„Mensa-Takeover: Studis kochen grün“ – hieß es erst kürzlich beim Studentenwerk Gießen. Im Rahmen eines Kochwettbewerbs gingen zahlreiche vegane Lieblingsrezepte der Studenten ins Rennen. Absoluter Favorit des Kochwettbewerbs ist der vegane Schoko-Brownie von Sophia Olt: Beim Online-Voting konnte er insgesamt 666 Stimmen ergattern. Die Lieblingsvorspeise der Studis hat Antje Flanz gekocht: ihre Süßkartoffel-Karotten-Suppe erhielt 433 Stimmen. Bei den Hauptgerichten hat sich mit 554 Stimmen die Räuchertofu-Reis-Bowl mit Gemüse und Tahini-Erdnusssauce von Lia Rempeters durchgesetzt. Das Studentenwerk wird die drei Rezepte nun dauerhaft in den Speiseplan der Mensen in Gießen, Friedberg und Fulda aufnehmen.
Mensa-Takeover
Der Kochwettbewerb wurde vom Ökologiereferat des AStA der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zusammen mit dem Studentenwerk Gießen ausgerichtet und fand 2023 bereits zum zweiten Mal statt. An allen drei Tagen des Finalkochens war das Interesse groß: „Vegane und vegetarische Gerichte werden bei uns schon lange überdurchschnittlich gut nachgefragt – und dementsprechend auch von uns angeboten“, berichtet Annabell Diehl, stv. Leiterin der Hochschulgastronomie. Aktuell geht im Durchschnitt jedes zweite Essen fleisch- und fischlos über die Mensatheken.
Vegan kochen im Studentenwerk Gießen
Annabell Diehl hat im Interview Fragen rund um den Kochwettbewerb sowie die Rezepturentwicklung veganer Speisen erzählt.
Frau Diehl, wie viele Studierenden haben insgesamt am Mensa-Takeover mit ihren veganen Rezepturen teilgenommen? Hatten Sie mit dieser regen Teilnahme gerechnet?
Eingereicht wurden insgesamt 60 Rezepte, wovon 43 die „Mensatauglichkeits-Prüfung“ bestanden haben. Beim ersten Online-Voting zur Bestimmung der Top 3 in den Kategorien Vorspeise, Hauptspeise, Dessert haben 1.214 Personen teilgenommen. Beim zweiten Voting zur Wahl der absoluten Favoriten 1.787 Personen. Angesichts des großen Interesses schon beim ersten Mensa-Takeover haben wir gehofft, dass Studierende sich auch dieses Mal wieder gerne beteiligen werden.
Wieso haben Sie sich für diese Art der Rezepturentwicklung entschieden? Wo sehen Sie den großen Vorteil, Studierende bei der Mahlzeitengestaltung einzubinden?
Als das Ökologiereferat des AStA der JLU mit dieser Idee an uns herangetreten ist, waren wir sofort begeistert. Studierende sind unsere Zielgruppe. Wenn wir im privaten Umfeld für andere kochen, fragen wir Familie oder Freunde ja auch, worauf sie Hunger haben. Warum nicht also auch in der Mensa?
Die Studierenden ihre Lieblingsrezepte dann auch selbst probekochen zu lassen, hat für uns zusätzlich den Vorteil, dass sie ihre Gerichte in Sachen Konsistenz, Geschmack etc. am besten kennen. Besonders bei fleischloser Ernährung geben Studierende, die sich nachweislich überdurchschnittlich oft vegetarisch oder gar vegan ernähren, uns wichtige und auch spannende Impulse, was auf dem Teller gerade angesagt ist.
Der Kochwettbewerb fand zum zweiten Mal statt. Werden auch die Gewinner-Rezepte aus dem vorangegangenen Wettbewerb in der Speisenplanung weiterhin berücksichtigt?
Natürlich! Besonders der damalige Gewinnerhauptgang, ein Kichererbsen Tikka Masala von Informatik-Studentin Paulina ist ein richtiger Mensa-Favorit geworden und wird regelmäßig in allen Mensen und auch teilweise in den warmverpflegten Cafeterien angeboten.
„Der vegane Gaumen reagiert beispielsweise auf Salz wesentlich empfindlicher als der von Flexitarieriern. Das war für uns eine neue Erkenntnis, die wir seitdem bei unseren veganen Speisen beachten.“
Annabell Diehl
Welches ist Ihr Favorit unter den Gewinner-Rezepten und warum?
Wenn ich mich für ein Gericht entscheiden muss, dann ist es die vegane Süßkartoffel-Karotten-Suppe von Antje und Joel. Hier zeigt sich wieder, dass lecker nicht kompliziert sein muss. Die eingesetzte Kokosmilch ist wider Erwarten schön leicht und macht die Suppe für fast jede Jahreszeit geeignet. Die Karotten geben eine schöne Süße ab und Ingwer bietet die nötige Frische und Schärfe. Definitiv ein tolles, stimmiges Gericht, was ja auch von den Studierenden im Online-Voting gewürdigt wurde.
