Mitarbeiterfindung und -bindung: Mit welchen Maßnahmen gelingt es?
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Weiterbildungs-Navi: Muss es immer ein Koch sein?

Welche Strategien haben Profiküchen, um dem Fachkräftemangel zu trotzen – auch ohne Ideal-Kandidaten? Teil 6 unseres Weiterbildungs-Navis widmet sich Erfahrungen mit Quereinsteigern und angepassten Weiterbildungskonzepten.

Gastronomie fehlen Fachkräfte

Laut Dehoga fehlen in Deutschland derzeit in Hotels und Gaststätten mehr als 65.000 Mitarbeitende. Im Zuge der Pandemie wechselten 15 Prozent der Beschäftigten aus dem Gastgewerbe in andere Branchen, arbeiten jetzt als Kassierer im ­Supermarkt, als Lagerlogistiker oder im Sekretariat. Für viele wird es ein Abschied für immer gewesen sein. Der personelle Notstand ist auch in der Gemeinschaftsgastronomie zu spüren. In Kliniken und Altenheimen fehlen Diätassistenten und in allen GV-Bereichen werden hände­ringend Köche gesucht. Viele Ausbildungsplätze blei­ben unbesetzt, es mangelt wohl an Strahlkraft für die junge Generation.

Wie schaffen GV-Betriebe in dieser Situation den Spagat zwischen den gestiegenen Anforderungen an Dienstleistungsqualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit? Welche Strategien haben sie entwickelt, um den Mangel an Fachkräften zu kompensieren? Wie können Menschen, die auf den ersten Blick nicht gerade als Ideal-Kandidat gelten, fit gemacht und erfolgreich ins Team integriert werden? GVMANAGER hat einige Führungskräfte zu ihren Erfahrungen befragt.

Potenziale rechtzeitig erkennen

Ulrich Opatz, Abteilungsleiter Hochschulgastronomie, Studierendenwerk Mannheim
(Quelle: Studierendenwerk Mannheim)

„Wer bei uns einsteigt, bekommt vom ersten Tag an einen Paten oder Buddy zur Seite gestellt, der das Onboarding begleitet.“

Ulrich Opatz, Abteilungsleiter Hochschulgastronomie, Studierendenwerk Mannheim

„Seit 2019 leite ich die Abteilung Hochschulgastronomie und begleite junge Menschen aus Überzeugung schon früh in Führungspositionen. Um das Team zu verjüngen, muss man die Potenziale der Nachwuchskräfte rechtzeitig erkennen und ihnen Verantwortung geben. Unsere 14 gastronomischen Betriebe sind personell gut aufgestellt. Aufgrund unserer guten Arbeitszeiten und diverser Benefits haben wir gegenüber der Individualgastronomie einen Vorteil und finden noch genügend Personal.
Wer bei uns einsteigt, bekommt vom ersten Tag an einen Paten oder Buddy zur Seite gestellt, der das Onboarding begleitet. Die Einarbeitung erfolgt in geregelten Schritten, die dokumentiert werden. Nach drei Monaten, in denen die Neuen quasi mitgelaufen sind und alles kennengelernt haben, erfolgt der Abnabelungsprozess. Sie arbeiten dann übergreifend in den einzelnen Küchenbereichen mit. Alle Mitarbeitenden sollen überall einsetzbar sein, ein rollierendes System vermeidet Abhängigkeiten. Die Einarbeitung erfolgt per Learning by doing, darüber hinaus gibt es interne Fortbildungen, von Sous-Vide-Garen über Warenwirtschaftssysteme bis hin zu Stress- und Konfliktbewältigung. Für Workshops rund um die effiziente Gerätebedienung arbeiten wir mit den Herstellern zusammen. Besonders motivierte Nachwuchskräfte schicken wir aber auch auf externe Schulungen und nehmen sie auf Messen mit. Dies sind hochgeschätzte Benefits, die Antrieb für Weiterentwicklung geben.
Mit Quereinsteigern aus fremden Branchen haben wir bisher gute Erfahrungen gemacht. Eine ehemalige Friseurin und eine gelernte Kosmetikerin starteten bei uns erfolgreich durch und können bereits verschiedene Posten übernehmen.
Meine Devise: Wenn ich etwas von meinen Mitarbeitenden verlange, muss ich erst einmal zeigen, wie es geht. Man muss ihnen auch die Scheu nehmen, etwas falsch zu machen. Bei uns gibt es eine positive Fehlerkultur und die Buddys haben ausreichende Zeitfenster, um die Quereinsteiger zu integrieren.
Gemeinsam mit der Initiative ,Förderband Mannheim‘ unterstützen wir darüber hinaus Jugendliche, die auf dem ersten Bildungsweg keine Chance haben. Sie bekommen nach ihrer schulischen Grundbildung einen Ausbildungsplatz bei uns, können z. B. eine Beikoch-Ausbildung machen. Wir investieren viel in die jungen Menschen, zeigen ihnen Wertschätzung. Unsere langjährigen Mitarbeiter begleiten das Engagement mit großem Ehrgeiz und Stolz. Wenn einer wie Rafael dabei ist, der die Prüfung mit einer Eins in der Praxis und mit einer Zwei in der Theorie abgeschlossen hat, dann ist das der schönste Lohn.“

