Mรคdchen mit Obst und Gemรผse
Quelle: Colourbox.de

Investition in die Gesundheit

Im November 2020 wurden die neuen DGE-Qualitรคtsstandards fรผr die Kita- und Schulverpflegung verรถffentlicht, die u. a. Anpassungen bei den Empfehlungen fรผr Fleisch und Wurst enthalten. Aufgrund der gestiegenen Anforderungen sehen sich Kita- und Schulcaterer mit weiteren Herausforderungen konfrontiert. Esther Schnur, stv. Leitung des Referats Gemeinschaftsverpflegung und Qualitรคtssicherung der Deutschen Gesellschaft fรผr Ernรคhrung e.V. (DGE), beantwortet im Interview Fragen zu einem Teil der neuen Anforderungen.

Dabei geht es um die folgenden Themen:

  • maximaler Zuckerzusatz
  • ร„nderung der Fleischmenge
  • Verantwortung fรผr gesunde Ernรคhrung/Ernรคhrungsbildung

Weitere Aspekte, wie die stรคrkere Einbindung von regionalen Produkten bzw. einen stรคrkeren Fokus auf Nachhaltigkeit, sowie Grรผnde, warum sich Caterer fรผr eine Zertifizierung durch die DGE entscheiden sollten, behandelt Esther Schnur im Interview, das in Ausgabe 1/2022 der Schulverpflegung zu finden ist.

Gestiegene Anforderungen durch DGE-Qualitรคtsstandards

Angesichts gestiegener Anforderungen und damit verbundenen Kosten wird eine Zertifizierung nach den DGE-Qualitรคtsstandards von vielen Kita- und Schulcaterern vermehrt infrage gestellt. Wir haben kritische Fragen Betroffener an die DGE weitergegeben. Esther Schnur von der DGE hat diese beantwortet.

Frau Schnur, Zucker soll laut den Qualitรคtsstandards โ€žsparsam verwendetโ€œ werden. Als Richtwert gilt ein maximaler Zuckerzusatz von 6 Gramm auf 100 Gramm Endprodukt. Woran orientiert sich dieser?

Die Forderung, Zucker sparsam zu verwenden, ist bereits seit der ersten Auflage aus dem Jahr 2007 ein Kriterium in den Qualitรคtsstandards. Mit der Verรถffentlichung des โ€žKonsensuspapier: Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschlandโ€œ im Jahre 2018 wurde diese Aussage untermauert. Darin haben sich die DGE sowie weitere Fachorganisationen fรผr eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 Prozent der Gesamtenergie ausgesprochen. โ€žFreie Zuckerโ€œ umfassen Mono- und Disaccharide, die Lebensmitteln zugesetzt werden, sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsรคften natรผrlich vorkommende Zucker.

Dieser Wert ist fรผr die Prรผfpraxis im Audit sowie bei der Speisenzubereitung nur bedingt geeignet, da er nicht ohne weiteres ermittelt werden kann. Daher wurde durch Abgleich von konventionellen mit nรคhrwertoptimierten Rezepturen der Wert von maximal 6 Gramm zugesetztem Zucker pro 100 Gramm fรผr die Zertifizierungspraxis festgelegt. Dieser Wert wird bereits seit Mรคrz 2017 รผber die Auditberichte kommuniziert und ist mit der Verรถffentlichung der neuen โ€žLeitfรคden zu DGE-Zertifizierungโ€œ schriftlich fixiert worden.

Esther Schnur
Esther Schnur. (Quelle: DGE)

Je nach Alter sind Kinder bereits an hรถhere SรผรŸwerte gewรถhnt. Darf auch mit hรถheren Zuckermengen gestartet werden, um sich dann schrittweise dem Wert anzunรคhern?

