsrats, einem der Abteilung Betriebliches Gesundheitsmanagement und einem des Instituts Humane Arbeit, betreut Bertold Kohm seit Mai 2022 eine Arbeitsplatzanalyse innerhalb des Teams der SGN.

Bertold Kohm im Interview

Die Idee, die Zufriedenheit der Mitarbeiter mithilfe einer Arbeitsplatzanalyse โ€žmal schnellโ€œ zu verbessern, trรผgt: โ€žDas ist ein Prozess, der sich รผber mehrere Jahre zieht โ€“ von der Idee, bis die MaรŸnahmen erste Frรผchte tragenโ€œ, erlรคutert Bertold Kohm.

Mit seinem Team Gastronomie im Psyยญchiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch beschreitet er den Weg seit Mai 2022, wenn auch mit unvorhergesehenen Unterbrechungen. Er hatte zwischenzeitlich zwei groรŸe Baustellen im wahrsten Sinne des Wortes โ€“ ein undichter KรผchenfuรŸboden und eine Casino-Sanierung: โ€žDa musste ich einfach Prioritรคten setzen. Aber jetzt wollen wir mit den MaรŸnahmen durchstarten und hoffentlich bis Anfang 2024 erste Ergebnisse vorweisen.โ€œ

Wie kam es zu der aufwรคndigen Arbeitsplatzanalyse? Wie punktet sie gegenรผber der klassischen Mitarbeiterinteraktion und -komยญmunikation? Was sind erste Erkenntnisse? Mehr dazu haben wir im Interview mit Bertold Kohm, GV-Betriebsleiter SGN, erfahren.

Herr Kohm, wie kamen Sie auf die Idee, eine Arbeitsplatzanalyse durchzufรผhren?

Der Impuls kam von unserem Mutterkonยญzern, dem PZN, der bereits eine Analyse in mehreren Bereichen durchgefรผhrt hatte. Die Geschรคftsleitung schlug vor, dass auch die Abยญteilungen Kรผche und Wรคscherei, die ausgelaยญgert sind in die Servicegesellschaft Nordbaden (SGN), ein solches Projekt angehen sollten.

Nach Absprache mit dem Betriebsrat konnte es losgehen. Zusรคtzlich kam noch die Abteilung Betriebliche Gesundheitsmanagement mit an Bord, die den Prozess bereits bei dem PZN begleitet hatte. So mussten wir nicht bei Null starten. AuรŸerdem bekamen wir externe Unterstรผtzung von einem Institut aus Innsbruck namens Humane Arbeit.

Trotzdem war die Arbeitsplatzanalyse des PZN nicht 1:1 รผbertragbarโ€ฆ

Nein, denn in der Kรผche hat man andere Problemstellungen und Prozesse als beiยญspielsweise in der Pflege. Wobei sich auch inยญnerhalb unseres Gastro-Teams nochmals drei Gruppen herauskristallisiert haben, die wir nun separat betrachten: den Koch- und Bratยญbereich, also die tatsรคchliche Produktion, den Spรผl- und Portionierbereich und als Drittes die AuรŸenbereiche mit viel Gรคstekontakt wie Casino, Cafรฉ, SB-Shop und Komfortstation.

Hinzu kam: Der ursprรผngliche Fragebogen musste in einfache Sprache gebracht und zielgruppengerecht umformuliert werden. Wir haben immerhin 70 Prozent nicht gelernte Krรคfte, noch dazu einige mit Migrationshintergrund.

Was haben Sie beispielsweise abgefragt?

In der fรผnfseitigen anonymen Befragung ging es rund um den Arbeitsplatz und die Tรคtigkeit, das dafรผr nรถtige und vorhandene Wissen, den Grad der Selbststรคndigkeit, ob Zeitdruck besteht, wie das Team zusammenยญarbeitet und inwiefern (genug) Rรผckmeldung von den Vorgesetzten kommt. Darรผber hiยญnaus waren soziodemographische Daten anzugeben, wie das Geschlecht, Alter und die Arbeitszeit. Ein groรŸes Freitextfeld fรผr sonstige Bemerkungen schloss den Frageยญbogen ab.

Inwiefern haben Sie beim Prozedere Ihr Team miteinbezogen?

Als die Fragebรถgen vom Projektleitungsยญteam entwickelt waren, haben wir im restยญlichen Team Multiplikatoren gesucht, die den Kollegen helfen konnten, sollten sie wรคhrend des Ausfรผllens Rรผckfragen haben.