Motivieren & eng begleiten

Daniela Aug, Küchenleiterin, Franziskus-Hospital Bielefeld; VKK-Präsidentin
(Quelle: Aug)

„Wir können es uns nicht leisten, Quereinsteiger, die wir mit viel Aufwand rekrutiert und ausgebildet haben, wieder zu verlieren.“

Daniela Aug, Küchenleiterin, Franziskus-Hospital Bielefeld; VKK-Präsidentin

„In unserer Branche gibt es immer noch Vorbehalte gegenüber Quereinsteigern. Das sollte nicht mehr sein. Wir müssen Arbeitsbereiche personell abdecken, das kann auch mit branchenfremden Kräften gelingen, die angelernt und von Paten unterstützt werden. Ein ausgebildeter Koch, der zehn Jahre aus dem Beruf ist und wieder einsteigen möchte, ist nicht zwangsläufig der bessere Kandidat. Er muss genauso angelernt werden wie ein Quereinsteiger, um wieder up to date zu sein.
Da wir keine ausgebildeten Diätassistentinnen finden, die sich für die Arbeit in einer Klinik interessieren, haben wir Quereinsteiger eingestellt, die überwiegend aus dem Servicebereich stammen. Nach interner Fortbildung fragen diese Mitarbeiter nun die Essenswünsche der Patienten ab.
Wir bilden auch Quereinsteiger zu Beiköchen aus. Die Leute haben früher in der Bäckerei gearbeitet, in der Industrie, im Fahrdienst, eine Kraft war Physiotherapeutin. Und weil wir keine Köche auf dem Arbeitsmarkt finden, übernehmen zum Teil Hauswirtschafterinnen deren Arbeitsbereich. Die Einarbeitung von Quereinsteigern dauert natürlich länger. Sie verläuft strukturiert und nach bestimmten Prozessen. Unsere sechs Köche und zwei Diätassistentinnen helfen den Quereinsteigern im Tagesgeschäft und begleiten die internen Schulungen. Nach unserer Erfahrung sind Quereinsteiger hoch motiviert, denn sie haben sich ja bewusst für einen Wechsel in eine andere Branche entschieden.
Zweimal im Jahr führen wir mit allen Mitarbeitenden Feedbackgespräche, um in puncto Teambuilding eng am Ball zu bleiben. Das Onboarding neuer Mitarbeitender ist heute wichtiger denn je, kein Quereinsteiger darf auf sich allein gestellt bleiben. In puncto Personalmanagement sind die Herausforderungen damit für uns natürlich gestiegen. Wir müssen motivieren, eng begleiten und mit Überforderung umgehen können. Psychologische Unterstützung ist oft gefragt und ohne eine positive Fehlerkultur im Betrieb geht es nicht. Die Anforderungen steigen in unserem Verpflegungsbetrieb. Vor 25 Jahren belieferten wir nur einen Kindergarten, Essen auf Rädern gab es noch nicht. Heute kochen wir für sieben Kitas und bereiten 400 Mahlzeiten für den Lieferservice zu. Wir können es uns nicht leisten, Quereinsteiger, die wir mit viel Aufwand rekrutiert und ausgebildet haben, wieder zu verlieren.“

