Ein neues WBAE-Gutachten empfiehlt der Bundesregierung, Forschung und Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte gezielt zu fördern.
Quelle: BMLEH

Bundesregierung soll Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte fördern

Wie groß ist das Potenzial pflanzlicher und biotechnologischer Alternativprodukte im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln? Dazu erstellte der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) beim Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) ein Gutachten mit dem Titel „Mehr Auswahl am gemeinsamen Tisch: Alternativprodukte zu tierischen Lebensmitteln als Beitrag zu einer nachhaltigeren Ernährung“. Die knapp 400-seitige Analyse wurde gestern an Bundesminister Alois Rainer übergeben.

Das Fazit des WBAE-Gutachtens: Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung, Technologien zu New Protein gezielt zu fördern – als Baustein einer zukunftsorientierten Politik für nachhaltigere Agrar- und Ernährungssysteme.

„In den letzten Jahren essen die Menschen in Deutschland schon rund 10 kg Fleisch weniger pro Jahr, aber dafür mehr Käse. Dadurch sind die gesamten Treibhausgasemissionen der Ernährung kaum gesunken. Alternativprodukte können einen Ausweg aus diesem „Käseparadox“ bieten, weil sie häufig eine deutlich bessere Treibhausgasbilanz aufweisen.“

Prof. Dr. Achim Spiller, Universität Göttingen/Vorsitzender des Beirats WBAE

Erste Reaktionen auf das WBAE-Gutachten

Die Ernährungsorganisation ProVeg begrüßt die Empfehlungen des WBAE und sieht darin einen großen Schritt in Richtung des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziels zur Förderung alternativer Proteine. Die Ernährungsorganisation begrüßt zudem die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats zur Weiterentwicklung des Chancenprogramms Höfe (CPH) und zur Ausweitung auf die gesamte Wertschöpfungskette. Das CPH sieht die gezielte Unterstützung landwirtschaftlicher Betriebe vor, die in Zukunft vermehrt auf die Produktion und Verarbeitung alternativer Proteinquellen setzen wollen. Für die Landwirtschaft kann die Proteindiversifizierung zusätzliche Einkommensquellen und ein weiteres Standbein bieten.

„Ziel der Bundesregierung ist es, vielseitiges und ausgewogenes Essen zu stärken, ohne den Konsumenten Vorgaben zu machen. Verbraucher sollen nach ihren Präferenzen entscheiden können und jeweils ein gutes Angebot vorfinden.“

Alois Rainer, Bundesminister

Bundesminister Alois Rainer resümierte bei der Übergabe: „Das neue Gutachten zeigt, welche Rolle Alternativprodukte spielen können. Mir ist wichtig, das eine nicht gegen das andere auszuspielen. Im Koalitionsvertrag haben wir unter anderem bereits vereinbart, den heimischen Anbau von Eiweißpflanzen sowie die Entwicklung und Markteinführung nachhaltiger alternativer Proteine zu stärken. Wir wollen unsere Land- und Ernährungswirtschaft für diesen wachsenden Markt gut aufstellen und eine EU-Proteinstrategie unterstützen.“
Darüber hinaus versicherte er: „Ziel der Bundesregierung ist es, vielseitiges und ausgewogenes Essen zu stärken, ohne den Konsumenten Vorgaben zu machen. Verbraucher sollen nach ihren Präferenzen entscheiden können und jeweils ein gutes Angebot vorfinden. Dabei werden wir die Verbraucher durch Information und klare Kennzeichnung unterstützen.“

Mehr Innovation nötig

Ein neues WBAE-Gutachten empfiehlt der Bundesregierung, Forschung und Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte gezielt zu fördern.
Quelle: WBAE

Das Gutachten betrachtet pflanzliche Alternativprodukte, biotechnologische Verfahren wie Zellkultivierung und Präzisionsfermentation als auch sogenannte Hybridprodukte. Sie alle können dazu beitragen, einige negative Umweltwirkungen der Nutztierhaltung zu verringern – ohne dass Menschen ihr Ernährungsverhalten grundlegend ändern. „In den letzten Jahren essen die Menschen in Deutschland schon rund 10 kg Fleisch weniger pro Jahr, aber dafür mehr Käse. Dadurch sind die gesamten Treibhausgasemissionen der Ernährung kaum gesunken. Alternativprodukte können einen Ausweg aus diesem „Käseparadox“ bieten, weil sie häufig eine deutlich bessere Treibhausgasbilanz aufweisen“, erklärt Prof. Dr. Achim Spiller, Universität Göttingen und Vorsitzender des Beirats. Dafür braucht es sensorisch überzeugende Alternativen und deshalb auch eine gezielte Förderung von Innovationen. Dies bietet Chancen für die deutsche Ernährungswirtschaft.

3-R-Strategie zur Reduktion tierischer Lebensmittel

Ein neues WBAE-Gutachten empfiehlt der Bundesregierung, Forschung und Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte gezielt zu fördern.
Prof. Dr. Britta Renner bei der Übergabe des WBAE-Gutachtens. (Quelle: BMLEH)

„Die vom Beirat entwickelte 3-R-Strategie – Reduce (z. B. kleinere Fleischportionen), Remix (Hybridprodukte), Replace (innovative Alternativen) – zeige, wie vielfältig, flexibel und alltagstauglich ein reduzierter Konsum tierischer Lebensmittel aussehen kann.“

Prof. Dr. Britta Renner, Universität Konstanz und stellvertretende Vorsitzende des WBAE

