Andreas Wagner Weingut
Quelle: Wagner

Andreas Wagner: Mord im Weingut

Dr. Andreas Wagner betreibt mit seinen zwei Brรผdern und weiteren Familienmitgliedern das rheinhessische Weingut Wagner in Essenheim. Deren Familie betreibt seit 300 Jahren Weinbau. In der jรผngeren Generation โ€žsind wir eine bunte und etwas kuriose Mischungโ€œ, wie Andreas Wagner sagt.

Sein Bruder Ulrich hat Industriekaufmann gelernt, bei einer Computerfirma im Rhein-Main-Gebiet gearbeitet und in Geisenheim Weinbau studiert und dann als Weinbau-Ingenieur in Kalifornien und Sรผdafrika gearbeitet sowie am Kaiserstuhl. Christian Wagner ist Naturwissenschaftler und hat Geologie und Mineralogie studiert, seine Frau ist Biologin. Die beiden haben dazu eine Weinbau-Ausbildung in Oppenheim absolviert. Andreas Wagner hat Geschichte, Politik und Tschechisch in Leipzig und Prag studiert. An der Uni Leipzig hat er als Historiker gearbeitet und seine Doktorarbeit รผber den Aufstieg des Nationalsozialismus geschrieben. SchlieรŸlich beschloss er mit seiner Frau, die Journalistin ist, dass es schรถn wรคre, mit seinen Brรผdern das Weingut gemeinsam zu betreiben und es etwas anders zu entwickeln, als es die Generationen davor gemacht haben. Alle wohnen zusammen mit zehn Kindern auf dem Weingut. Auch die Elterngeneration ist noch mit dabei.

Seit einigen Jahren schreibt Andreas Wagner aber auch Bรผcher, die sich rund um Wein drehen. Wir haben ihn zu seinem Faible fรผr Wein-Krimis befragt.

Herr Wagner, wie sind Sie als Winzer zum Krimi-Schreiben gekommen?

Ich habe eine Zeit lang an der Mainzer Uni unterrichtet und habe die Wintermonate immer fรผr das historische Forschen genutzt. Aus einer Schnapsidee heraus ist im Winter 2006/2007 die Lust und Laune entstanden, statt nur Fachbรผcher mal was Fiktives zu schreiben. Daraus ist der erste Kriminalroman entstanden. Dieser war so erfolgreich, dass danach fast im Jahresrhythmus ein Kriminalroman folgte.

Dazu kommen Bรผcher wie โ€žDer Galgenbuschโ€œ, eine historische, skurrile und etwas bรถsartige Geschichte รผber das Landleben und die Landeier. โ€žDie Prรคparatorinโ€œ spielt in Afrika, hat aber nichts mit Wein zu tun.

Sie sind Historiker. Warum haben Sie keine historischen Krimis geschrieben?

Eine historische Ebene haben viele meiner Kriminalromane. Denn ich versuche, das Heute aus dem Gestern zu erklรคren, um dann das zu verstehen, was vielleicht in der Zukunft passiert. Es sind Romane, die die Vergangenheit aufgreifen, um heutige Konfliktlagen beim Wein deutlich zu machen. Der erste Krimi mit Kurt-Otto Hattemer handelt von der Flurbereinigung und um Gebietsreformen, im neuesten Krimi mit ihm geht es um Euthanasieverbrechen im Dritten Reich, die bis heute nachwirken. Man hat sich dabei an Land bereichert, indem man den Eigentรผmer in einer Euthanasie Anstalt ermordet hat. Dieser Fall ist eine Akte, die aus meinem erweiterten Familienumfeld stammt: Es ging um eine benachteiligte, รคltere Dame, die kurz vor Kriegsende bewusst in eine Tรถtungsanstalt eingewiesen wurde, um sich an ihren Lรคndereien zu bereichern.
Kurt-Otto Hattemer ist 65 und kann somit auf viel Erfahrung im Winzerdasein zurรผckblicken. So kann ich die Weinbau-Entwicklung und -Geschichte der letzten 100 Jahre super abbilden, also Tendenzen sowie Geschmacks- oder Strukturwandel im Weinbau.

Wir haben ja heute einen quasi rosa gefรคrbten Blick auf den deutschen Wein. Viele vergessen, dass wir aus einer Zeit mit dem Tiefpunkt Glykolskandal in den 80ern kommen und รผberhaupt seit 1945 ein Rรผckschritt in allen Belangen. Wir sind jetzt wieder auf einem Hรถhepunkt, wo alles wie um 1900 golden glรคnzt. Es ist faszinierend diese Parallelen zu sehen. Durch Gesprรคche mit รคlteren Winzerkollegen und durch das eigene Winzerarchiv kriege ich viel Input.

