Martin Basarab ist Kรผchenchef der Mensa im Albert-Einstein Gymnasium in Harlaching (Mรผnchen) und seit einigen Monaten Geschรคftsfรผhrer von Pรถschl Catering in Eichstรคtt. Vor der Corona-Pandemie war der 32-Jรคhrige Chef einer zweiten Schulmensa im Maria-Theresia-Gymnasium in Mรผnchen. Doch Lockdowns und Wechselunterricht belasteten den Schulmensabetrieb und Martin Basarab sattelte um: Mit Pรถschl Catering leitet er nun zusรคtzlich einen groรen Betrieb, der tรคglich um die 800 Essen kocht โ allerdings nicht nur fรผr Schulen.
In unserem Interview berichtet er von seinen Erfahrungen in der Schulverpflegung und wie er trotz Corona-Pandemie und jรผngsten Preissteigerungen erfolgreich bleibt.
Jetzt mal ehrlich, Martin Basarab!
Herr Basarab, Schulcaterer wie Sie wurden vom Lockdown und dem Preisanstieg besonders hart getroffen. Haben Sie Existenzangst?
Die habe ich durchaus! Weihnachten 2020 war ich รผberzeugt, ich mรผsste Konkurs anmelden. Das Schulcatering lief wรคhrend der Corona-Zeit so schlecht, dass ich meine zweite Mensa im Maria-Theresia-Gymnasium aufgeben musste. Vor einigen Monaten habe ich Pรถschl Catering anteilig gekauft โ ich koche auch fรผr Betriebe, รmter und Events. Als die Flรผchtlinge aus der Ukraine kamen, haben wir auch fรผr sie gekocht. Mit Pรถschl Catering bin ich also breiter aufgestellt, das gibt mir etwas Sicherheit.
Wie kam es, dass Sie Pรถschl Catering รผbernommen haben?
Meine Vorgรคngerin in der Geschรคftsleitung, Sigrid Pรถschl, hat einen Zeitungsartikel รผber mich gelesen. Sie ist jetzt 62 Jahre alt und mรถchte in den Ruhestand gehen, deswegen hat sie einen Nachfolger gesucht. Nun gibt es nicht viele Kรถche, die sich auf Gemeinschaftsverpflegung spezialisieren. Sie kam mich besuchen und hat mir vorgeschlagen, Anteile ihrer Firma und die Geschรคftsleitung zu รผbernehmen. Das alles hat sich ein halbes Jahr hingezogen โ wir mussten mit unseren Anwรคlten sprechen und zum Notar gehen, auch einen Kredit musste ich aufnehmen โ aber nun leite ich Pรถschl Catering.
Die Harlachinger Mensa ist nahe Mรผnchen, Pรถschl Catering in Eichstรคtt liegt im lรคndlichen Raum. Gibt es Unterschiede in der Schulverpflegung?
Ja. Wegen Corona fiel oft der Nachmittagsunterricht aus und dann bleiben die Kinder vom Land nicht in der Schule, nur um dort zu essen โ zumal, wenn der Bus nur alle zwei Stunden fรคhrt. Gerade auf dem Land ist es schwierig mit der Schulverpflegung. In der Groรstadt arbeiten die meisten Eltern und die Kinder essen in der Schule. Auf dem Land sind Eltern oder Groรeltern eher zuhause und kochen mittags.
Auch was die Kรผchenausstattung betrifft, sind die Unterschiede riesig, aber das ist nicht abhรคngig von Stadt versus Land. In manchen alten Gebรคuden muss man dankbar sein, dass die Kรผche รผberhaupt noch warm wird. In anderen neuen Mensen stecken so viele Millionen Euro, dass man dort Sternekรผche betreiben kรถnnte. Schulverpflegung lรคsst sich nicht รผber einen Kamm scheren.
Passen Sie Ihr Schulmenรผ an, um aktuell teure Lebensmittel zu meiden, z. B. weniger Fleisch?
