Angesichts der F-Gase-Verordnung sind klimafreundliche Kältekonzepte für Großküchen gefragt. Eine Kälteanlage, die auf eine Kombination aus Kaltsole und CO2 setzt, gilt hier als innovative Lösung. Wie das in der Praxis konkret aussieht, zeigt die neue Zentralküche des „Kochhaus – Gourmed Vital“ in Bochum/Herne, geplant von VdF-Fachplaner Carsten Zellner.
Eine Kaltsole-Kühlung erfordert zwar einen höheren technischen Aufwand, eine gewisse Investitionsbereitschaft sowie eine frühzeitige Planung, ist langfristig jedoch effizienter und nachhaltiger.
F-Gase-Verordnung erzwingt klimafreundliche Kältemittel
Ab 1.1.2030 tritt die letzte Stufe der F-Gase-Verordnung in Kraft. Sie verfolgt das Ziel, dass künftig nur noch klimafreundliche Kältemittel zum Einsatz kommen.
Infolgedessen dürfen Küchenbetreiber auch Anlagen mit einer gewissen Größe nicht mehr mit aufgearbeiteten F-Gasen warten.
Welche alternativen Kühlkonzepte gibt es?
Ein wegweisendes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung eines nachhaltigen Kühlkonzepts ist die kürzlich in Betrieb genommene zentrale Krankenhausküche „Kochhaus“ als Gemeinschaftsprojekt der St. Elisabeth-Gruppe Rhein-Ruhr und der katholischen Kliniken Bochum.
Mit rund 10.000 Mittagessen pro Tag plus 7.000 Portionen Frühstück und Abendessen ist sie eine der größten ihrer Art in Deutschland.
Die Großküche versorgt elf Krankenhäuser und sieben bis acht Altenheime sowie einige Cafeterien. Das Küchenteam bereitet die Speisen zentral zu. Dazu werden täglich mehrere Tonnen Lebensmittel angeliefert, die das Küchenpersonal dann weiterverarbeitet. Wie in allen Großküchen, spielt auch hier die Kühlung eine wesentliche Rolle.
Kaltsole als natürlicher Kälteträger
Das Herzstück des Kältekonzepts im Kochhaus ist die Nutzung von Kaltsole als Kälteträger. Kaltsole ist ein Gemisch aus Wasser und Glykol. Da dieses natürlich abbaubar sowie lebensmitteltauglich ist, erfüllt das Kältemittel alle gesetzlichen Regelungen, die in den nächsten Jahren in Kraft treten.
Die Kälteerzeugung erfolgt durch jeweils zwei große externe Kaltsoleerzeuger, die außerhalb des Gebäudes auf dem Dach der Großküche platziert sind. Das natürliche Kältemittel R1270-Propen betreibt die beiden Einheiten und erzeugt die Kaltsole.
Über ein Rohrnetzwerk gelangt die Kaltsole mit einer Temperatur von -10°C in die Kältezentrale und von dort aus an alle notwendigen Kühlstellen.
Eine Pumpengruppe aus vier redundanten Pumpen sorgt für einen kontinuierlichen Fluss der Kaltsole. Herkömmliche und umweltbelastende Kältemittel kommen nicht zum Einsatz.
CO2 als Kältemittel für Tiefkühlung
Die Rückkühlung der Kaltsoleerzeuger erfolgt entweder über große Rückkühler, die die Energie an die Umwelt abgeben, oder durch Wärmerückgewinnung, bei der die Prozessenergie für andere Zwecke im Gebäude genutzt wird.
Für die Tiefkühlung und Schnellkühlung nutzt die Großküche CO2 als Kältemittel. Auch wenn es paradox erscheint, aber CO2 schneidet als Kältemittel deutlich besser ab, als bisherige Lösungen, weil es ein Global Warming Potential (GWP) von lediglich 1 besitzt. Das ist derzeit der niedrigste Wert für ein Kältemittel überhaupt und gilt damit als Super Low GWP.
CO2 dient als Referenz für die Berechnung des sog. GWP.
Das sehr effiziente Kältemittel R-404A dagegen hat einen GWP von fast 4.000 und wird als Very High GWP eingestuft.
