Ein neues Nachhaltigkeits-Zertifikat für die Gemeinschaftsgastronomie – daran arbeiten die RAL Gütegemeinschaft Ernährungs-Kompetenz e.V. und die E.ON Gastronomie aktuell auf Hochtouren; sie machen damit in puncto Nachhaltigkeit gemeinsame Sache.
Praktiker Horst M. Kafurke, Geschäftsführer der E.ON Gastronomie und damit verantwortlich für über 50 Standorte, und die RAL Gütegemeinschaft als eingetragener Verein entwickeln derzeit ein neues Nachhaltigkeits-Zertifikat für die Gemeinschaftsgastronomie – im ersten Schritt für die Betriebsgastronomie, die Teilbereiche Care und Education sollen folgen.
Das machen wir aus purem Eigennutzen, um wieder eine vertrauenswürdige Nachhaltigkeits-Zertifizierung zu haben, die wirklich auf guten Beinen steht und eben kein Greenwashing fördert“, wie der Gastronomieverantwortliche betont. Das gäbe es heutzutage viel zu häufig.
Susanne Lange von RAL und Horst Kafurke von der E.ON Gastronomie berichten über das neue RAL Nachhaltigkeits-Zertifkat
Im Interview sprechen Susanne Lange, Geschäftsführerin der RAL Gütegemeinschaft Ernährungs-Kompetenz, und Horst Kafurke über die Gründe der Zertifikatsentwicklung, die Schwerpunkte und ab wann eine Zertifizierung möglich ist.
Frau Lange, was war ausschlaggebend dafür, dass Sie sich dazu entschieden haben, eine Nachhaltigkeits-Zertifizierung für die Gemeinschaftsgastronomie auf den Weg zu bringen?
Lange: Der Anstoß für die Idee, ein neues RAL Gütezeichen auf den Weg zu bringen, das für nachhaltige Gastronomie steht, war die Anfrage von Horst Kafurke. Die Mitarbeiter der E.ON Gastronomie waren auf der Suche nach einer vertrauenswürdigen Zertifizierung und waren überzeugt vom System der RAL Gütesicherung.
Herr Kafurke, was waren die Gründe dafür, dass Sie sich mit Ihrer Anfrage an die RAL Gütegemeinschaft gerichtet haben?
Kafurke: Wir waren mit der E.ON Gastronomie unter den ersten, die die TÜV-Zertifizierung erhalten hatten, die Prof. Dr. Volker Peinelt – ehemals an der Hochschule Niederrhein tätig – und der TÜV Rheinland auf den Weg gebracht hatten; ich durfte damals aus Praktikersicht daran mitwirken.
Bei der Zertifizierung ging es aber in erster Linie um die „ausgezeichnete Gemeinschaftsverpflegung“. Der Impuls, das Thema Nachhaltigkeit als zusätzliches Modul einzubinden, kam von mir, denn ich beschäftige mich schon fast mein ganzes Berufsleben damit.
Zu den 450 Fragen der eigentlichen TÜV-Zertifizierung kamen so noch einmal 120 bis 150 Fragen dazu, die sich auf Nachhaltigkeit fokussierten.
Als einziges Unternehmen waren wir seitdem im Verbund mit unseren über 50 Standorten in Sachen Nachhaltigkeit zertifiziert – etwas, das uns sehr wichtig war und ist. Anfang 2024 erhielt ich dann aber die Information, dass der TÜV die (Nachhaltigkeits-)Zertifizierung für die GV nicht mehr fortführt – also musste eine ebenbürtige Alternative her, die ich in der Zusammenarbeit mit der RAL Gütegemeinschaft gefunden habe. Das erste Gespräch dazu mit Susanne Lange war im November 2024.
Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Aspekte, die in den Kriterienkatalog einfließen?