Wir bieten schon immer zwei Essen tรคglich an, mindestens eines davon ist vegetarisch. Aber auch sonst gibt es nicht jeden Tag ein Fleischgericht. Entscheidend ist, dass wir den Geschmack der Schรผler treffen. Es nรผtzt nichts, wenn ich groรe Mengen Gemรผse schnipple und eine hochwertige Tom Kha-Gai Suppe koche. Das hatten wir nรคmlich einmal. Die Lehrer haben die Suppe sehr gelobt, aber den Kindern war es zu viel Gemรผse und sie haben viel davon weggeworfen.
Dann nehmen die Kinder vegetarisches bzw. gesundes Essen nicht gut an?
Das ist sehr unterschiedlich. Kaiserschmarrn und Apfelstrudel sind auch vegetarisch und kommen sehr gut an. Wir haben auch viel mehr Vegetarier als vor zwรถlf Jahren, als ich in den Beruf eingestiegen bin. Etwa ein Viertel der Kinder nimmt gerne vegetarische Essen mit viel Gemรผse. Aber der Groรteil ist natรผrlich immer noch auf Fleisch getrimmt, besonders unter den jรผngeren Schรผlern. Was die Ernรคhrung betrifft, kรถnnen wir die Kinder nicht erziehen โ das muss aus dem Elternhaus kommen. Wenn es zuhause nur Brot und Pizza gibt, werden sich die Kinder in der Schule nicht fรผr den Salat entscheiden.
Dann spielt auch das Alter der Kinder eine Rolle bei der Essenswahl?
Klar, gerade die รคlteren Schรผler kennen sich eher mit Ernรคhrung aus. Dadurch, dass wir wieder G9 haben, gibt es aber fรผr sie weniger Nachmittagsunterricht. Das bedeutet, dass sie mittags nach Hause gehen und nicht in der Schule essen. Zu uns in die Mensa kommen deswegen eher die jรผngeren Kinder, denen Schnitzel und Apfelstrudel schmecken.
Heben Sie die Menรผpreise an?
Nach den Sommerferien werden die Preise um 30 Cent steigen, aber das ist nicht kostendeckend. Im Albert-Einstein-Gymnasium und bei den Pausenverkรคufen haben wir die Preise schon gehoben, sie liegen nun bei 5,20 Euro fรผr ein Menรผ.
Wie umfangreich ist ein Menรผ?
Auch das unterscheidet sich. Mein Ideal war es, zu jeder Hauptspeise auch einen Salat und ein Dessert anzubieten, z. B. Joghurt, Wassermelone oder Kuchen. Das hat in der Summe 50 Cent mehr gekostet als nur die Hauptspeise. Deswegen sind dann einige Eltern auf die Barrikaden gegangen โ sie wollten nur die Hauptspeise bezahlen. Wir haben das Menรผ wieder reduziert. Dann haben sich die anderen Eltern beschwert, weil sie die Menรผs groรartig fanden. Es lief darauf hinaus, dass wir nun in den Schulen unterschiedliche Angebote haben: manchmal nur die Hauptspeise, manchmal Hauptspeise und Salat, manchmal das volle Angebot. Fรผr uns bedeutet das mehr Aufwand, aber wir mรผssen den Eltern auch entgegenkommen.
Erschwert die Erhรถhung des Mindestlohns auf 12 Euro Ihre Kalkulation zusรคtzlich?
Ja, denn sie bringt das Lohngefรคlle durcheinander. Vorher haben unsere Mitarbeiter an der Essensausgabe je nach Grad der Verantwortung ab 12 Euro bekommen und Aushilfen etwas weniger. Steigt nun der Lohn der Aushilfen, muss der Lohn bei allen angepasst werden.
Wer รผbt den hรถchsten Druck aus, wenn es um Preise und Menรผ geht?