Im nรคchsten Schritt haben wir Freiwillige gesucht, die sich in den drei Arbeitsgruppen als Vertreter des jeweiligen Bereichs einยญbringen wollen, z. B. bei der Einschรคtzung, ob die von den Kollegen genannten MaรŸnahmen geeignet sind. Pro Gruppe sind das nun drei bzw. fรผnf Teammitglieder, die bunt gemischt sind, verschiedene Nationalitรคten und Qualifikationen aufweisen, von der Hilfs- bis zur Fachkraft. Fรผr die Tรคtigkeit in der Arbeitsยญgruppe werden die Mitarbeiter freigestellt.

Mit welchen Zielen sind Sie in diese Arbeitsยญplatzanalyse gegangen?

Das Ziel war, mรถglichst alle Mitarbeiter zu hรถren, vor allem diejenigen, die sich sonst lieber zurรผckhalten. Und auch Probleme in Erfahrung zu bringen, die ohne die gezielte Frageยญstellung gar nicht auf die Agenda kommen. Natรผrlich haben wir regelmรครŸige Bespreยญchungen im Fรผhrungskreis, in den einzelnen Bereichen usw. โ€“ doch das ist einfach etwas anderes.

Die Fragebรถgen haben immerhin 66 Prozent unseres 100-kรถpfigen Gastro-Teams ausgefรผllt.

Was haben die Mitarbeiter angeregt?

Da war vieles dabei, manches einfach und schnell umzusetzen, anderes langwieriger und manches auch gar nicht โ€“ auch bei uns gibt es gewisse Spielregeln.

Das Spektrum reichte von โ€žwir brauchen mehr Personal mit Fachwissenโ€œ รผber โ€žich benรถtige ein separates Bรผroโ€œ bis hin zu โ€žwir haben zu wenig Erholungszeitโ€œ.

Konnten Sie erste Anregungen aufgreifen?

Ja. Die Wรคscherei beispielsweise wรผnschte sich wรถchentlich einen Obstkorb. Im Spรผl- und Portionierbereich bieten wir seit Kurzem eine zweite Ohrstรถpsel-GrรถรŸe โ€“ bis zur Befragung wusste ich ehrlich gesagt gar nicht, dass es da mehrere gibt.

Und welche Problemstellungen lassen sich nicht so schnell lรถsen?

Beispielsweise der Wunsch nach mehr ergonomischen Gerรคte oder einfacher struktuยญrierten Arbeitsablรคufen. Auch an der Bestellung sollen und wollen wir arbeiten, da die aktuellen Lieferverzรถgerungen viel Mehraufยญwand verursachen.

Wie wird das vielfรคltige Feedback aufgearbeitet?

Im ersten Schritt wurden die ausgefรผllten Fragebรถgen von den Gruppenvertretern gesichtet und die von den Befragten vorgeschlagenen MaรŸnahmen geclustert. Dazu haben sie sich zusammen mit einem externen Coach in drei etwa drei- bis vierstรผndigen Workshops โ€“ ohne Beisein der Geschรคftsยญleitung โ€“ zusammengesetzt. Der Coach, der immer wieder zu den Arbeitsgruppen stรถรŸt, achtete auf eine konstruktive und zielfรผhrende Kooperation.

Rund 90 Vorschlรคge bekamen wir im Freitextfeld, diese hat das BGM โ€“ als unser externer Protokollant โ€“ schlieรŸlich in Excel-Tabellen รผbertragen, die als Leitfaden fรผr das weitere Prozedere dienen. Denn die Listen sind so aufbereitet, dass es auch Spalten gibt, in denen steht, wer verantwortlich ist und bis wann der nรคchste Schritt eingeleitet werden soll. Themen, die รถfter genannt wurden, werden nun von den Arbeitsยญgruppen vorrangig besprochen.

Wie konstruktiv war das Feedback? Wie gehen Sie damit um, wenn die Fรผhrung im weitesten Sinne kritisiert wird?

Ich wรผrde sagen, es wurde nicht gemeckert um des Meckerns willen. Aber: Bei einer solchen Befragung kommen natรผrlich auch Wortmeldungen, die gegen gewisses Fรผhrungsverhalten zielen. Beispielsweise schrieb einer: โ€žDie Produktionsplรคne sind oft unvollstรคndig und nicht korrekt โ€“ wer ist da รผberfordert?โ€œ Da darf man sich nie persรถnlich angegriffen fรผhlen. Unser Team wird getragen durch die vielen Mitarbeiter an der Basis โ€“ und deren Kritik mรผssen wir ernst nehmen. Wichtig ist jedoch, dass keine leeren Unterstellungen gemacht werden, sondern Tatsachen vorliegen. Und diese Fakten kรถnnen dann von den Arbeitsยญgruppen und dem Betriebsrat geprรผft werden. Das ist auch der nรคchste Schritt: alles Punkt fรผr Punkt abzuarbeiten. Und das wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich schรคtze, wir werden noch ein Jahr brauchen.