Lange: Unser Anspruch ist es, nachvollziehbare und klar definierte Vergabekriterien zu schaffen. Die Einhaltung dieser Kriterien wird regelmäßig durch unabhängige, sachverständige Auditoren kontrolliert. Um eine kontinuierliche Verbesserung in den Themenfeldern herbeizuführen und aktuellen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine stetige Anpassung der Kriterien entscheidend. Auch hier sind unabhängige Experten gefragt, die bei der Überarbeitung der Kriterien unterstützen.
Wichtig ist uns, dass die Auszeichnung vielfältige Aspekte abdeckt, um sicherzustellen, dass der Betrieb umweltfreundlich, sozial verantwortlich und wirtschaftlich nachhaltig handelt.
Das Gütezeichen beinhaltet z. B. Kriterien zum Umweltmanagement wie den sparsamen Umgang mit den Ressourcen Energie und Wasser und die Reduzierung von Lebensmittelabfällen oder den Einsatz von Mehrweggebinden. Daneben spielen Einkauf und Beschaffung eine bedeutende Rolle, z. B. durch den Einkauf von regionalen und saisonalen Produkten und die Bevorzugung von lokalen Erzeugern und solchen, die umweltfreundliche und sozial verantwortliche Praktiken anwenden. Im Rahmen der sozialen Verantwortung ist neben fairen Arbeitsbedingungen auch für gesundheitsförderliche Angebote für Mitarbeiter und Gäste zu sorgen.
Schulungen und Weiterbildungsprogramme zu Nachhaltigkeitsthemen sollen das Bewusstsein und die Kompetenzen der Mitarbeiter in Umwelt- und Sozialfragen stärken. Eine transparente und verständliche Gästekommunikation berücksichtigt die Bedürfnisse der Zielgruppen und unterstützt sie dabei, nachhaltiger zu denken und zu handeln.
Entscheidend ist auch, dass das Gütezeichen nicht andere Zertifizierungen wie eine Bio-Zertifizierung oder die DGE-Auszeichnung einer einzelnen Menülinie voraussetzt, sondern für ein umfassendes verifiziertes Nachhaltigkeitsmanagement mit System steht.
Gibt es bestimmte Aspekte der Nachhaltigkeit, die stärker gewichtet werden?
Kafurke: Ja, das ist geplant, ganz klar, das muss auch so sein. An erster Stelle steht das vorhandene Nachhaltigkeitskonzept – das ist eigentlich eine Grundvoraussetzung für die Zertifizierung. Dieses wird dann auf Vollständigkeit überprüft und daraufhin leiten sich dann weitere Schritte ab.
Lange: Eine Gewichtung ist durch die Bewertung als jeweiliges Pflicht- oder Zusatzkriterium vorgesehen, so wie es bereits beim etablierten Gütezeichen „Kompetenz richtig Essen“ gehandhabt wird. Wir sind allerdings noch im Entwicklungsprozess und werden sehen, was sich als sinnvollste Lösung ergibt.
Frau Lange, Sie bieten aktuell bereits das „RAL Gütezeichen Kompetenz richtig essen“ sowie das „RAL Gütezeichen Qualitätsprodukt Gemeinschaftsgastronomie“ – gibt bzw. wird es hier teilweise Überschneidungen zur Nachhaltigkeits-Zertifizierung geben?
Lange: Das „RAL Gütezeichen Kompetenz richtig Essen“ adressiert dieselbe Zielgruppe wie das geplante Gütezeichen. Es richtet sich an alle Einrichtungen der Bereiche Care, Business und Education. Aus diesem Grund ähnelt sich die Basis dieser beiden Gütezeichen. Der Fokus des neuen Gütezeichens liegt jedoch auf dem nachhaltigen Wirtschaften.
Die Entwicklung des neuen Gütezeichens erfolgt nach dem objektiven und interessenneutralen System der RAL Gütesicherung, für die RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. verantwortlich ist. Das Gütezeichen wird ein öffentliches Anerkennungsverfahren durchlaufen, bei dem die Vergabekriterien unabhängigen und fachkundigen Institutionen zur Stellungnahme vorgelegt werden. Dies sorgt für Transparenz und ermöglicht es, die Inhalte des Gütezeichens noch besser auf die Zielgruppe auszurichten.
