An 38 Schulen hat die Stadt Ulm Abfallmessungen vorgenommen. War eine Reduktion des Abfalls um zehn Prozent angestrebt, konnte die Stadt dieses Wunschergebnis sogar verdoppeln. Doch wie hat sie das gemacht?
Durchschnittlich 3.500 Kinder und Jugendliche nehmen an der Mittagsverpflegung an 38 Ulmer Schulen teil, wobei die Teilnahme zwischen den Wochentagen variiert. Und wo so viele Essen täglich auf den Tisch kommen, fällt auch das eine oder andere Gramm Abfall an: 140 Gramm genauer gesagt. Diesen Wert ermittelte die Stadt Ulm im November 2022 gemeinsam mit Green Guides zu Beginn der Zusammenarbeit. Von Seiten der Stadt Ulm habe der Wunsch nach einer Messung bestanden. Auf der Suche nach passenden Behältnissen zur Sammlung der Reste sowie geeigneten Waagen sei man dann auf Green Guides aufmerksam geworden.
Neben der engen Begleitung und dem Austausch mit den Projektverantwortlichen schätzt Sabrina Menzel, Leitung im Sachgebiet Ernährung der Stadt Ulm, auch die sehr detaillierten Ergebnisreports inkl. Auswertung der Ergebnisse und der Rücksprache bezüglich Möglichkeiten und Potenzialen zu Einsparungen.
Im Interview geben sowohl Sabrina Menzel (s. u.), Leitung im Sachgebiet Ernährung der Stadt Ulm, als auch Torsten von Borstel (s .u.), Geschäftsführender Gesellschafter von Green Guides, tiefere Einblicke in den Ablauf einer Abfallmessung durch Green Guides. Darüber hinaus gibt es weitere Informationen über erzielte Ergebnisse und Erfahrungen.
„Von allen 38 Schulen konnten wir aufgrund der validen Daten sehr konkrete Maßnahmen ableiten, die wir dann gemeinsam mit dem Team vor Ort umsetzten konnten.“
Torsten von Borstel (s. l.)
Green Guides‘ Strategie für Ulm
Herr von Borstel, wie sieht der Ablauf einer Zusammenarbeit mit Green Guides für potenzielle Schulen aus? Wie viel Zeit müssten diese für eine Abfallmessung einplanen?
Grundsätzlich betreuen wir die Schulen für einen längeren Zeitraum. Nach einer ersten Analyse vor Ort definieren wir gemeinsam mit der Küchenleitung die Messpunkte. Dabei schulen wir das Küchenteam vor Ort, sodass sie eine Speiseabfallmessung von ca. 4 Wochen selbstständig durchführen können. Der tägliche Aufwand beträgt ca. 15 Minuten pro Tag. Die Ergebnisse werden dann von uns digitalisiert und in Form eines Analyse-Reports ausgewertet. Danach erarbeiten wir gemeinsam mit dem Küchenteam mögliche Maßnahmen zur Reduzierung.
Dabei binden wir alle Schnittstellen (Schule, Stadt, Kommune, Caterer, Eltern, Schüler) mit ein, denn nur gemeinsam können die Maßnahmen innerhalb der Schnittstellen umgesetzt werden. Die Maßnahmen werden zeitnah umgesetzt und dokumentiert. Sobald sie sich verstetigt haben, wird eine 2. Abfallmessung vor Ort durchgeführt. Das Ergebnis zeigt auf, welche Maßnahmen greifen und zu einer Reduzierung geführt haben. In der Regel begleiten wir die Schulen ca. acht bis zwölf Monate. Dabei ist die Begleitung ganzheitlich, unser Fokus ist die Beratung in dem wir die Prozesse und Schnittstellen optimieren, unser Know-how in der Schulverpflegung beruht auf 15 Jahren Erfahrung.
Ab welcher Anzahl an Essensteilnehmern lohnt sich eine Abfallmessung überhaupt?
Aus ethischen und moralische Gründen lohnt es sich immer eine Speiseabfallmessung durchzuführen – gerade in kleinen Schulen oder Kitas ist das Einsparpotenzial am größten. Es geht aber nicht nur um die Speiseabfallmessung, wichtig sind daraus die Maßnahmen konkret abzuleiten und diese auch mit dem gesamten Team umzusetzen, ansonsten kann man sich den Aufwand sparen. Das Speiseabfallkonzept ist ganzheitlich angelegt. Speiseabfall messen – Maßnahmen ableiten und umsetzen, Kontrollmessung und Maßnahmen verstetigen.
„Überrascht von der Höhe des Ergebnisses waren wir. Dass eine Reduktion sichtbar wird, wurde erwartet bzw. erhofft, da viel Zeit und Ressourcen in das Entwickeln eines Maßnahmen-Portfolios sowie die standortspezifische Umsetzung von Maßnahmen und Sensibilisierung der Mitarbeitenden in den Mensen investiert wurde.“
Sabrina Menzel (s. l.)
Frau Menzel, wie kam die Zusammenarbeit mit Green Guides zustande? Welches Resümee ziehen Sie nach dieser?
Die Zusammenarbeit mit Green Guides kam zustande, da der Wunsch nach Durchführung [einer] Messung aufkam und nach passenden Behältnissen zur Sammlung der Reste sowie geeigneten Waagen gesucht wurde. Bei der Recherche und Anfrage nach Equipment an Green Guides kam das Angebot seitens Green Guides die Messung zu unterstützen und auszuwerten zustande.
Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, sie basiert auf einer engen Begleitung und dem Austausch mit den Projektverantwortlichen. Darüber hinaus gibt es sehr detaillierte Ergebnisreports und neben der Auswertung der Ergebnisse auch die Rücksprache bzgl. Möglichkeiten/Potenzial zur Einsparung. Am Ende steht das gemeinsame Erstellen eines Maßnahmen-Portfolios (auf Basis der Ergebnisse) zur Ableitung spezifischer Maßnahmen pro Standort auf dem Plan. Das ist ein sehr wirksames Instrument; zudem gibt es Lösungen mit möglichst niedrigschwelligen Zugang, sodass eine Umsetzung an allen Standorten möglich ist.
Zu welchen Zeitpunkten haben die Abfallmessungen stattgefunden bzw. welcher Abstand lag dazwischen?
1. Messung: November 2022
2. Messung: Mai 2023
3. Messung: November/Dezember 2023
4. Messung: Mai/Juni 2024
Welche Produkte/Abfälle landeten vorwiegend im Müll?
Die einzelnen Speisekomponenten wurden nicht getrennt erfasst, daher ist eine genaue Aussage nicht möglich. Tendenziell kann man sagen, dass häufiger Gemüse- und Fischkomponenten in größeren Mengen im Abfall landeten, als andere Komponenten.
Wie haben Sie die Küchenmitarbeiter bei diesem Projekt mitgenommen?
Vor der ersten Messung wurde eine Schulung der Mitarbeitenden durchgeführt. Einerseits zur genauen Erläuterung des Messvorgangs (welche Abfälle in welchen Behälter, Funktionsweise Waage, Eintragen der Ergebnisse in die Messformulare, Versenden der ausgefüllten Formulare an unsere Zentrale), anderseits zur Sensibilisierung hinsichtlich des Themas Speiseabfall/Lebensmittelverschwendung/Nachhaltigkeit.
Nach der Messung und Auswertung wurden die Ergebnisse an die Mitarbeitenden der einzelnen Standorte kommuniziert und besprochen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Abfallmengen spezifisch an diesem Standort zu reduzieren. Zur Auszeichnung durch die KAHV wurden ebenfalls alle Mitarbeitende eingeladen, sodass Herr von Borstel die Urkunden persönlich überreichen konnte. Denn ohne den Einsatz und das Engagement unserer Mitarbeitenden vor Ort in den Küchen, ist die Durchführung der Abfallmessungen nicht möglich.
Herr von Borstel, gab es für Sie bei dem Projekt mit der Stadt Ulm eine neue, unerwartete Erkenntnis?
Wir haben für die Stadt Ulm ein Speiseabfallkonzept entwickelt, wo wir in allen 38 Schulen gleichzeitig eine Speiseabfallmessung durchführen konnten. Die Abfallmessung wurde vor Ort von dem Küchenteam durchgeführt. Von allen 38 Schulen konnten wir aufgrund der validen Daten sehr konkrete Maßnahmen ableiten, die wir dann gemeinsam mit dem Team vor Ort umsetzten konnten. Interessant war die Clusterung der unterschiedlichen Ergebnisse:
- Verpflegungskonzept (Mischküche, Warmanlieferung, Cook & Chill)
- Eigenregie oder externe Caterer
- Unterscheidung nach Schulart (Kita, Grund und weiterführende Schulen)
Es zeigt deutliche Unterschiede in den einzelnen Prozessen. Aufgefallen war uns, dass die Speiseabfallmengen in den Eigenregiebetrieben der Stadt Ulm grundsätzlich geringer waren, als die von den externen Caterer.
Danke für das Gespräch!
Maßnahmen, die an den Schulen der Stadt Ulm zur Abfallreduktion beitragen
Es wurde ein Maßnahmenportfolio ausgearbeitet, da die Faktoren für das Entstehen der Abfallmengen sehr vielfältig/vielschichtig sowie verschiedene Akteure im gesamten Prozess beteiligt sind. Im Fokus der Maßnahmen stand überwiegend ein Verringern der Überproduktion. Hierfür wurden unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen:
- generelle Reduzierung der Puffermenge in Produktion bei Warmanlieferung (um ca. 5 % an allen Standorten);
- Abgleich der bestellten Essen vs. tatsächlich ausgegebenen/Ermittlung der exakten Essenszahlen;
- Sensibilisierung gesetzliche vertretende/pädagog. Personal bzgl. Abbestellung;
- Rücksprache mit Caterer bezüglich Bestellverfahren + gegebenenfalls Umstellung;
- Kommunikation zw. Caterer + Küchenpersonal stärken (Feedbackbögen hinsichtlich Zufriedenheit mit Essen und Portionsgrößen) bzw. Kommunikation zwischen Küchenpersonal und unserem Sachgebiet bzgl. der Speiseplangestaltung in den Mischküchen (regelmäßiges Feedback);
- Kommunikation zw. Küchenpersonal und Person, die für Essensbestellung verantwortlich ist stärken (Welche Komponenten werden gut gegessen, welche werden nicht so gut angenommen → standortspezifisch bestellen);
- Sensibilisierung für Just-in-Time-Produktion in Mischküchen;
- Sensibilisierung aller Mitarbeitenden bzgl. der Thematik „Food Waste“; Angst nehmen, dass Essen ausgeht/zu wenig da ist.
Stadt Ulm belegt ersten Platz
Die Kompetenzstelle Außer-Haus-Verpflegung (KAHV) hat die städtische Abteilung Bildung und Sport der Stadt Ulm für ihr Engagement bei der Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ausgezeichnet. Die erstmals vergebene Auszeichnung, gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), bescheinigt der Stadt Ulm einen „wertschätzenden und nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln“. Mehr lesen Sie an dieser Stelle.
Quelle: B&L MedienGesellschaft