Das ebenfalls in der Branche eingesetzte R134a läuft in ein bis zwei Jahren aus und liegt hinsichtlich GWP mit 1.430 etwa in der Mitte.
CO2 ist zudem weder brennbar noch im klassischen Sinne toxisch.
Die Verflüssigung des CO2 erfolgt ebenfalls mithilfe der Kaltsole bei -10°C, was generell technische Vorteile und eine hohe Effizienz bedingt sowie Probleme durch hohen Druck beim CO2 vermeidet.
Kaltsole steuert sämtliche Kühlprozesse – vom Kühlschrank bis zum Pastakocher
Die in den Rohren zirkulierende Kaltsole steuert im Gebäude sämtliche Kühlprozesse der Küchentechnik, wie die Kühlräume, Kühlschränke und sonstige Kühlstellen, an.
Somit auch die Eisbänke der Rührwerkskochkessel von MKN, die beim Cook & Chill-Prozess heruntergekühlt werden müssen, oder Spezialgeräte wie Reis- und Pastakocher (F. l.) von Nilma, die mit Hygiene-Kaltwasser bei +1,5°C versorgt werden.
Bei der Bandportionierung werden die sog. Andockkühler (F. r.) von B.Pro zum Kalthalten der Speisen an den Verteilbändern ebenfalls mittels der Sole gekühlt. Der Vorteil: Die Mitarbeiter müssen beim Portionieren nicht in der Kälte stehen, sondern können bei normaler Raumtemperatur arbeiten.
Tabletttransportwagen bis zu 14 Stunden passiv gekühlt
Über viele Rohre und Schläuche, die meist aus der Decke kommen, wird die Kaltsole auch zu allen Speisentransport- und Regenerierwagen von Electro Calorique transportiert. Im Grunde kam die Idee, Kaltsole zu nutzen, auch über einen Anwender von Electro Calorique in Frankreich, den das Führungsteam der Großküche um Ramin Homayouni vorab besuchte.
Im Uniklinikum Nantes überzeugte das Team sich von den Vorteilen der Wasser-Glykol-Mischung als passiver Kälteträger – und begeisterte sich dort zudem für den Mehrwert, den Kaltsole als Haupt-Kälteträger einer Cook & Chill-Küche mitbringen kann.
Wie die passive Kühlung konkret funktioniert? Die Speisenverteilwagen sind an das Kältesystem angeschlossen und werden dort für eine gewisse Zeit mit dem -10°C kalten Wasser-Glykol-Gemisch durchspült.
Die Tanks in den Wagen speichern die Kälte für acht bis zu 14 Stunden – je nach Größe. Genutzt werden dafür vier Wagentypen – für tablettiertes Frühstück, Mittagessen, Abendessen und ein Gebindewagen. Je nach nötiger Kältekapazität haben die Wagen verschieden große Kaltsole-Speicher.
Der Vorteil auch hier: Es werden keine riesigen Raumlandschaften gekühlt, sondern nur die Tablettwagen selbst. Das spart Energie, während die Mitarbeitenden bei der Befüllung nicht in der Kälte arbeiten müssen.
Vorteile von Kaltsole: sicher, umweltfreundlich, effizient
Das innovative Kältekonzept bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber herkömmlichen Systemen:
- Da es keine synthetischen Kältemittel im Gebäude nutzt, werden Gefahren minimiert.
- Die Anforderungen der F-Gas-Verordnung werden voll und ganz erfüllt.
- Kaltsole ist umweltfreundlich zu entsorgen, da sie ausschließlich aus Wasser und lebensmittelechtem, leicht zu entsorgenden Glykol besteht.
- Das Kältemittel R1270-Propen, das explosiv und brennbar ist, kommt nur in den externen Einheiten zum Einsatz, wodurch das Risiko einer Kontamination im Gebäude entfällt. Denn es wird in explosionsgeschützten Gehäusen mit Ventilatoren und Gasüberwachungssystem außerhalb des Gebäudes untergebracht, sodass im Gebäude selbst keine Gefahr durch Kältemittelleckagen besteht. Dies erhöht die Sicherheit für die Mitarbeiter und die Umwelt.
