Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) hat die lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen (Food-Based Dietary Guidelines, FBDG) für Deutschland überarbeitet. Dabei fließen erstmals die Aspekte Nachhaltigkeit sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten mit ein.
„Gut essen und trinken – die DGE-Empfehlungen“ löst damit die 10 Regeln der DGE ab und führt zu einem veränderten Ernährungskreis. Die empfohlene gesundheitsfördernde und ökologisch nachhaltigere Ernährung besteht zu mehr als drei Vierteln aus pflanzlichen Lebensmitteln und zu knapp einem Viertel aus tierischen Lebensmitteln. Das heißt, der Anteil tierischer Lebensmittel fällt geringer aus als bisher.
Generell gelten die DGE-Ernährungsempfehlungen für gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren, die sich mit einer Mischkost, inklusive Fleisch und Fisch, ernähren.
Empfehlungen für weitere Ernährungsweisen, z. B. vegetarisch und weitere Bevölkerungsgruppen, wie Kinder und Jugendliche sowie Senioren sollen folgen, ebenso wie ein Positionspapier zur veganen Ernährung. Bis dahin können die derzeitig vorhandenen Ernährungsempfehlungen als Orientierung zur Lebensmittelauswahl für alle gesunden Bevölkerungsgruppen, und auch für Schwangere/Stillende, dienen.
„Bunt und gesund essen und dabei die Umwelt schonen, das sind die DGE-Empfehlungen. Wer sich überwiegend von Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen ernährt, schützt nicht nur seine Gesundheit, sondern schont dabei die Ressourcen der Erde. Dazu gehört auch Lebensmittelabfälle zu reduzieren.“
Die DGE-Empfehlungen
Was ist neu an den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE?
Bunt und gesund essen und dabei die Umwelt schonen, das ist der Kern der neuen elf DGE-Empfehlungen. Konkret heißt es: „Wer sich überwiegend von Obst und Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten sowie Nüssen und pflanzlichen Ölen ernährt, schützt nicht nur seine Gesundheit, sondern schont dabei die Ressourcen der Erde. Dazu gehört auch Lebensmittelabfälle zu reduzieren.“
Weniger Tierisches
Die größte Neuerung ist die deutliche Reduktion der Verzehrsempfehlung tierischer Lebensmittel.
- Es sollen nur noch zwei Drittel der bislang empfohlenen Mengen an Milch und Milchprodukten verzehrt werden, das sind zwei Portionen pro Tag.
- Die Menge an Fleisch und Wurst, die empfohlen wird, hat sich halbiert auf wöchentlich maximal 300 Gramm (bisher 300 bis 600 Gramm).
Maximal 8 Prozent „Ungesundes“
Erstmals wird auch eine Verzehrmenge von Süßem, Salzigem und Fettigem genannt. Diese soll maximal 8 Prozent der täglichen Energiemenge betragen (bezogen auf den zugrunde liegenden Durchschnittserwachsenen).
Der neue Ernährungskreis
Die Lebensmittelgruppen des Ernährungskreises wurden minimal geändert und die Segmentgrößen an die Optimierungsergebnisse angepasst. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
- Obst und Gemüse sind in einer Lebensmittelgruppe zusammengefasst.
- Nüsse und Hülsenfrüchte dagegen haben ein eigenes Segment bekommen.
- Die Übergänge zwischen den Segmenten sind fließend und damit auch die Anteile der Lebensmittelgruppen nicht mehr so scharf abgegrenzt.
- Die Segmente wurden so sortiert, dass auf einen Blick erkennbar ist, wie viel davon pflanzlicher und wie viel davon tierischer Herkunft ist.
Die Lebensmittelpyramide gehört nicht mehr zu den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen, wird aber als Beratungsmodell bestehen bleiben und überarbeitet.
Was bedeuten die Ernährungsempfehlungen für die Gemeinschaftsgastronomie?
Auch die DGE-Qualitätsstandards für die unterschiedlichen Teilbereiche der Gemeinschaftsverpflegung, wie Schulverpflegung, Betriebe etc. werden angegangen und wohl angepasst. „Es ist damit zu rechnen, dass die beiden wichtigsten Neuerungen, also die Fleischreduktion und die Reduktion von Milch- und Milchprodukten, auch für die künftige Speiseplanung gelten werden“, erläutert Prof. Dr. Melanie Speck, welche die neuen Empfehlungen aus der Perspektive der Gemeinschaftsverpflegung geprüft und kommentiert hat. Allerdings gilt es ihrer Meinung nach nochmal zu differenzieren. Denn eine besonders große Bedeutung komme vor allem denjenigen Settings zu, die eine Vollverpflegung 24/7 leisten, also Senioreneinrichtungen, Kliniken, Reha etc.
Melanie Speck begrüßt, dass nicht nur Fleisch, sondern auch Milchprodukte reduziert werden sollen, denn sie beobachtet in der Gemeinschaftsverpflegung gerade die Tendenz, dass Fleischgerichte zugunsten vegetarischer Gerichte mit hohem Milchprodukteanteil getauscht würden.
