Die Bio-Strategie 2030 sieht eine 30-prozentige Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche für den Ökolandbau vor – GV-Betriebe sind hier ein bedeutender Hebel für eine gelingende Umsetzung. Tipps von einem Praktiker, der den Bio-Weg erfolgreich von null auf 100 eingeschlagen hat.
Potenzial der GV für mehr Bio in der AHV und in der Landwirtschaft
„Die Gemeinschaftsverpflegung hat ein Riesenpotenzial, Jung und Alt mit gesundem, nahrhaftem und nachhaltigem Essen zu versorgen. Kantinen, Mensen und Co. können mit dem Bio-Label ihren Einsatz für eine nachhaltige Verpflegung freiwillig, einfach und überprüfbar kennzeichnen und so für sich werben. Zugleich stärken wir den Ökolandbau, indem wir die Nachfrage befördern – das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu 30 Prozent Bio bis 2030. Und letztlich ermöglichen wir mehr Transparenz für Verbraucher, denn wir schließen die bisherige Lücke in der Gemeinschaftsverpflegung“, brachte Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, den Stellenwert von GV-Betrieben für den Erfolg der Bio-Strategie 2030 im Rahmen der Einführung der Bio-Außer-Haus-Verordnung (Bio-AHV) im Jahr 2023, auf den Punkt.
Wenn es um den Einsatz von Bio-Produkten in der Gemeinschaftsgastronomie und auch dessen Zertifizierung geht, sind es immer wieder vorsichtige Schritte, die gemacht werden. Nicht so – wenn man Jonas Kachel fragt. Der Praktiker ließ uns im Gespräch an seinem Bio-Weg teilhaben. Er berichtete, wieso es für ihn genau so richtig war. Gleichzeitig gibt er Tipps zur Umsetzung.
Jonas Kachel setzt in der Jugendherberge Murrhardt von Anfang an auf Bio-Lebensmittel
Denn wirft man einen Blick auf bzw. in die Küche der Jugendherberge Murrhardt in Baden-Württemberg so zeigt sich hier, dass sich der Anspruch „100 Prozent Bio-Produkte“ in die Tat umsetzen lässt. Diesen radikalen Schritt ging Betreiber Jonas Kachel, der für die Küche verantwortlich ist, gemeinsam mit seiner Frau Angela Kachel, die die Jugendherberge leitet, als sie diese samt Küche im Januar 2024 übernahmen – und das auch noch in einer „Blitzgeschwindigkeit“: Die Bio-Zertifizierung in Gold lag innerhalb von drei Monaten vor. „Damals waren wir auch in ,schweren‘ Diskussionen mit Rainer Pausch von Bioland, für den die zügige Umsetzung eher ungewöhnlich war“, erinnert sich Jonas Kachel und ergänzt: „Ich für meinen Teil kann aber sagen, dass mir eine radikale Umstellung viel lieber ist, als ständig Ausreden zu finden, warum Bio nicht geht.“ Wer Bio will, sollte ihm zufolge Zweifel beiseiteschieben und „einfach machen“.
„Ehe wir die Jugendherberge übernommen haben, hatte ich ein eigenes Lokal, in dem ich auch auf Bio gesetzt habe“, erzählt er. Damals war sein Betrieb – anders als heute – nicht bio-zertifiziert, weil er es für den Gastronomiebetrieb nicht als notwendig erachtet hat. „Gemeinschaftsverpflegung ist aber nach wie vor sehr verrufen – leider“ – und das obwohl er viele Leuchtturmbetriebe kennt. „Genau aus diesem Grund war mir die Zertifizierung für unsere Jugendherberge, für unsere Küche, die wir mit viel Engagement in kürzester Zeit umgestellt haben, aber umso wichtiger“, betont Jonas Kachel.
Der passionierte Koch sieht die Bio-Zertifizierung in Gold als Aushängeschild für seine kleine Küchenmannschaft, die lediglich aus einer Auszubildenden im zweiten Lehrjahr, einer Küchenhilfe (10 Stunden/Woche), die seit 30 Jahren in der Küche arbeitet, und ihm als Vollzeit-Fachkraft besteht.
Damit dies aber auch und insbesondere mit so einer kleinen Mannschaft funktioniert, braucht es als Grundvoraussetzung immer jemanden im Betrieb, der diesen Weg auch einschlagen will. „Die Bio-Strategie 2030 der Politik ebnet in diesem Fall auch etwas den Weg für GV-Betriebe“, räumt er ein und appelliert: „Jetzt ist einfach eine goldene Zeit für alle Küchen, wenn sie auf Bio setzen wollen.“ Dabei verweist er auf die Möglichkeit von kostenfreien Beratungen sowie Weiterbildungsmöglichkeiten.