- Die Nutzung von Kaltsole als Kälteträger ermöglicht eine effiziente Verteilung der Kälte im Gebäude.
- Dies reduziert den Energieverbrauch und senkt die Betriebskosten.
- Die Anlagen sind für eine langlebige Betriebsdauer von mindestens 25 Jahren ausgelegt.
- Hochwertige Komponenten und Redundanz sorgen für eine hohe Betriebs- und Investitionssicherheit.
Was ist bei Planung und Bau einer solchen Kälteanlage zu beachten?
Die Umsetzung von derart komplexen Anlagen erfordert eine detaillierte Planung und erhebliche technische Ressourcen. Innerhalb des Gebäudes ähnelt das System mehr einer Heizung als einer klassischen Kälteanlage mit großen Pumpengruppen und Ausgleichsbehältern, die die Kaltsole durch das Gebäude pumpen.
Moderne Kältekonzepte, wie diese Infrastruktur, haben ebenso wie die technische Gebäudeausrüstung (Heizung, Gebäudesteuerung und Lüftung) einen gewissen Platzbedarf. Um die Rohrtrassen und technischen Einrichtungen erfolgreich zu integrieren, müssen sich alle Projektbeteiligten frühzeitig abstimmen und die Fachdisziplinen eng zusammenarbeiten.
Die Küchenfachplaner sollten sich von Beginn der Planung an mit Bauplanern und Architekten austauschen, damit ihr Flächen- und Platzbedarf berücksichtigt ist.
Fazit: Nachhaltiges, zukunftsfähiges Konzept
Die Kaltsole-Kühlung ist ein innovatives und nachhaltiges Kältekonzept für die Zukunft.
Durch die Nutzung natürlicher Kältemittel und den Verzicht auf synthetische Kältemitteln bietet dieses System erhebliche Umweltvorteile, die den steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit gerecht werden, sowie eine hohe Betriebssicherheit.
Die Umsetzung erfordert zwar einen höheren technischen Aufwand, eine gewisse Investitionsbereitschaft sowie eine frühzeitige Planung, hat jedoch langfristige Vorteile in Bezug auf Effizienz und Nachhaltigkeit zur Folge. Das dargestellte Großküchenprojekt setzt Maßstäbe und zeigt, dass die Zukunft der Kältetechnik in der Großküchenplanung bereits begonnen hat.
Welche Kühlleistung lässt sich abdecken?
Obwohl sich dieses Anlagenkonzept bisher nur für große Projekte mit einer Kühlleistung ab 200 KW und mindestens 1.000 Verpflegungsteilnehmer empfiehlt, besteht Potenzial für eine Skalierung auf kleinere Anwendungen.
Die Industrie arbeitet an der Entwicklung kleinerer Komponenten, die eine breitere Anwendung für kleinere Gemeinschaftsküchen ermöglichen. Diese könnten in fünf bis zehn Jahren verfügbar sein. Aktuell gibt es standardmäßig die ersten Seriengeräte wie Kühltische, -schränke oder Wärmetauscher in den Kühlräumen, die mit Kaltsole anstelle mit normalen Kältemitteln betrieben werden können. Der Markt entwickelt sich.
Über den VdF – Verband der Fachplaner
Dieses Konzept ist ein Beispiel aus den Reihen des VdF. Der Verband der Fachplaner Gastronomie – Hotellerie – Gemeinschaftsverpflegung e.V. (VdF) ist der größte deutsche Berufsverband für Planer von Großküchen. Im Fokus der jeweils individuellen Planungen stehen neben der Wirtschaftlichkeit, die Betriebsbereitschaft der Küchen sowie optimale Workflows. Das Ziel: die Betriebskosten ohne Qualitätsverluste für den Gast auf einem möglichst geringen Niveau zu halten. www.vdfnet.de
Natürliche Kältemittel
Welche natürlichen Kältemittel eignen sich für Großküchen? Welche Vor- und Nachteile bringen sie mit, welche GWP-Werte? Mehr dazu lesen Sie hier.
Quelle: Sabine Hensold für B&L MedienGesellschaft