Das neue Gütezeichen hebt sich deutlich von anderen Nachhaltigkeits-Zertifikaten ab und bietet den Nutzern nicht nur einen Imagegewinn durch ausgewiesene Qualitäts- und Kundenorientierung, sondern auch einen klaren Wettbewerbsvorteil bei Ausschreibungen. Das Zeichen wird als eingetragene Unionsgewährleistungsmarke in der gesamten EU als Vergabekriterium anerkannt.
Unterscheiden sich die neue Nachhaltigkeits-Zertifizierung durch RAL und die des TÜV Rheinland?
Kafurke: Zugrunde liegen auch hier wieder die vier Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie, soziale Verantwortung und Gesundheit. Wir sind die ganzen Produktionsstufen aber nochmals durchgegangen und haben dann alles zusammengedampft auf etwa 120 Fragen, die auch wiederum im Drei-Stufen-Verfahren geprüft werden; das hatte sich bereits bei der TÜV-Zertifizierung bewährt.
Besonders wichtig war und ist es uns, dass die Betriebe auditiert werden – also nicht alles vom grünen Tisch aus gemacht wird. Der Mehrwert durch die Zusammenarbeit mit RAL liegt auf der Hand: Die Auditoren von RAL sind Fachleute durch und durch und weisen eine große Expertise auf, um die GV-Betriebe entsprechend der Kriterienkataloge fachlich objektiv, aber kritisch zu bewerten.
Rückblickend auf die TÜV-Zertifizierung – welchen Mehrwert konnte die E.ON Gastronomie daraus ziehen?
Kafurke: Uns war es sehr wichtig, dass jemand von außen mal darauf schaut, was wir hier so machen und wie nachhaltig wir aufgestellt sind. Die TÜV-Zertifizierung all unserer Standorte hat zudem dazu geführt, dass wir einen einheitlichen Standard gefestigt haben – nicht nur in der ausgezeichneten Gemeinschaftsverpflegung, sondern auch im Modul Nachhaltigkeit.
Jetzt hoffen wir, dass wir nach einer Pilotphase und der Einführung der RAL Nachhaltigkeits-Zertifizierung ebenfalls noch in 2025 einige GV-Betriebe der E.ON neu zertifizieren lassen können. Bis Ende des Jahres zumindest 20 Prozent all unserer Betriebe.
Ab wann soll die Nachhaltigkeits-Zertifizierung für GV-Betriebe möglich sein?
Lange: Wir befinden uns noch mitten im Entwicklungsprozess. Gütezeichen sind keine firmeneigenen Siegel oder schnelle Eigenkreationen, die lediglich Marketingzwecken dienen. Das System der RAL Gütesicherung umfasst definierte Prozessschritte zur Entwicklung eines neuen RAL Gütezeichens. Dieses Vorgehen garantiert höchste Transparenz, Verlässlichkeit und Objektivität, benötigt jedoch ca. sechs bis neun Monate Entwicklungszeit. Voraussichtlich können wir die ersten Betriebe im dritten bis vierten Quartal 2025 auszeichnen. Das Gütezeichen ist für alle Betriebsgrößen vorgesehen, denn je mehr Unternehmen sich für nachhaltiges Wirtschaften entscheiden, desto größer ist der positive Effekt auf unsere Umwelt.
Kafurke: Im ersten Schritt soll die Nachhaltigkeits-Zertifizierung für den Teilbereich Betriebsgastronomie angeboten werden, sukzessive dann auch für die Teilbereiche Care und Education, also für (Hoch-)Schulen. Das wird aber frühestens ab 2026 der Fall sein. Ich habe bereits einen tollen Kollegen aus dem Care-Bereich für uns gewinnen können, der mit seinem prüfenden Blick den Kriterienkatalog für seinen spezifischen GV-Bereich nochmal prüft und nachjustiert. Denn auch wenn Betriebsrestaurants und Krankenhausküchen – und auch Mensen – alles GV-Betriebe sind, sie unterscheiden sich dennoch. Und das soll Berücksichtigung finden.