Einsatz von Bio-Lebensmitteln: Stadt vs. Land
Die Küche der Jugendherberge Heilbronn, die ebenfalls von seiner Frau geleitet wird, hat Jonas Kachel bei der Umstellung auf Bio unterstützt. „Also nein, ich würde nicht sagen, dass es auf dem Land per se leichter ist, in Küchen Bio-Produkte zu verarbeiten“, antwortet er auf die Frage, ob ländliche Betriebe gegenüber städtischen einen Vorteil bei der Umstellung auf Bio hätten.
Stattdessen sei es eine Frage des Willens: „Dass es viel Papierkram ist, der mit dem Bezug von Bio-Lebensmitteln einhergeht, das will ich gar nicht leugnen. Obwohl der Aufwand deutlich geringer ist, wenn sowohl Lieferanten als auch die Betriebe selbst in puncto Digitalisierung gut aufgestellt sind“, räumt er ein. Der höhere Aufwand sei dem geschuldet, dass man auf mehrere kleinere Erzeuger setzt. Hintenraus bekäme man dies aber auch immer mal wieder zurück. Beispielsweise bekamen Jonas Kachel und sein Team schon mal Kisten mit Gemüse zweiter Wahl von ihrem Gemüsebauern David geschenkt, „die einfach weg mussten“.
„Das sind Aspekte der Partnerschaft, die man zu Beginn einer Umstellung auf Bio nicht sieht“, erklärt er. Aber man dürfe nicht vergessen, dass man den Landwirten als GV-Betrieb auch einen großen Umsatz generiert. Sein Gemüsebauer David vom Wacholderhof beispielsweise, der auch Rinder züchtet, belieferte zuvor lediglich eine Waldorfschule mit Rindfleisch und ging auf den Markt, darüber hinaus gehörten keine Gastronomiebetriebe zu seinen Kunden.
Per Du mit dem Landwirt
Den Bio-Weg gehen bedeutet in Jonas Kachels Fall auch, den Weg zu den Bio-Landwirten und -Anbietern zu gehen. „Unser Team war schon auf dem Feld unseres Bio-Landwirtes David, auf dem unser Gemüse wächst“, nennt er ein Beispiel. Zu wissen, woher die Produkte kommen, die tagtäglich in der Küche der Jugendherberge Murrhardt verarbeitet werden, sei etwas das ihn auch berührt. Dabei gehe es ihm im Kern nicht um Bio, sondern um den persönlichen Kontakt. „Bio hat mich nicht nur überzeugt, weil Bio-Lebensmittel toll sind, sondern ich mochte auch die Menschen, die hinter der Öko-Landwirtschaft stehen“, begründet er.
„Die Beziehung zum Landwirt ist super wichtig“, hebt Jonas Kachel hervor. Dabei begegnet er seinen Partnern auf Augenhöhe: „Ich habe noch nie mit einem Landwirt Preise verhandelt – das will ich auch gar nicht, weil ich um ihre Herausforderungen weiß“, sagt er und ergänzt: „Sie sollen mir nur ihren bestmöglichen Preis geben, mit dem sie leben können und ich schaue, was ich daraus mache.“ Damit sei er noch nie auf die Nase gefallen, da die Landwirte ja auch ein Interesse daran hätten, garantierte regelmäßige Abnahmen zu haben.
Im Endeffekt könne man ihm zufolge dabei schrittweise und im Baukasten-Prinzip vorgehen, z. B. erstmal nur das Bio-Gemüse vom Landwirt beziehen und den Rest vom Bio-Großhändler. „Wir decken aktuell z. B. unser gesamtes Frühstücksangebot durch den Großhändler Epos ab“, berichtet er. Vom Wareneinsatz her sei dies etwa die Hälfte, da jeder Gast, der in der Jugendherberge Murrhardt übernachtet, dort auch frühstückt.
Baukasten-Prinzip für das Speisenangebot der Jugendherberge Murrhardt
Ansonsten gibt die saisonale Verfügbarkeit vor, was in der Küche verarbeitet wird – jedes Jahr bespricht er mit seinem Gemüsebauern den Anbauplan. Auf Gemüse wie Zuckerschoten verzichtet Jonas Kachel u. a., da diese zu zeitintensiv in der Ernte sind. „Ich will ihm und seinen Mitarbeitern ja nicht mehr Arbeit machen“, begründet er. Stattdessen sind z. B. Karotten und Rote Bete häufige „Gäste“ auf seinen Tellern, da diese unkomplizierter und weniger zeitaufwändig im Anbau und der Ernte sind. Dass diese bei seiner Hauptklientel unter der Woche – Schülern der ersten bis vierten Klasse – weniger gut ankommen würden, kann er nicht bestätigen, denn oftmals – so seine Erfahrung – ist es die Art der Zubereitung eines Gemüses, die über die Beliebtheit dessen entscheidend. Zudem bieten er und sein Team viele Speisen „modular“ an: So wird die Pizza als Margherita gebacken und Toppings wie Mangold oder Rote Bete stehen in Gläschen zur Auswahl bereit.