Inwieweit waren die Rezepturen der Studierenden von vornherein auch großküchentauglich? Wie wirken sich die Rezepturen auf den Wareneinsatz aus, z. B. Einbindung von höherpreisigen Nussmusen etc.?
Bevor wir ins erste Voting gegangen sind, wurden alle eingereichten Lieblingsrezepte auf Zubereitungsart, -aufwand und Verfügbarkeit der Zutaten geprüft. Zu aufwändige Gerichte oder auch Speisen mit zu kurzer Standzeit in der Ausgabe mussten wir rausfiltern.
Bei einigen Rezepturen gab es kleinere Anpassungen bei der Zutatenwahl – z. B. war für ein Gericht eigentlich eine 5 mm breite Reisnudel vorgesehen. Diese gab es aber bei unseren Lieferanten ausschließlich in 250-g-Einheiten zu einem für den studentischen Geldbeutel inakzeptablen Preis. Daher haben wir stattdessen eine 10 mm breite Reisnudel verwendet, die sowohl in Großgebinden verfügbar war, als auch weniger als die Hälfte gekostet hat. Ansonsten zeigt sich der finale Preis bei den Gewinnerrezepten erst in der jeweils tagesaktuellen Preiskalkulation im Speiseplan. So viel vorab: Das Gewinnerdessert wird aufgrund seiner doch sehr großzügigen Grammatur beim Probekochen im finalen Speiseplan fast halbiert zu finden sein und dann für 1,30 Euro (Studierendenpreis) angeboten.
Für die pflanzlichen Rezepturen arbeitet das Küchenteam mit einem veganen Studenten zusammen. Wie kam es zu dieser eher außergewöhnlichen Zusammenarbeit?
Wir haben bereits früher gerne neue Speisenkreationen zuerst in kleiner Runde ausprobiert. Da wir gelegentlich das Feedback bekommen haben, dass vegane Gerichte zu stark gewürzt oder zu salzig gewesen sein sollen, was bei einer Probe durch eine sich nicht-vegan ernährende Person nicht bestätigt werden konnte, kamen wir auf die Idee, sich vegan ernährende Studierende bei neuen Rezepten oder Produkten mit ins Boot zu holen. Dabei zeigte sich, dass der vegane Gaumen beispielsweise auf Salz wesentlich empfindlicher reagiert als der von Flexitarieriern. Das war auch für uns eine neue Erkenntnis, die wir seitdem bei unseren veganen Speisen beachten.
So wurde auch die Idee geboren, generell einen Veganer oder eine Veganerin in die Rezepturentwicklung mit einzubeziehen. Da wir hierfür keinen ausgebildeten veganen Koch gewinnen konnten, schlagen wir nun zwei Fliegen mit einer Klappe und haben in Jonas einen Studenten gefunden, der unsere Hauptzielgruppe repräsentiert und sich seit vielen Jahren vegan ernährt. I-Tüpfelchen für uns: Er studiert Umweltmanagement und Oecotrophologie und hat damit einen besonders sensiblen Blick auf die pflanzliche Ernährung sowie die schnell wachsende Angebotsvielfalt auf dem Markt. Da uns auch nachhaltiges Handeln sehr wichtig ist und wir nach DIN EN ISO 14001:2015 zertifiziert sind ist diese Kooperation aus unserer Sicht sehr wertvoll!
Wie bildet sich das Küchenteam darüber hinaus in puncto der veganen Ernährungsweise weiter?
Wir wollen Kundenwünsche natürlich bestmöglich bedienen. Da wir wissen, dass überdurchschnittlich viele unserer Gäste gerne zu veganen Speisen greifen, ist das Küchenteam sensibilisiert für dieses Thema, beobachtet den pflanzlichen Markt sehr genau und bringt aktiv eigene Ideen ein. Das Team überprüft kontinuierlich, ob ein bestehendes Gericht durch Umstellungen ggf. auch vegan angeboten werden kann. So konnten wir z. B. durch den Wechsel von Butter zu Pflanzenöl beim gesamten Beilagengemüse mit wenig Aufwand die vegane Auswahl auf dem Speiseplan erhöhen. Bei anderen Gerichten bieten wir Toppings extra an, sodass die Gäste entscheiden können, ob sie vegan, vegetarisch oder fleischhaltig essen möchten. Auch unser Zentraleinkauf ist sensibilisiert für das Thema vegane Ernährung und fragt bei unseren Lieferanten gezielt vegane Alternativen an.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Vegan essen im Seniorenheim
Dass für Jackfruit, Erbsenprotein und Co. sehr wohl Platz in der Seniorenernährung ist, beweist Dominik Schad vom Münchenstift. Im Interview hat er mehr zur vegetarisch-veganen Ernährung im Seniorenheim verraten.
Quelle: B&L MedienGesellschaft