Inwiefern kann man bei dieser Arbeitsplatzanalyse auch auf individuยญelle Begabungen und Probleme eingehen?

Das kommt darauf an. Beispielsweise bekamen wir aus dem Spรผlbeยญreich den Impuls, dass die Arbeitsbelastung sehr unterschiedlich und nicht immer fair sei. Darauf sollen fortan die Vorarbeiter ein besseres Auge haben. Aber: Jeden Einzelnen kann man am Ende des Tages nicht abholen. Wir versuchen unseren Mitarbeitern entgegenzukommen, wo mรถglich, beispielsweise bei den Arbeitszeiten und Urlauben, aber der Dienstplan ist auch kein Wunschkonzert.

Liegt in der Arbeitsplatzanalyse auch ein Schlรผssel fรผr eine bessere Mitarbeitermotivation?

Wenn wir es schaffen, zu zeigen, dass wir die Mitarbeiter und ihre Anยญliegen ernst nehmen und die Punkte nun schrittweise abarbeiten โ€“ dann ist das Projekt glaubwรผrdig und hat die Chance, die Mitarbeiter zu moยญtivieren. Und diese Chance besteht meiner Meinung nach auch, wenn wir nicht alles umsetzen kรถnnen. Wichtig ist, dass wir es versucht haben und transparent kommunizieren, warum was klappt und was eben nicht.

Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter bislang?

Wir schรถpfen ab und zu das Mittel des geldwerten Vorteils aus und vergeben an die Mitarbeiter einen Gutschein kombiniert mit einem wertschรคtzenden Brief, z. B. als Dankeschรถn fรผr das Durchhalteverยญmรถgen wรคhrend unserer Kรผchenbodensanierung.

Gesetzt ist zudem unser jรคhrlicher Betriebsausflug, fรผr den ich ein groรŸzรผgiges Budget bekomme. Das heiรŸt, wir machen etwas Besonderes wie ein Ritteressen oder eine kleine Schifffahrt.

Neben derartigen Give-aways gilt es schlicht, fรผr die Mitarbeiter da zu sein und sie zu hรถren, ihnen den Rรผcken zu stรคrken โ€“ z. B. beim Umgang mit unverschรคmten Gรคsten an der Ausgabe in unserem Cafรฉ โ€“ und sie technisch zu unterstรผtzen, wo mรถglich. Da wir pro Jahr 21 Tonnen Rohware an Nudeln kochen mรผssen und das richtig schwere Handarbeit ist, vor allem bei Spaghetti, schauen wir uns derzeit nach einem groรŸen Nudelkochautomaten um.

Nicht zuletzt muss auch eine wettbewerbsfรคhige, faire Bezahlung sein, vor allem in einem strukturstarken Gebiet wie hier in Wiesloch. Wer nur NGG oder Mindestlohn bezahlt, sollte sich nicht รผber die Qualitรคt wundern, die er bekommt.

Wie gehen Sie mit dem aktuellen Personalmangel um?

Wenn ich einen hohen Krankenstand im Team habe, dann schlieรŸen wir auch mal ein Outlet oder geben im Casino nur To-go-Essen aus โ€“ natรผrlich wird das entsprechend vorab kommuniziert. Wir mรผssen schon genรผgend Lรถcher stopfen, irgendwann ist eine Grenze erreicht, an der es wichtiger ist, das Team zu schรผtzen. Und da habe ich volle Rรผckenยญdeckung von meiner Geschรคftsleitung.

Die รœberlastung des vorhandenen Personals wurde auch in der Arbeitsplatzanalyse angesprochen und erste MaรŸnahmen beschlossen. Bislang haben wir bei Engpรคssen auf Leihpersonal gesetzt, doch das ist aktuell so schwer zu bekommen und noch dazu so teuer geworden, dass wir eine andere Lรถsung gesucht haben. Ich werde im kommenden Jahr den Personalbedarf รผber das Soll hinaus planen. Denn zwei bis drei Festangestellte mehr einzustellen, ist noch immer deutlich gรผnstiger als Leihpersonal.

Abgesehen davon machen wir schon seit etwa eineinhalb Jahren keine Privatcaterings mehr, damit das Personal nicht auch noch am Wochenende รœberstunden leisten muss.

Herzlichen Dank fรผr das Gesprรคch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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