Mehr Vielfalt auf die Teller will die FH Münster mit dem Projekt BiTe in GV-Betriebe bringen.
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Mehr Biodiversität durch optimierte Rezepturen

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und längst auch Thema in der Gemeinschaftsverpflegung – doch ist Biodiversität schon auf unseren Tellern? „Bereits seit längerem beobachten Forscher einen dramatischen Rückgang der biologischen Vielfalt“, weiß Anita Menzel, die seit 2019 am Institut für Nachhaltige Ernährung (iSuN) der FH Münster tätig ist. Das Forschungsprojekt BiTe (Biodiversität über den Tellerrand) wirft den Blick über den Tellerrand und untersucht den Zusammenhang zwischen dem Außer-Haus-Markt und der biologischen Vielfalt.

BiTe ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Forschungsprojekt. Das Vorhaben wird von der Hochschule Osnabrück (Projektleitung Prof. Dr. Melanie Speck) in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin, dem Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster, dem Wuppertal Institut sowie Betrieben der Gemeinschaftsgastronomie durchgeführt.

Anita Menzel, die im Rahmen des BiTe-Projekts maßgeblich an der Entwicklung der Biodiversitätsbewertung beteiligt war und aktuell für die Umsetzung der Aktionen in den Praxisbetrieben verantwortlich ist, hat der Redaktion GVMANAGER einen Einblick in das Projekt gegeben.

Frau Menzel, warum wurde das BiTe-Projekt ins Leben gerufen?

Die Biodiversität umfasst die Gesamtheit aller Tier- und Pflanzenarten, deren genetische Vielfalt sowie die Vielfalt von Landschaften und Lebensgemeinschaften. Doch immer mehr Pflanzen- und Tierarten verschwinden weltweit. Laut Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind derzeit bis zu eine Million Arten von den rund acht Millionen Arten auf der Erde vom Aussterben bedroht. Ein Artenverlust von derartiger Größenordnung hat drastische Folgen für das menschliche Leben: Sterben beispielsweise immer mehr Insektenarten aus, werden weniger Pflanzen bestäubt und Ernten fallen geringer aus. Gleichzeitig sind gerade die derzeitigen Bedingungen in der Lebensmittelproduktion – sprich Flächenverbrauch, Monokulturen, Massentierhaltung oder hoher Pestizideinsatz – der Hauptgrund für den Rückgang der Biodiversität.
Das zweijährige Forschungsprojekt hat das Ziel, die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) in Deutschland nachhaltiger und artenschonender zu gestalten. Erreicht werden soll dies über eine veränderte Produktion und Konsum durch Speiseplanoptimierung und Aktionen in Großküchen.

Wie kann eine biodiversitätsschonende Ernährung aussehen und verbreitet werden?

Je nachdem, welche Zutaten ein Gericht enthält, woher diese stammen und wie sie angebaut wurden, fallen die Auswirkungen der Speise auf die Tier- und Pflanzenwelt unterschiedlich stark aus. Tierische als auch pflanzliche Produkte sowie der ökologische Landbau spielen hierbei eine Rolle. Ebenso wirkt sich die Vielfalt auf dem Teller positiv auf die Biodiversität aus. Durch eine breitere Lebensmittelwahl können Agrarflächen mit unterschiedlichen Nutzpflanzen und zahlreichen Sorten bewirtschaftet werden. Dies trägt dazu bei, Sorten zu erhalten, welche langfristig resistenter gegenüber sich verändernden Klima- und Umweltbedingungen sind. Die möglichen Biodiversitätsauswirkungen von Lebensmitteln reichen von sehr gering, z. B. bei einer alten Karottensorte aus biologischem Anbau, bis sehr hoch, wie bei einem Steak aus Massentierhaltung mit importierten Futtermitteln.

Welche Erfahrungen haben die Praxispartner aus der GV gemacht?

Seit dem Frühjahr erproben 18 Betriebe aus ganz Deutschland die von BiTe angebotenen Formate. Um einen sauberen Ablauf der Messungen zu gewährleisten, werden die Aktionen vom Forschungsteam begleitet. Workshops, Leitfäden und Checklisten für die Fotodokumentation helfen bei der Planung und Umsetzung vor Ort.

Den teilnehmenden Küchen wird die Möglichkeit geboten, Methoden zur Absatzsteigerung nachhaltiger Menüs kennenzulernen und ihre Gästekommunikation zu stärken. Während des begleitenden Workshop-Programms wurde zudem unter anderem vermittelt, wie ein eigener Speiseplan bewertet werden kann und welche Faktoren bei der Optimierung für ein biodiversitätsfreundliches Gericht zu beachten sind. Des Weiteren wurden die Aktionen online vorgestellt und im Detail erklärt, wie die Messungen in den Küchen vor Ort durchgeführt werden müssen. Seit August stehen für diese getesteten Aktionen alle nötigen Materialien zur Anwendung in der Küche auf der projekt­eigenen Website frei zur Verfügung. Hier finden sich zudem die Aufzeichnungen der Workshops zum Nachlesen bzw. Ansehen. Damit schafft BiTe die Möglichkeit, das Thema „Biodiversität und Essen“ auch langfristig über das Projektende hinaus in der AHV zu verankern.