In der Tat sind viele Kinder an stark gesรผรŸte Lebensmittel gewรถhnt und lehnen โ€žschwach gesรผรŸte Lebensmittelโ€œ zum Teil ab. Hier raten wir von Seiten der DGE dazu, bereits mit Vertragsabschluss bei der DGE damit zu beginnen, erforderliche Anpassungen im Speiseplan und ggf. in den Rezepturen Schritt fรผr Schritt anzugehen. Bei Zucker wรผrde das bedeuten, die Menge sukzessive zu reduzieren, bis der vorgegebene Wert erreicht wird. Mit Beginn des Vertragsabschlusses hat jeder Betrieb bzw. Caterer ein Jahr lang Zeit, die Kriterien โ€žzu lebenโ€œ und sich bei der DGE zum Audit anzumelden. Zudem besteht maximal einmal pro Woche die Mรถglichkeit, eine Speisenkomponente (z. B. ein Eis) anzubieten, bei welcher der Zuckerzusatz den Wert von maximal 6 Gramm pro 100 Gramm รผbersteigt, ohne dass es hier zu einer Abwertung kommt.

Handelsรผbliche Desserts kรถnnen diesen Zuckergehalt laut Caterern kaum erfรผllen. Durch komplette Eigenproduktion steigen aber nicht nur Arbeitsaufwand und Kosten, sondern auch das Hygienerisiko. Wie ist das Dilemma zu lรถsen?

Ja, die meisten vorgefertigten Produkte enthalten mehr Zucker als im Rahmen der Zertifizierung zulรคssig ist. Allerdings gibt es einige Hersteller, die z. B. Pudding mit einem Zusatz von maximal 6 Gramm Zucker herstellen und vertreiben. Um Caterer dabei zu unterstรผtzen, mehr Produkte im Handel zu finden, die den von der DGE geforderten Vorgaben entsprechen, haben wir ein neues Zertifikat โ€žDGE ZERT Komponenteโ€œ entwickelt. Damit kรถnnen zukรผnftig Produkte gekennzeichnet werden, die im Rahmen der DGE-Zertifizierung positiv bewertet werden.

Dessen ungeachtet mรถchten wir noch auf einige Punkte zu dieser Thematik eingehen: Bei der Produktion von Speisen kรถnnen Hygienerisiken niemals vollstรคndig ausgeschlossen werden. Bei den zahlreichen Audits, die die DGE jรคhrlich durchfรผhrt (500 bis 700 pro Jahr) konnten im Bereich der Produktion von Desserts keine Auffรคlligkeiten festgestellt werden.

Zudem wurde uns sowie unseren Auditoren nur sehr selten รผber Probleme bei der Eigenzubereitung berichtet โ€“ in den meisten von der DGE auditierten Betrieben ist die Eigenproduktion von Desserts selbstverstรคndlich.

Grundsรคtzlich ist es nicht erforderlich, in einem DGE-zertifizierten Angebot Desserts anzubieten. Die geforderten zwei Portionen Milch bzw. Milchprodukte kรถnnen auch รผber herzhafte Gerichte (z. B. Parmesan zur Tomatensauce, Kartoffelpรผree mit Milch, Krรคuterquark-Dip zu Gemรผsesticks oder Kartoffelspalten, mit Kรคse รœberbackenes) angeboten werden.

War die Verรคnderung im Fleischanteil rein รถkologisch motiviert?

Bei der Ableitung der Orientierungsmengen sowie der Angabe der Lebensmittelhรคufigkeiten spielen neben gesundheitlichen auch รถkologische Aspekte eine wichtige Rolle. Aus gesundheitlicher Sicht sollten Kinder und Jugendliche nicht zu viel Protein aufnehmen, da eine erhรถhte Proteinzufuhr im Kindes- und Jugendalter die Entstehung von รœbergewicht fรถrdern kann. Auch ein frรผherer Beginn der Pubertรคt wird mit einer erhรถhten Proteinzufuhr in Zusammenhang gebracht. Mehr als die Hรคlfte der Kinder in Deutschland nimmt doppelt so viel Protein auf, wie die von der DGE empfohlene Menge. Da sich die Kriterien in den DGE-Qualitรคtsstandards fรผr die Verpflegung in Kitas bzw. in Schulen auf eine Teilverpflegung beziehen, mรผssen auch die Mahlzeiten, die zu Hause verzehrt werden, bei der Ableitung der Empfehlungen berรผcksichtigt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Kinder und Jugendlichen bei diesen Mahlzeiten auch Protein, z. B. in Form von Fleisch und Wurst, zu sich nehmen. Um hier dem Prรคventionsgedanken Rechnung zu tragen, haben sich die Orientierungsmengen von tierischen Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch und Wurst, zugunsten von pflanzlichen Lebensmitteln verringert. In den Speiseplรคnen wurden aufgrund ihrer positiven Eigenschaften auch pflanzliche Proteinquellen wie Hรผlsenfrรผchte vermehrt eingesetzt.