„Wir sehen eine zunehmende Diversifizierung der Ernährungsstile in der Bevölkerung – von überzeugten Fleischliebhabern, klassischen Fleischkonsumentinnen, Personen, die ihren Fleischkonsum aus verschiedenen Gründen reduzieren möchten, Vegetarierinnen bis hin zu Veganern“, betont Prof. Dr. Britta Renner, Universität Konstanz und stellvertretende Vorsitzende des WBAE. „Diese Vielfalt eröffnet neue individuelle Spielräume – stellt uns aber auch vor Herausforderungen im sozialen Miteinander und im Hinblick auf einen ‚gemeinsamen Tisch‘.“

Die vom Beirat entwickelte 3-R-Strategie Reduce (z. B. kleinere Fleischportionen), Remix (Hybridprodukte), Replace (innovative Alternativen) – zeige, wie vielfältig, flexibel und alltagstauglich ein reduzierter Konsum tierischer Lebensmittel aussehen kann.
Alternativprodukte bieten neue Wahlmöglichkeiten für Menschen, die sich aus ethischen, ökologischen oder gesundheitlichen Gründen anders ernähren wollen. Die breite Mehrheit betrachtet Alternativprodukte sehr offen und unideologisch. „Auch die Politik sollte bei diesem Thema die Erweiterung der Möglichkeiten und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt stellen“, so Britta Renner.
„Beim Thema Alternativprodukte geht es darum, einen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz zu leisten und den weltweit erwarteten Anstieg der Nachfrage nach tierischen Lebensmitteln abzufedern – nicht um eine Abschaffung der Nutztierhaltung”, erläutert Prof. Dr. Kay-Uwe Götz, Co-Leiter der Arbeitsgruppe.

Fairer Wettbewerb für pflanzliche Alternativprodukte

Der WBAE spricht sich deutlich für faire Wettbewerbsbedingungen aus.

  • Dazu gehört insbesondere die Beendigung der steuerlichen Schlechterstellung der Alternativprodukte bei der Mehrwertsteuer. Bislang unterliegen wichtige Alternativprodukte – im Gegensatz zu tierischen Erzeugnissen – dem vollen Mehrwertsteuersatz von 19 %.
  • Auch ist eine transparente Verbraucherinformation für einen fairen Wettbewerb wichtig.
  • Zwar sind Alternativprodukte im Durchschnitt gesünder und umweltfreundlicher, das gilt aber nicht in allen Fällen. Der WBAE empfiehlt deshalb der Bundesregierung eine Weiterentwicklung und Förderung des Nutri-Scores und die Einführung eines Klimalabels

Rolle der Gemeinschaftsgastronomie

Die Mitglieder des WBAE-Beirats sehen besonderes Potenzial in der Gemeinschaftsgastronomie und empfehlen, auch vermehrt angereicherte pflanzliche Alternativen in die Speisepläne zu integrieren. So können laut DGE zum Beispiel pflanzliche Milchalternativen eine adäquate Alternative zu Kuhmilch darstellen, wenn sie mit Kalzium, Jod, Vitamin B2 und B12 angereichert sind. Diese können zu einer fairen Ernährungsumgebung und einer verbesserten Versorgung von vulnerablen Gruppen wie Senioren sowie Kindern und Jugendlichen beitragen.

Transformation als Chance für Landwirtschaft

„Für die Nutztierhaltung ist die Entwicklung von Alternativprodukten eine Herausforderung – aber auch eine Chance für eine nachhaltige Transformation, die die Landwirtschaft bewältigen kann“, erklärt Prof. Dr. Justus Wesseler, Universität Wageningen und Co-Leiter der Arbeitsgruppe. „Wir erwarten keinen abrupten Strukturbruch, sondern einen schrittweisen Wandel. Wichtig ist, dass wir diesen Wandel aktiv gestalten und Betriebe gezielt beim Umbau unterstützen – insbesondere im Sinne des Tierwohls“, so Prof. Dr. Hiltrud Nieberg, Thünen-Institut und stellvertretende Vorsitzende des Beirats. Besonders in Regionen mit intensiver Tierhaltung könnten sich durch den Wandel positive Umweltwirkungen entfalten.
Vor allem in Regionen mit überwiegend extensiv genutztem Grünland besteht allerdings die Gefahr, dass durch einen Rückgang grünlandbasierter Tierhaltungen (vor allem Rinder, Schafe) naturschutzrelevante Dauergrünlandflächen wegfallen. In seinem Gutachten empfiehlt der Beirat eine Reihe von Maßnahmen, die den Erhalt biodiversitätsreicher Kulturlandschaften sichern können.

Mehr Forschung und Entwicklung

Um die Innovationskraft im Bereich von Alternativprodukten mit nachgewiesenen Nachhaltigkeitsvorteilen zu stärken, empfiehlt der WBAE gezielte Maßnahmen zur Förderung von Forschung und Entwicklung. Alternativprodukte erweitern das Angebot und eröffnen damit einen neuen Weg, um Umwelt und Tiere zu schützen, das soziale Miteinander zu stärken und mehr Auswahlmöglichkeiten am gemeinsamen Tisch zu schaffen.

Das Gutachten kann kostenlos heruntergeladen werden.

Über den WBAE

Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz ist ein interdisziplinär besetztes Gremium und berät seit 75 Jahren das Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) bei der Entwicklung seiner Politik in diesen Bereichen. Der WBAE arbeitet auf ehrenamtlicher Basis, ist unabhängig und erstellt Gutachten und Stellungnahmen zu selbst gewählten Themen. Dem Beirat gehören aktuell 16 Mitglieder an.

Quelle: B&L MedienGesellschaft/WBAE/ProVeg

Checklisten #spürbargrün: So wird die Außer-Haus-Gastronomie noch nachhaltiger. (Quelle: Colourbox.de)

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