Allerdings gibt sie zu bedenken, dass bereits aktuell eine große Diskrepanz zwischen den verschiedenen Qualitätsstandards und der praktizierten Versorgung bestehe. „Die aktuellen empirischen Daten zeigen uns, dass die alten Empfehlungen nicht ansatzweise in der Gemeinschaftsverpflegung eingehalten werden, was auch ökonomisch bedingt ist. Folglich sollten die neuen Ernährungsempfehlungen auch politisch ernst genommen werden, wie beispielsweise auch vom Bürgerrat Ernährung gefordert wurde.“
Methodik der mathematischen Optimierung
Die neuen Ernährungsempfehlungen basieren auf einem mathematischen Optimierungsmodell, das die DGE mit Experten unterschiedlicher Fachrichtungen entwickelt hat. Die wissenschaftlich fundierte und transparente Basis macht es möglich, die Zieldimensionen Gesundheit, Umweltbelastung sowie die in Deutschland üblichen Verzehrgewohnheiten gleichzeitig zu berücksichtigen. Im Fokus steht allerdings weiterhin die gesundheitsfördernde Ernährung. Nichtdestotrotz wollte man die Umweltwirkungen der aktuellen Ernährungsweise mit berücksichtigen. „Das neue Optimierungsmodell kann gleichzeitig mehrere Dimensionen der Umwelt wie Treibhausgasemissionen und Landnutzung bei der Berechnung der Mengen zum Lebensmittelverzehr berücksichtigen“, sagt Anne Carolin Schäfer, Ernährungswissenschaftlerin im DGE-Referat Wissenschaft, die das mathematische Modell maßgeblich mitentwickelt hat.
Ausgeklammert werden mussten dagegen soziale Aspekte und das Tierwohl mangels ausreichender wissenschaftlicher Daten dazu. Sollte sich die Datenlage ändern, kann die Optimierung dank der flexiblen Methodik schnell angepasst werden.
FAQ: Häufige Fragen zu den DGE-Ernährungsempfehlungen
Mit den Daten aus der Nationalen Verzehrstudie II (NVS II) liegt eine fast 20 Jahre alte Erhebung zugrunde. Inwiefern entspricht das überhaupt noch den aktuellen Verzehrgewohnheiten?
Während der Erarbeitung haben die Experten oft über die Qualität der Verzehrdaten diskutiert, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass es nichtsdestotrotz die beste Datenquelle ist, die vorliegt. Denn zum einen ist es die einzige repräsentative Verzehrstudie für Deutschland. Und zum anderen gab es dazu einige Folgeerhebungen (NEMONIT), die zeigen, dass sich die Gewohnheiten in den nachfolgenden Jahren kaum verändert haben. Die Expertenrunde geht davon aus, dass sich die Deutschen noch sehr ähnlich ernähren wie vor 20 Jahren – auch wenn es inzwischen eine viel größere Vielfalt pflanzlicher Ersatzprodukte gibt.
Dennoch ist es geplant, sobald es möglich ist, diese Datenquelle zu aktualisieren und dann durch das Optimierungsmodell laufen zu lassen.
Die Empfehlungen berücksichtigen inzwischen den Aspekt Nachhaltigkeit, weichen aber dennoch teils deutlich von denen der Planetary Health Diet ab, beispielsweise bei den Hülsenfrüchten. Wie kommt das zustande?
Die methodische Vorgehensweise ist eine grundsätzlich andere. Bei den DGE-Empfehlungen liegt eine mathematische Modellierung zugrunde und diese versucht, eine Lösung für verschiedene Faktoren zu finden. Dazu zählt auch, dass die Empfehlung nicht zu weit vom üblichen Verzehr abweichen soll. Und der übliche Verzehr von beispielsweise Hülsenfrüchten ist tatsächlich sehr sehr niedrig mit im Schnitt 4 bis 5 Gramm.
Bei den Milchmengen dagegen liegen die DGE-Empfehlungen nur geringfügig über der Menge der Planetary Health Diet und die Fleischmengen sind sogar gleichauf.
In welche der Lebensmittelgruppen des Ernährungskreises sind die vielfältigen pflanzlichen Ersatzprodukte einzuordnen?
Um auf der Basis der mathematischen Optimierung Empfehlungen für diese Lebensmittel auszusprechen, fehlt bislang noch die nötige Datenbasis. Dabei geht es um die Verzehrshäufigkeit, um die Inhaltsstoffe und um die gesundheitlichen Folgen eines langfristigen Verzehrs solcher Produkte.
In einer ausführlichen Broschüre zu den Empfehlungen, die derzeit erarbeitet wird, sollen aber Hinweise zum Verzehr derartiger Lebensmittel aufgenommen werden, wie bisher auch schon. Auch Speisepläne werden darin veröffentlicht.
Werden Umweltparameter nun stärker berücksichtigt als die Gesundheit?
Die berechneten Modellvariationen und die daraus abgeleiteten Empfehlungen sind gut für die Gesundheit und für die Umwelt. Durch die unterschiedliche Gewichtung der drei Aspekte der Zielfunktion – Nähe zum herkömmlichen Verzehr, Reduktion der Krankheitslast und Reduktion der Umweltbelastung – können innerhalb des Lösungsspielraums der Optimierung verschiedene optimierte Verzehrmuster berechnet werden. Jedes der berechneten Verzehrmuster muss dabei die Nährstoffziele erreichen, d. h. auch bei einer stärkeren Gewichtung der Umwelt wird der Nährstoffbedarf gedeckt. Auch wenn die Umwelt stärker als die Gesundheit gewichtet wird, reduziert die optimierte Verzehrmenge die Krankheitslast im Vergleich zum durchschnittlichen Lebensmittelverzehr in Deutschland. Zudem zeigt sich, dass das mathematische Optimierungsmodell bei unterschiedlicher Gewichtung von Gesundheit und Umwelt zu ähnlichen Ergebnissen kommt, weil eine gesundheitsfördernde und umweltschonende Ernährung Hand in Hand gehen.
Quelle: B&L MedienGesellschaft/DGE