Mit welchem Aufwand (zeitlich, monetär) müssen GV-Betriebe rechnen, die sich durch RAL zertifizieren lassen wollen?
Lange: Der zeitliche Aufwand richtet sich nach dem Status quo des beantragenden Betriebes. Die Mitarbeitenden der Gütegemeinschaft begleiten den Betrieb auf dem Weg zum Verleihungsaudit. Bis zur Beantragung des Gütezeichens sind alle Beratungsleistungen, die telefonisch oder online erfolgen, kostenlos und unverbindlich.
Die Kosten für die Verleihung des Gütezeichens sowie für die wiederkehrenden Überprüfungen richten sich nach der Anzahl der täglich ausgegebenen Essen. Darüber gibt eine Beitragsordnung Auskunft, die auf der Website der Gütegemeinschaft einsehbar ist.
Herr Kafurke, inwieweit sorgt die aktuelle Zusammenarbeit mit RAL dafür, dass Sie noch weitere Potenziale für mehr Nachhaltigkeit in Ihren Betrieben entdecken?
Kafurke: Das wird sich wahrscheinlich beim ersten Audit zeigen, denn man kann natürlich nicht immer alles auf einmal umsetzen, sich aber stetig weiter verbessern. Wir sind schon sehr nachhaltig aufgestellt, was beispielsweise aber noch aussteht und wo wir aktuell dran sind, ist der CO2-Fußabdruck unserer Speisen. Zudem sind wir dabei, die Wäsche auf faire Berufsmode umzustellen.
Welches Resümee ziehen Sie bezüglich der Kooperation?
Kafurke: Wir haben mit der RAL den absolut richtigen Partner erwischt, der auch mit Hochdruck an der gemeinsamen Nachhaltigkeits-Zertifizierung arbeitet – von der Geschäftsführung bis hin zu vielen anderen, die auch ehrenamtlich im Verein tätig sind – und die machen das richtig gut. Während der eine für das Marketing zuständig ist, kümmert sich der nächste darum, die Fragestellungen noch einmal kritisch zu prüfen oder die Verträge aufzusetzen – um ein paar Beispiele zu nennen. Das Zusammenwirken der Teile funktioniert bei der Kooperation insgesamt einfach sehr gut.
Lange: In den ersten Gesprächen zwischen der E.ON Gastronomie und uns wurde sehr schnell deutlich, dass beide Seiten ähnliche Vorstellungen von einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe haben und die gleichen inhaltlichen Schwerpunkte hinsichtlich der Vergabekriterien für eine solche Zertifizierung sehen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
RAL Gütezeichen
Die Gütezeichen dienen als Orientierungshilfe, um hochwertige, sichere und zuverlässige Produkte und Dienstleistungen aus nahezu allen Lebensbereichen zu finden. Gleichzeitig berücksichtigen RAL Gütezeichen auch weitere Aspekte wie Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit oder Kundenorientierung.
Unter den zahlreichen Gütesiegeln setzen RAL Gütezeichen besondere Maßstäbe: Sie unterliegen dem einzigartigen System der RAL Gütesicherung, das durch Neutralität und Transparenz überzeugt. Produkte und Dienstleistungen mit dem RAL Gütezeichen erfüllen definierte Qualitätsanforderungen, die weit über Mindeststandards, gesetzliche Bestimmungen und Normen hinausgehen.

Mehr Bio wagen
Die Erhöhung des Bio-Anteils auf Acker und Teller ist ein Schlüsselelement, damit sich die Landwirtschaft als Sektor nachhaltig entwickeln kann. Bioland hat Ende 2024 daher elf Forderungen an die Politik gestellt, mit denen der Bio-Ausbau gelingt.
Quelle: B&L MedienGesellschaft