Erfolgreiches Onboarding nur gemeinsam

André Böwing, Küchenleiter, Caritasverband Steinfurt
(Quelle: Böwing)

„Jeder GV-Betrieb ist individuell, sodass auch ein ausgebildeter Koch nicht gleich durchstarten kann.“

André Böwing, Küchenleiter, Caritasverband Steinfurt

„Täglich produzieren wir bis zu 350 Essen. Seit 19 Jahren bin ich an Bord, davon 18 Jahre als Küchenchef. In den letzten Monaten konnte ich vier neue Mitarbeitende fürs Verpflegungsteam einstellen, darunter drei Köche. Damit endet eine personelle Durststrecke, aber wir sind noch nicht im Flow. Neue Mitarbeitende müssen eben erst einmal eingearbeitet werden. Personal zu finden, ist eine Herausforderung, es erfolgreich zu motivieren und zu binden ebenfalls.
Beim Recruiting nutzen wir Social Media, Mundpropaganda und Anzeigen in der Regionalpresse. Über letztere gelingt es uns, potenzielle Bewerber anzusprechen, die vor Ort wohnen. Wir müssen Leute finden, denen es auch langfristig möglich ist, bei uns zu arbeiten. Vor allem bei Quereinsteigern muss man genau hinschauen, denn die Komplexität einer Großküche wird oft unterschätzt, und dann passt es nach drei Monaten Arbeit doch nicht. Frühzeitig spreche ich deshalb mit den Bewerbern, um ihre Persönlichkeit, Bedürfnisse und Möglichkeiten kennenzulernen. Mit intensiver Kommunikation beginnt die individuelle Förderung. In Präsentationstagen erhalten Bewerber Einblick in den Arbeitsalltag. In Hospitationstagen offenbart sich schlummerndes Potenzial. Eine Quereinsteigerin kam z. B. aus dem Restaurantfach, zeigte aber Talent für die Küche. Ein Glücksgriff für uns!
Die Zahl der Quereinsteiger steigt, deshalb müssen die Einarbeitungskonzepte entsprechend angepasst sein. Bei uns gibt es festgelegte Zeitabläufe mit Arbeitsplatzbeschreibung, alles in schriftlicher Form. Die ersten 14 Tage stellen wir einen Mitarbeitenden zur Begleitung der Nachwuchskraft ab. Man muss sich um die Neuen kümmern, sonst hat man keinen Erfolg. Es ist Mehraufwand, den wir anfangs leisten müssen, um mittelfristig entlastet zu werden. Doch das darf vom Team nicht als Bürde empfunden werden. Wenn es eng wird, packe ich überall mit an, stelle mich auch an die Spüle. Das hat eine positive Signalwirkung, erfolgreiches ­Onboarding geht nur gemeinsam. Es sind viele kleine Bausteine, die zielführend sind. Unser rollierendes Arbeitsmodell sorgt z. B. dafür, dass sich niemand ungerecht behandelt fühlt. Für uns bedeuten Branchenfremde eine Chance. Schließlich ist jeder GV-Betrieb individuell, sodass auch ein ausgebildeter Koch nicht gleich durchstarten kann.“

Schritt für Schritt heranführen

Katharina Dreger, Gesamt-Küchenleiterin, Kliniken Landkreis Lörrach
(Quelle: Kliniken Landkreis Lörrach)

„Die größte Hürde ist die Sprachbarriere. 50 Prozent der Hilfskräfte besitzen Migrationshintergrund, auch Akademiker sind darunter.“