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Vielfalt auf die Teller

Das komplette Interview mit Anita Menzel, rund um das Forschungsprojekt BiTe, können Sie in unserer digitalen Ausgabe des GVMANAGER nachlesen. Darin erfahren Sie u. a. erste Maßnahmen zur Umsetzung sowie, wie die teilnehmenden Betriebe ihre Biodiversität bereits steigern konnten.

Biodiversität von Rezepturen

Bei der Rezepturoptimierung sollte zunächst immer die Zutatenliste betrachtet werden:

  • Wie vielfältig sind die Komponenten auf dem Teller?
  • Welche Zutaten haben besonders starke Auswirkungen?
  • Erfüllt die Rezeptur die aufgeführten Nachhaltigkeitsfaktoren?

Herausforderungen:

  • Die dargestellten Nachhaltigkeitsfaktoren lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen: Bewertungsergebnisse fielen bei Tests teilweise auch bei pflanzlichen Gerichten nicht optimal aus (Grund: Einsatz von Fertigprodukten, welche belastendes Palm- oder Kokosfett aus sehr artenreichen Regionen enthielten)
    • Lösung: frische Zubereitung pflanzlicher Alternativen
  • Zutaten wie Tomatenmark, Olivenöl und Hülsenfrüchte wiesen je nach Herkunftsland (v. a. aus dem Mittelmeerraum und Subtropen) und Anbaumethode (konventionelle Erzeugung) erhöhte Auswirkungen auf; geringe Erträge von Hülsenfrüchten, Oliven, die viel Anbaufläche beanspruchen
    • Lösung: anstatt (sub)tropischer Linsen aus Indien oder der Türkei Umstellung auf „Alplinse“ aus heimischem Anbau
Wie lässt sich eine Rezeptur in puncto Biodiversität optimieren?
Faktoren für die Rezepturoptimierung hin zu mehr Biodiversität. (Quelle: BiTe 2023)

Optimierte Rezeptur für Rote Bete-Bratling mit Kartoffelstampf

Wie sich Rezepturen optimieren lassen, zeigt konkret auch das Beispiel Rote Bete-Bratling mit Kartoffelstampf, das im BiTe-Projekt* bearbeitet wurde.

*Die Zahlen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf die konventionelle Produktion der Lebensmittel auf Grundlage der Nahgast-Datenbank.

Rote Bete-Bratling mit Kartoffelstampf, Salat und Apfel.
Rote Bete-Bratling mit Kartoffelstampf, Salat und Apfel. (Quelle: BiTe 2023)

Bratling

Klima und Biodiversität:

Mit einem Rote Bete-Burger reduziert sich der CO2-Ausstoß um das 40-fache im Vergleich zu einer Bulette aus Schweinefleisch (1 kg Rote Bete: 0,14 kg CO2-Äq. vs. 1 kg Schweinehack: 5,58 kg CO2-Äq.)

Mit einem Rote Bete-Burger beträgt der potenzielle Artenverlust des Gerichts nur ein Drittel im Vergleich zu einer Bulette aus Schweinefleisch. 

Und sonst so:

Der Anbau von Roter Bete ist sehr ressourcenschonend. Es werden keine Gewächshäuser benötigt. Sie kann das ganze Jahr über aus heimischem Anbau bezogen werden.

Kartoffelstampf

Klima und Biodiversität:

Im Vergleich zu alternativen Stärkebeilagen wie Reis besitzen Kartoffeln eine sehr gute Klimabilanz. 1 kg Kartoffeln verursacht 10-mal weniger Treibhausgasemissionen als Reis.

Kartoffeln weisen vergleichsweise geringe Auswirkungen auf die Biodiversität auf. Um die Artenvielfalt noch mehr zu schonen, sollte auf Bio-Qualität geachtet werden. Grund ist, dass der ökologische Landbau keine künstlich hergestellten Pflanzenschutzmittel einsetzt. Zudem erhält er unterschiedliche Lebensräume auf einer Fläche und fördert dadurch die Artenvielfalt.

Und sonst so:

In Deutschland werden mehr als 160 Speisekartoffelsorten vom Bundessortenamt geführt.

Salat

Die Salatbeilage ist nicht nur ein hübsches Deko-Element, geschweige denn Abfall. Sie ist vielmehr eine tolle und gesunde Ergänzung des Menüs. Mit zusätzlichen Ballaststoffen sowie einem hohen Vitamingehalt verbessert der Salat die Nährwerte.

Apfel

Klima und Biodiversität:

Der Apfel ist generell ein empfehlenswertes Produkt. Um die Klimabilanz noch mehr zu verbessern, sollten frische Äpfel oder Lageräpfel aus Deutschland in den Monaten August bis April bezogen werden. Zusätzlich stärkt der lokale Bezug regionale Kreisläufe.

Kaufen GV-Betriebe Äpfel aus biologischem Anbau oder sogar von Streuobstwiesen ein, kann die Biodiversität aktiv gefördert werden. Durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und die Kombination vieler Obstarten bieten diese Flächen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.

Und sonst so:

Der Apfel ist mit ca. 19 kg pro Kopf und Jahr mit Abstand das beliebteste Obst in Deutschland.

Quelle: BiTe/FH Münster

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