Genau genommen gibt es in Deutschland keine Gesetzestexte, die vorschreiben, wie hoch Speisen zu erhitzen und auf welcher Temperatur sie warmzuhalten sind. Nur zu den Kühltemperaturen gibt es entsprechende Vorgaben. Wie mit Warmspeisen zu verfahren ist, regeln Empfehlungen wie die Publikation „Sicher verpflegt – Besonders empfindliche Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen“ des Bundesinstituts für Risikobewertung sowie die drei DIN-Normen 10506 Lebensmittelhygiene, 10508 Temperaturen und 10536 Cook & Chill.
Unterschiedliche Temperaturen
Beim ersten Meeting 2023 des Arbeitskreises Gemeinschaftsverpflegung Köln e. V. (AK GV Köln) Ende Mai stand das Thema Temperatur und die aktualisierten DIN-Normen daher auch auf der Agenda. „Bei der Warmausgabe darf eine gewisse Temperatur nicht unterschritten werden, damit sich in den Speisen keine Keime verbreiten können. Die Höhe dieser Temperatur ist jedoch von Land zu Land unterschiedlich“, erklärte Armin Wenge, Geschäftsführer von Delphi Lebensmittelsicherheit und Vorsitzender des AK GV. In Österreich liegt sie bei 75°C, in den USA deutlich niedriger und in Deutschland wurde sie zuletzt von 65°C auf 60°C gesenkt (DIN 10508).
Temperaturupdate
Jochen Mayer, Vorstandsmitglied und Vizepräsident des VKK, der die Seite der Großverpfleger u. a. im DIN-Arbeitskreis Außer-Haus-Verpflegung/Temperaturen repräsentiert, in dem die Normen 10506, 10508 und 10536 angesiedelt sind, hat uns ein Update in puncto Temperaturen gegeben.
„60°C galt schon immer als Grenzwert, der bei der Warmausgabe nicht unterschritten werden darf. 5°C Sicherheitszuschlag sind zu empfehlen.“
Jochen Mayer, Küchenleiter, Diakonie Kork; VKK-Vizepräsident
Herr Mayer, seit 2022 bzw. 2020 wird eine Mindesttemperatur von 60°C bei der Ausgabe warmer Speisen vorgegeben. Warum ist das im Grunde gar nicht neu?
60°C galt schon immer als Grenzwert, der bei der Warmausgabe nicht unterschritten werden durfte. In den DIN-Normen wurde früher aber der sogenannte Richtwert von 65°C genannt und festgeschrieben, um einen Sicherheitspuffer zur kritischen Temperaturgrenze von 60°C zu gewährleisten. Vom Richtwert ist nun keine Rede mehr. Stattdessen heißt es in der DIN 10508: „In der Praxis hat sich ein Sicherheitszuschlag von 5°C bewährt.“
Wo ist die Mindesttemperatur von 60°C genau festgeschrieben?
Bereits 2020 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung in zwei Stellungnahmen verkündet, dass es ausreiche, wenn heiß zu haltende Speisen an allen Stellen eine Temperatur von mind. 60°C aufweisen müssen, u. a. um ein Auskeimen von Bakteriensporen (B. cereus) zu verhindern. Bis dato hatte es eine Temperatur von 65°C oder höher empfohlen.
Da in den entsprechenden Lebensmittelhygienenormen DIN 10506 sowie 10508 aber weiterhin 65°C genannt wurde, kam es übergangsweise zu Verwirrung. Entsprechend beriet der DIN-Arbeitskreis Außer-Haus-Verpflegung/Temperaturen darüber. Bis auch die genannten DIN-Normen inklusive der DIN 10536 angepasst wurden, dauerte es dann noch bis Frühjahr 2022.
Handelt es sich um eine Empfehlung oder sind die Temperaturen gesetzlich verpflichtend?
Gesetzlich verpflichtende Temperaturvorgaben gibt es in Deutschland nur zum Thema Kühlen.
Die gesetzliche Grundlage für Lebensmittelhygiene in Deutschland, die Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) bzw. das zugrundeliegende EU-Recht bleibt darüber hinaus vage. Es heißt nur, dass eine Gute Hygienepraxis einzuhalten, das Personal zu schulen sowie ein geeignetes System der Eigenkontrolle, Stichwort HACCP, zu installieren sei und Nachweise zu führen seien. Die Großküche ist also verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung zu machen und darin ihre eigenen kritischen Kontrollpunkte (CCPs) festzulegen und abzuarbeiten. Wie? Das bleibt den Anwendern überlassen.
Im Bereich Cook & Chill-Produktion gibt es in Deutschland die DIN 10536, die den aktuellen Stand der Technik abbildet und damit auch vom Gesetzgeber herangezogen wird.
Als Maß der Dinge in der Gemeinschaftsverpflegung gilt zudem die Publikation „Sicher verpflegt – Besonders empfindliche Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen“ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). An deren Inhalte passt sich in der Regel auch die DIN an.
Stichwort Cook & Chill – was hat sich bei der DIN 10536 in puncto Temperaturen geändert?
Früher hieß es, dass der Temperaturbereich zwischen 65°C und 3°C binnen 90 Minuten durchschritten werden muss. Neu ist, dass die Zeitspanne ausgehend von 60°C gilt. Wann die Produkte in den Chiller eingebracht werden, ist dabei unerheblich. Gemessen wird ab dem Punkt, an dem sie 60°C erreicht haben. Laut BfR sollten zudem Lebensmittel, die heiß produziert und zu einem späteren Zeitpunkt kalt ausgegeben werden (z. B. Pudding), innerhalb von max. 120 Minuten von 60°C auf 10°C abgekühlt werden.
Schon immer hat die DIN empfohlen, frisch gegarte Speisen möglichst direkt nach Produktionsende in den Chiller einzubringen. Sie bei Raumtemperatur unkontrolliert stehen zu lassen, birgt große Hygieneprobleme.
In welchem Zusammenhang ist eine Temperatur von 72°C gefordert?
Das betrifft den Garprozess bzw. beim Cook & Chill-Verfahren auch das Regenerieren bzw. Endgaren. Im Kern der Speisen sollte für eine Dauer von zwei Minuten eine Temperatur von 72°C erzielt werden, um sicherzugehen, dass potenzielle Krankheitserreger absterben. Ausnahmsweise sind auch geringere Temperaturen und entsprechend längere Erhitzungsdauern möglich. Das ist aber mit mikrobiologischen Analysen nachzuweisen, die sehr aufwändig sind. Laut BfR müssen jedoch auch bei Niedrigtemperatur-Garverfahren mindestens 65°C erreicht werden.
Danke für das Gespräch!
Automatisierte Temperaturerfassung
VKK-Mitglied Lothar Stützle behält seine 17.000 GN-Behälter dank ausgeklügeltem System stets im Blick und dabei – dank automatisierter Kontrolle – auch die Temperaturen der Speisen. Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag rund um das Mehrwegsystem in der Neuland-Küche der Die Zieglerschen.
Quelle: B&L MedienGesellschaft, AK GV Köln