Wurzelgemüse verarbeitet Jonas Kachel u. a. mit Schalen und bürstet dieses lediglich gründlich, damit „der Geschmack nicht weggeworfen wird“, auch verarbeitet er z. B. Saftmöhren, die bereits gebrochen und dadurch günstiger sind – nicht aber weniger gut im Geschmack – verrät er den einen oder anderen Tipp. Zudem entscheidet er sich bei Gemüse für Schnittformen, die sowohl als gegartes Gemüse als auch als Rohkost beim Salat funktioniert – um hier eine Zeitersparnis und flexible Einsatzmöglichkeiten zu haben.
Es kann ihm zufolge auch Sinn machen, Produktionstage für die Vorbereitung einzulegen, wie es auch bei der Jugendherberge in Heilbronn der Fall ist. „An so einem Tag verarbeiten zwei Personen dann 80 Kilogramm Gemüse für Salate, Beilagen, etc., sodass sich den Rest der Woche nicht darum gekümmert werden muss“, berichtet er.
Auf den Bio-Weg machen
Bewusst als TK-Produkte bezieht er Spinat und Erbsen von Felderzeugnisse, um eine „gute und schnelle Möglichkeit zu haben, Gerichte abzurunden“ – bei gleichzeitig geringem Verarbeitungsaufwand. Frischen Spinat bezieht das Küchenteam zusätzlich vom Wacholderhof, was ihm mehr Flexibilität gibt. Grenzen gibt es zudem beim Einsatz von Bio-Fleisch: „Aufgrund des Preises für Bio-Geflügel verzichten wir auf dessen Einsatz und auch Fleischstücke können wir hier nicht verarbeiten und anbieten“, räumt Jonas Kachel ein. Stattdessen kommen z. B. Bratwürste zum Einsatz, die der Metzger extra in kleinerer Größe zubereitet, ebenso wie Hackfleisch. Schnitzel bereitet das Küchenteam als vegetarische Variante aus Auberginen, paniert in Haferflocken und mit Bio-Bergkäse, zu.
Die handwerkliche Zubereitung und der ausgeprägte Anteil an Eigenproduktion der Speisen ist auch ein Faktor, der einen so hohen Bio-Anteil möglich macht. Vier verschiedene Saucen, eine vegane Hafer-Sahnesauce, eine vegane Bratensauce, eine Gemüsebrühe und eine Tomatensauce verwendet das Team um Jonas Kachel das ganze Jahr über. Diese werden je nach Speisenangebot z. B. mit Pilzen oder Hackfleisch zu einer Pilzrahmsauce oder Bolognese weiterverarbeitet. Zudem gibt es viele „einfache“ Renner-Gerichte wie Bratkartoffeln, Gulasch, Kartoffelgratin oder Lasagne. „Wir haben uns ganz bewusst für ein Konzept entschieden, dass ,einfach‘ umsetzbar ist – für uns, aber auch potenziell für andere“, erklärt Jonas Kachel, der mit seinem Unternehmen SeinMahl künftig auch Kollegen dabei unterstützen will, ihren Bio-Weg einzuschlagen.
Das häufige Argument des höheren Preises kann er zwar nicht entkräften, denn die Mehrkosten für Bio gibt es, „aber durch die Inflation haben sich die Preise von Bio- und konventionellen Lebensmitteln ganz schön angenähert“, erklärt er, der darauf verweist, dass Bio-Produkte in den letzten Jahren weniger im Preis gestiegen sind.
„Unsere Aufgabe ist es hier, dass die Kinder ein leckeres Essen haben“, bringt Jonas Kachel sein Hauptanliegen auf den Punkt. Die Bioland-Zertifizierung sei eine Vision gewesen: „Ich habe das bildlich vor mir gesehen und daraufhin im Februar Rainer Pausch angerufen, der uns wahnsinnig bei der Zertifizierung unterstützt hat“, blickt Jonas Kachel zurück. „Zertifiziert waren wir dann im März 2024.“ Auch hier verweist der Koch auf das gute Miteinander. Das A und O, um den Bio-Weg zu gehen.
Quelle: B&L MedienGesellschaft