Das Münchner Projekt Bio für Kinder von Tollwood streckt seine Fühler über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinaus: Das neue Tool ist nun online und kann deutschlandweit genutzt werden, um die Mittagsverpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder auf Bio-Produkte umzustellen. Interessierte finden das kostenfreie Tool auf der Biospeiseplan-Website.
Woher kommt der Biospeiseplaner?
Das Projekt Bio für Kinder steht unter der Leitung von Daniela Schmid (F. M.) vom Tollwood und läuft bereits seit 2014. In dieser Zeit hat sie mit ihrem Team bereits 32 Einrichtungen auf eine Verpflegung mit Bio-Produkten umgestellt, woraufhin schon 650.000 Bio-Mahlzeiten im Raum München an Kinder ausgegeben wurden. Im Rahmen einer Pressekonferenz auf der Biofach 2023 berichtete sie über den Prozess:
„Wir haben festgestellt, dass die größte Hürde die Frage ist, wie eine Umstellung auf biologische Lebensmittel gelingen kann. Die etwas höheren Kosten waren nie das Hauptproblem.“
Daniela Schmid
Um die Herausforderung zu lösen, entwickelten Edith Gätjen (F. r.) und Stefan Brandel gemeinsam Rezepte für den Biospeiseplaner, der sowohl kindgerecht als auch saisonal und ökologisch nachhaltig ist. Stefan Brandel ist Küchenmeister und Ernährungsberater, Edith Gätjen ist Oecotrophologin und Präsidentin des Verbands für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB). Indem sie das Tool online zur Verfügung stellen, machen sie ihre Rezepte überregional zugänglich.
Was kann das Online-Tool?
Über die neue Anwendung bekommen Küchenmitarbeiter in der Mittagsverpflegung von Kindern einen Wochenplan inklusive Kalkulation vorgeschlagen. Angezeigt wird ein Rezept für jeden Tag mit einem Foto. Außerdem wird der Preis für alle Zutaten in Bio-Qualität berechnet sowie die Kosten und die Menge an Kalorien pro Portion ausgegeben.
Für die Verwendung muss sich der Küchenbetreiber registrieren. Dabei gibt er an, wie viele Kinder welcher Altersgruppen er versorgt. Das wird in die Kalkulation direkt einbezogen, sodass der vorgeschlagene Wochenplan schon auf den Bedarf der Einrichtung zugeschnitten ist. Auch der Aufwand für ein Gericht wird durch die Angabe von einem bis drei Balken angezeigt, wobei ein Balken „leicht“ bedeutet und drei Balken „schwer“. Einzelne Zutaten in den Rezepten können von den Küchenmitarbeitern ausgetauscht werden – allerdings nicht beliebig: „Voraussetzung dafür ist, dass die Zutat Saison hat und ernährungsphysiologisch angemessen ist“, erklärt Edith Gätjen.
Warum Bio für Kinder?
Das Projekt Bio für Kinder ist Teil des Forschungs-Praxis-Verbundprojekts „How much is the dish?“, das unter Leitung von Prof. Dr. Tobias Gaugler von der TH Nürnberg (F. l.) steht und aus einer Kooperation von Tollwood und der Universität Greifswald hervorging. Es läuft seit September 2020 noch bis in den Herbst 2024. Grundlage bietet die Forschung von Tobias Gaugler: „Aktuell haben wir das Problem, dass die Preise unserer Lebensmittel die Folgekosten für Gesundheit, Umwelt und soziale Benachteiligung nicht einberechnen. Konventionelle Lebensmittel richten große Folgeschäden an, sind jedoch für den Verbraucher vorerst billig. Biologisch angebaute Lebensmittel sind teurer für den Verbraucher, aber sie belasten die Umwelt viel weniger. Diese Situation ist aus meiner Sicht ein Marktversagen.“
Ziel seiner Arbeit ist es, die wahren Kosten günstiger Lebensmittel sichtbar zu machen. Diese Kosten entstehen durch den Aufwand, mit dem z. B. Umweltschäden durch kurzsichtige Landwirtschaft behoben werden müssen, oder aus den gesellschaftlichen Kosten für eine Zunahme von Krankheiten. Hinzukommt, dass die Verpflegung in Tageseinrichtungen häufig nicht kindgerecht ist:
„In den Küchen arbeitet oft ungelerntes Personal, das keine Ausbildung in den gesundheitlichen Bedürfnissen von Kindern hat. Aber auch in der Ausbildung zum Koch kommt dieses Thema meistens viel zu kurz, weswegen es einfach an Wissen fehlt. Unser Biospeiseplaner bietet hier Orientierung.“
Edith Gätjen
Welche Folgen hat die Umstellung auf Bio-Zutaten?
Die viel gefürchtete Teuerung bei den Einkaufspreisen ist laut Daniela Schmid nicht zu fürchten, wenn sich eine Einrichtung an den Biospeiseplaner hält.
Sie berichtet: „Im Bio-Segment sind besonders Fleisch und Fisch deutlich teurer. Da für Kinder aber eine Fleisch- oder Fischmahlzeit pro Woche absolut ausreichend ist, verzichten wir in unseren Rezepten weitgehend darauf. Einmal wöchentlich wird eine Alternative mit Fleisch und Fisch angeboten, für die sich die Kinder entscheiden können. Ansonsten ist der Speiseplan vegetarisch und somit auch kaum teurer als eine konventionelle Verpflegung. Wenn alle Zutaten biologisch bezogen werden, sind weder neue Lagerräume noch besondere Kochvorrichtungen nötig. Deswegen haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass eine hundertprozentige Umrüstung auf Bio den Einrichtungen leichter fällt als ein Teilumstieg.“ Edith Gätjen ergänzt: „Eine ökologische Ernährung ist gleichzeitig auch gesünder und ökonomischer.“
30 Jahre Ernährungskompetenz
Gemeinsame Sache für gesundes, nachhaltiges Bio-Schulcatering machen Carola Petrone von Il Cielo und Nikita Stromberg von Organic Garden seit Ende 2022. Mehr zu der Kooperation lesen Sie im Beitrag Seite an Seite.
Quelle: B&L MedienGesellschaft