Neben den gesundheitlichen Vorteilen einer pflanzenbetonten Ernรคhrungsweise leistet diese Verรคnderung gleichzeitig einen Beitrag fรผr mehr รถkologische Nachhaltigkeit. Im Allgemeinen verbraucht die Erzeugung tierischer Proteinquellen, vor allem Rindfleisch und Milchprodukte, mehr Ressourcen als die von pflanzlichen Quellen wie Hรผlsenfrรผchte und Nรผsse. Bei einer Verรคnderung der derzeitigen Verzehrgewohnheiten entsprechend den Ernรคhrungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft fรผr Ernรคhrung e.V. ist eine Umweltentlastung in Hรถhe von 15 bis 20 Prozent zu erwarten. Daher ist eine pflanzenbetonte Ernรคhrung gut fรผr die Gesundheit der Menschen und die Umwelt (Quelle).

Viele Caterer fรผhlen sich etwas allein gelassen mit der Verantwortung fรผr eine โ€žgesunde Ernรคhrungโ€œ der Kinder und Jugendlichen. Wie sorgen Sie dafรผr, dass auch das wichtige gesellschaftliche Umfeld (Lehrer, Eltern usw.) mit in die Pflicht genommen wird?

Die DGE ist seit ihrer Grรผndung 1953 die fรผr Deutschland zustรคndige unabhรคngige wissenschaftliche Fachgesellschaft fรผr alle ernรคhrungsrelevanten Fragen. Wir stellen Forschungsbedarf fest und informieren รผber neue Erkenntnisse und Entwicklungen aus der ernรคhrungswissenschaftlichen Forschung. Mit der Erarbeitung von Empfehlungen und Aussagen schafft die DGE eine wissenschaftliche Basis im Bereich Ernรคhrung, die sie z. B. durch Publikationen bekannt macht โ€“ so wie die DGE-Qualitรคtsstandards.

Selbstverstรคndlich stehen wir allen Interessierten fรผr individuelle Fragen zu den DGE-Qualitรคtsstandards auch zu telefonischen Sprechzeiten zur Verfรผgung und halten viele weitere Informationen online und als Print bereit. Allerdings lรคsst sich die geschilderte Aufgabe nicht von einer Institution allein bewรคltigen โ€“ hier braucht es ein Zusammenspiel zahlreicher Akteure. Nennen mรถchten wir hier beispielhaft das NQZ sowie die Vernetzungsstellen fรผr Kita- und Schulverpflegung, deren Auftrag es ist, die DGE-Qualitรคtsstandards in die Breite zu tragen und bundeslandspezifisch zu unterstรผtzen. Auch die Politik kann hier ihren Beitrag leisten, indem es z. B. auf Landesebene verpflichtend wird, die Verpflegung in Kitas und Schulen auf Basis der DGE-Qualitรคtsstandards zu gestalten. Eine fachliche Begleitung durch das pรคdagogische Personal in Kitas sowie durch Lehrer ist dabei unerlรคsslich.

Herzlichen Dank fรผr das Gesprรคch!

Zertifizierung fรผr Nachhaltige Verpflegung

Wer sein Engagement in puncto Nachhaltigkeit unter Beweis stellen mรถchte, fรผr den gibt es die zusรคtzliche Zertifizierung โ€žNachhaltige Verpflegungโ€œ, die allerdings nur bereits DGE-zertifizierten Partnern zur Verfรผgung steht. Weitere Infos zur Zertifizierung โ€žNachhaltige Verpflegungโ€œ finden Sie auf der Website der DGE.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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