Woher holen Sie sich die Inspiration fรผr Ihre Bรผcher?

Ganz stark aus dem tรคglichen Arbeiten im Weinbaubetrieb. Ohne das Winzerdasein kรถnnte ich die Krimis so nicht schreiben. Ganz viel, was in den Bรผchern passiert, ist aus dem Blickwinkel derer geschrieben, die sich Tag fรผr Tag im Weinberg plagen und im Keller arbeiten. Wรคhrend der Weinlese stehe ich dort vier Wochen am Stรผck mit der Schere in der Hand. Viele Ideen kommen mir also dort oder im Keller. Das ist eine unglaublich produktive geistige Zeit, wo man den Stress der Weinlese ausblenden kann und ich mir รผberlege, worum es im nรคchsten Buch gehen soll.

Die Ideen fรผr Mord und Totschlag kommen durch ganz viele Leute aus meiner Umgebung. Wenn man den 15. Roman geschrieben hat, hat man so ein Stab von lieben Menschen vom Fach um einen herum โ€“ zum Beispiel ein Kripo-Kommissar aus Mainz, ein Pathologe aus Regensburg und ein Forensiker. So kann ich alles kriminaltechnisch solide und fundiert abbilden.

Dazu kommt die Beschreibung der Winzertรคtigkeit im Weinberg oder der unterschiedlichen Weintypen โ€“ vom griesgrรคmigen alten Winzer, der dem Nachbarn nichts gรถnnt, bis zu den Jungen, die mit Kollegen zusammenarbeiten und neue Ideen entwickelt. Bewusst stelle ich natรผrlich keine echten Kollegen dar. Ich mรถchte ja auch nicht von jemandem sonderbar dargestellt werden oder durch den Kakao gezogen werden. Das passt nicht in einen fiktiven Roman. Da hat man als Autor eigentlich so viel Phantasie, dass man das nicht braucht.

Wรผrden Sie Ihre Bรผcher als Regional-Krimis einstufen?

Wenn ich das Thema Wein bespiele, liegt es fรผr mich nahe, die Krimis in unsrer Region anzusiedeln, weil ich mich da am besten auskenne. Aber ich habe das nie mit der Absicht geschrieben, Regionales eins-zu-eins wiederzugeben, es ist zweitrangig. Das merke ich, wenn ich auf Krimilesung in Hamburg oder in Berlin unterwegs bin. Im Publikum sitzen dann Leute vom Dorf, die nach der Lesung bestรคtigen: das ist ja wie bei uns zuhause. Da merke ich, dass ich nicht โ€žregionalโ€œ bin, sondern mit Typen spiele โ€“ mit typischen Dorftypen, die jeder kennt, der auf dem Dorf wohnt.

Beim Wein muss man in einer Weinbauregion bleiben. Aber ich versuche, dass man nicht gleich jede StraรŸe oder jedes Gehรถft erkennt, und dass so keine Regionalkrimi-Detailversessenheit dabei rauskommt. Was ich beschreibe, kรถnnte also auch an der Mosel oder in der Pfalz passiert sein.

Hatten Sie wรคhrend der Pandemie nun besonders viel Zeit zu schreiben?

Vom Arbeiten im Weinberg hat sich nichts geรคndert, auรŸer dass wir ein Hygienekonzept eingehalten haben. Deswegen habe ich im รผblichen Rhythmus an einem Buch geschrieben.

Wo ich ein bisschen Zeit gewonnen habe war der Ausfall meiner Lesungen. Ich habe sonst 70 bis 90 Lesungen pro Jahr gemacht. Es ist zwar schรถn, viele Abende zuhause mit der Familie zu genieรŸen, aber Rรผckmeldung ist in der Literatur etwas unheimlich Wichtiges. Der Kontakt mit den Lesern, diese 50 bis 100 Interessierte, denen man ein Kapitel vorliest und mit denen man ins Gesprรคch kommt, fehlen mir als Autor schon sehr.

Wir waren ja auch mit Wein-Online-Tastings gut beschรคftigt. Gerade in der Vorweihnachtszeit haben wir viele Weinproben durchgefรผhrt, zum Teil zwei oder drei gleichzeitig. Das war fรผr viele Unternehmen eine Art Ersatz fรผr eine Weihnachtsfeier. Diese Tastings werden wir vermutlich auch nach der Pandemie beibehalten.

Vielen Dank fรผr das Gesprรคch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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