Ganz klar die Eltern. In den Betriebsrestaurants bekommen sie oft Essen, das vom Arbeitgeber subventioniert ist. Deswegen sehen sie nicht ein, warum das Schulessen im Vergleich mehr kostet. Wir hatten einen Fall, da haben wir die Betriebskantine eines Elternteils betrieben und die Mensa des Kindes. Der Elternteil hat nicht verstanden, warum beim gleichen Essensanbieter unterschiedliche Preise verlangt werden. Das liegt dann daran, dass der Arbeitgeber einen Teil des Kosten รผbernimmt, damit seine Mitarbeiter gรผnstig essen kรถnnen. So ein System gibt es in den Schulen nicht โ das Essen dort muss alle Kosten decken, von den Personalkosten รผber die Pacht, die Anlieferung, Energie und natรผrlich den Preis der Speisen selbst.
Gibt es mit Automaten und Pausenverkรคufen Mรถglichkeiten, das klassische Mensaessen quer zu subventionieren?
Diese Mรถglichkeiten gibt es und wir nutzen sie auch, wenn es mรถglich ist. In manchen Mensen betreiben wir die gesamte Schulverpflegung und profitieren von dem Erlรถs aus Automatenverkรคufen. Es gibt aber auch Schulen, in denen der Hausmeister die Getrรคnke- und Snackautomaten betreibt. Von der Schulleitung heiรt es dann, der Hausmeister darf damit sein Gehalt aufbessern. Dann schaue ich meine Damen aus der Kรผche an und denke mir: Ihr macht einen tollen Job und ich mรถchte euch auch mehr bezahlen, aber es geht nicht, weil das dem Hausmeister zugestanden wird.
Dann ist Wertschรคtzung gegenรผber dem Personal in den Mensen vor Ort auch nicht selbstverstรคndlich?
Nein, da werden die Damen manchmal von oben herab behandelt. Nicht immer, aber es kommt vor. Kinder und auch Erwachsene sehen nicht immer, dass Reinigungskrรคfte und Service allgemein fรผr unser Wohlbefinden hohe Bedeutung haben und deswegen Wertschรคtzung verdienen.
Wie wichtig ist Schulessen aus der Mensa Ihrer Ansicht nach fรผr Kinder?
Sagen wir es mal so: Von der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung habe ich gehรถrt, dass wรคhrend der Lockdowns Kinder bis zu 20 kg zugenommen haben โ weil sie nur zuhause saรen und Fastfood gegessen haben. Umgekehrt habe ich auch in der Sรผddeutschen Zeitung einen Artikel gelesen, in dem Eltern einem Mensabetreiber die Schuld dafรผr geben, dass ihr Kind 5 kg zugenommen hat. Dann wรคge ich ab und denke, 5 kg mehr Gewicht sind bei einem Wachstumsschub vielleicht nicht ungewรถhnlich โ 20 kg hingegen sind eine andere Hausnummer. Die Qualitรคt von dem Essen, dass Kinder von ihren Eltern bekommen, ist sehr unterschiedlich. Die einen werden zuhause gut versorgt, vielleicht sogar noch besser, weil es jeden Tag viel Gemรผse gibt. Aber das ist nicht in allen Familien so.
Was wรคren Sie bereit, fรผr ein Schulessen Ihrer Kinder zu zahlen?
Frรผher hรคtte ich gesagt, 5 bis 7 Euro. Aber heute wรผrde ich sagen: 8 bis 10 Euro sind angemessen. Gutes Essen mit gutem Service kann und soll nicht billig sein, sonst fehlt die Wertschรคtzung. Einmal hatten wir einen Fall, da hat das Essen nur noch 1 Euro gekostet, weil es eine Subvention gab. Das hat dazu gefรผhrt, dass die Eltern kein Essen mehr bestellt haben โ gemรคร der Annahme: Was nichts kostet, kann auch nichts wert sein.
Haben Sie angesichts der Preise Ihre eigenen Essgewohnheiten umgestellt?
Ja, habe ich โ aber nicht wegen der Preise. Als Koch experimentiert man ja gerne, auรerdem wird man รคlter und muss auf seine Gesundheit achten. Deswegen gibt es nun weniger Fastfood und mehr Gemรผse โ und gerne auch mal fleischfrei.
Haben Sie รผberlegt, aus der Branche auszusteigen?
Auf keinen Fall, ich bin Koch mit Leib und Seele!
Vielen Dank fรผr das Gesprรคch!
Quelle: B&L MedienGesellschaft