 Katharina Dreger, Gesamt-Küchenleiterin, Kliniken Landkreis Lörrach

„Es ist schwierig, Menschen aus anderen Berufsgruppen so fit zu machen, dass sie einen ausgebildeten Koch in der GV-Küche gleichwertig ersetzen können. Dies gelingt oft nicht einmal bei Kandidaten, die aus der Gastronomie stammen. Wir hatten schon fremdsprachige Bewerber, die zuvor Küchenchef in einer Pizzeria waren oder in Indien eine gastronomische Ausbildung absolviert haben. Ich kann schlecht beurteilen, welches Niveau hinter diesen Qualifikationen steckt. Ich lasse diese Bewerber zunächst in der kalten Küche arbeiten, mache mir ein Bild und führe sie dann Schritt für Schritt an die Aufgaben einer Klinikküche heran. Wie schnell das gelingt, ist nicht nur abhängig von der Sprachkompetenz, die unsere Klinik mit Deutschkursen fördert.
Auch das diätetische Wissen muss geschult werden. Nur ein diätetisch geschulter Koch oder eine Diätassistentin können dieses Know-how an die Quereinsteiger vermitteln, doch die Fachkräfte fehlen dann an ihrem eigentlichen Arbeitsplatz. Es ist also ein langer mühseliger Weg, Quereinsteiger fachlich gut auszubilden. Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl an Allergien und Unverträglichkeiten brauchen wir einfach eine ausreichende Zahl qualifizierter Köche und Diätassistenten, die Zutatenlisten beurteilen können. Unter unseren 70 Mitarbeitenden, die wir in Küche, Service und Cafeterien beschäftigen, sind derzeit nur sechs Köche und zwei Diätassistentinnen. Ihre Fachkompetenz ist nötig, um den Convenience-Anteil in unserer Verpflegung niedrig zu halten und die Hilfskräfte zielführend einzusetzen.
Es gibt so vieles, was ein Quereinsteiger lernen muss, angefangen von der Technik bis hin zu HACCP. All dieses Wissen muss man schulen, wenn es nicht vorhanden ist. Wir bemühen uns, mit wenigen Fachkräften auszukommen und haben unsere Arbeitsprozesse umgestaltet. Täglich produzieren wir in zwei Klinikküchen 600 Essen. Vor 20 Jahren war jeder für seinen Posten alleine verantwortlich. Dieses Arbeitsmodell funktioniert nicht mehr. Heute setzt bei uns der qualifizierte Koch die Sauce an, und die Hilfskraft füllt ab. Wenn sich eine Hilfskraft bewährt, bekommt sie auch entsprechendes Gehalt. Leider haben wir noch keinen Rohdiamanten unter den Quereinsteigern entdeckt.
Die größte Hürde ist die Sprachbarriere. 50 Prozent der Hilfskräfte besitzen einen Migrationshintergrund, auch Akademiker sind darunter. Diese Menschen können ihren erlernten Beruf in Deutschland oft nicht ausüben, weil die Sprachkompetenz fehlt. Wir stellten sie ein, doch auf Dauer sind viele mit der Hilfsarbeit in einer Küche nicht zufrieden. So fehlt dann oft der Antrieb für eine Weiterqualifikation. Ein Glossar mit fachspezifischen Ausdrücken in verschiedenen Sprachen würde uns im Arbeitsalltag erheblich weiterhelfen.“

info

Weiterbildungs-Navi

Verpflegungsbetriebe stehen immer wieder vor neuen Herausforderungen. Wie flexibel und anpassungsfähig der Verpflegungsbetrieb auf diese reagieren kann, ist von den Mitarbeitenden abhängig. Regelmäßige Weiterbildung bildet den Grundstein, um das eigene Team kompetent, motiviert und agil zu halten. Doch wie kann eine erfolgreiche Weiterbildungsstrategie aussehen?
Mit unserem „Weiterbildungs-Navi“ will Sie die Redaktion GVMANAGER durch das Dickicht der Weiterbildungs-Chancen und -Hürden führen. Sämtliche Teile sind für Sie nachzulesen – ein Überblick:
Teil 1: Weiterbildung als systematisches Konzept
Teil 2: Motivation zur Weiterbildung – Knackpunkte zwischen Mitarbeiter und Angebot
Teil 3: Chancen digitaler Weiterbildungsmaßnahmen
Teil 4: Fördermöglichkeiten von Weiterbildungen
Teil 5: Was steckt hinter Systemischem Coaching?

Quelle: Cornelia Liederbach für B&L MedienGesellschaft

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