Potenzial pflanzenbasierter Ernährung bei Demenz: Welchen Einfluss haben verschiedene Lebensmittel auf das Risiko, an Demenz zu erkranken? Dr. Christian Keßler vom Immanuel Albertinen Krankenhaus in Berlin im Interview dazu.
Quelle: B&L MedienGesellschaft

Einfluss von pflanzenbasierter Ernährung bei Demenz

Pflanzenbetonte Ernährung und ihre Auswirkungen auf Demenz – diesem Thema widmet sich PD Dr. med. Christian Keßler, Oberarzt in der Abteilung Naturheilkunde des Immanuel Krankenhauses Berlin-Wannsee. Er weiß: „Etwa ein Drittel der Risikofaktoren für Demenz sind beeinflussbar.“ Welches Potenzial die pflanzliche Ernährung bei der Prävention von Demenz haben kann, hat er uns verraten.

Pflanzenbasierte Ernährung bei Demenz sinnvoll?

Während pflanzenbasierte Ernährung in der Gemeinschaftsgastronomie – vor allem bei der jüngeren Klientel – immer beliebter wird, steht vor allem die Frage nach der Akzeptanz vegetarischer und/oder veganer Gerichte bei älteren Essensteilnehmern im Raum. Wichtig sei Christian Keßler zufolge vor allem die adäquate Ansprache der älteren Generation: „75-jährige Männer, die sich selbst eher als ,Fleischpflanzen‘ betiteln würden, darf man nicht mit veganen ,Hipster-Gerichten‘ überfordern.“

Viele ältere Menschen seien sehr offen für Veränderung. „Man muss sie nur da abholen, wo sie stehen!“, nennt Christian Keßler einen essenziellen Punkt. Die Umstellung auf eine pflanzenbasierte Kost als Bestandteil der Demenz-Prävention muss als Prozess verstanden werden, einfach 80 Prozent der normalerweise verzehrten Lebensmittel von dem einen auf den anderen Tag vom Teller zu streichen, sei nicht zielführend.

Dr. med. Christian Keßler, Oberarzt, Abteilung für Naturheilkunde, Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee, spricht über das Potenzial pflanzenbasierter Ernährung bei Demenz.
(Quelle: Immanuel Albertinen Diakonie/Carolin Ubl)

„Pflanzliche Lebensmittel lassen sich viel schöner anrichten als tierische Gerichte. Stellen Sie sich nur einen wunderschönen, bunten Salat vor – das macht Lust aufs Essen. Aber leider lassen viele diesen Joker ziehen.“

Dr. med. Christian Keßler, Oberarzt, Abteilung für Naturheilkunde, Immanuel Krankenhaus Berlin-Wannsee

Vorwiegend pflanzlich, nicht vegan

Eine vollwertige, vorwiegend pflanzliche, abwechslungsreiche Ernährung – hin und wieder ergänzt um Fleisch und Fisch – sei oft das pragmatische Ziel. „Wir sprechen ja von einer pflanzenbasierten Ernährung, nicht von einer rein pflanzlichen. Niemand soll zum Veganismus konvertieren, das würde sich auch schwierig gestalten bei Personen, die sich ein Leben lang omnivor ernährt haben“, gibt Christian Keßler zu bedenken.

„Die Begrifflichkeit ,vegan‘ ist zudem bei dem einen oder anderen negativ konnotiert und wirkt oft abschreckend, gerade auf ältere Menschen“, weiß Christian Keßler. „Ein provenzalischer Linseneintopf überzeugt die Essensteilnehmer auch ohne den Hinweis, dass er vegan ist – der Vermerk ist oft auch einfach überflüssig. Warum etwas extra als vegan betiteln, obwohl das Gericht ohnehin und ,schon immer‘ rein pflanzlich zubereitet wurde?“, stellt er die Vorgehensweise in Frage.

Neuroprotektive Lebensmittel in Ernährung bei Demenz einbinden

Wie sieht dann aber das perfekte Gericht zur Demenz-Prävention aus? „Das eine Gericht gibt es nicht – die persönlichen Geschmacksvorlieben, der soziale und kulturelle Hintergrund und die jeweilige individuelle Lebenssituation der Menschen stehen hier an erster Stelle. Es sind also viele Variablen, die in ein individuelles ideales Gericht einfließen“, sagt Christian Keßler. Dennoch gibt es das eine oder andere, was bei der Zusammenstellung der Speisen generell bedacht werden sollte.

Folgende Lebensmittel sollten (ältere) Menschen bevorzugt in ihre Ernährung einbauen, um einer möglichen Erkrankung mit Demenz vorzubeugen:

  • Vollkorngetreide (Reis, Pasta, Brot)
  • Lebensmittel, die reich an sekundären Pflanzenstoffen sind, z. B. Blaubeeren, Brokkoli, grüne Blattgemüse wie Spinat und Pak Choi; Kartoffeln, Hülsenfrüchte
  • Lebensmittel mit ungesättigten Fettsäuren (Walnüsse, Leinsaat, hochwertige, kaltgepresste Pflanzenöle wie Olivenöl)
  • Gewürze und Kräuter, z. B. Koriander und Safran sowie Kurkuma
  • Getränke wie Kaffee und Grüner Tee
  • Darüber hinaus haben dem Arzt zufolge auch flavonoidhaltige Lebensmittel wie Kürbis und Süßkartoffeln sowie Pilze und Algen oder Pseudogetreide wie Quinoa und Amaranth neuroprotektives Potenzial.

Weniger förderlich sind hingegen Lebensmittel mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren, worunter u. a. tierische Produkte wie Sahne, Käse und Butter fallen, sowie hochverarbeitete und frittierte Produkte mit Transfetten wie Croissants oder Fastfood, verarbeitete Lebensmittel wie Wurst, Süßgetränke und auch Alkohol.

Demenz-Prävention per Ernährung

„Möglichst frisch, wenig verarbeitet, vollwertig, vielfältig-bunt und überwiegend pflanzlich – am besten in Bio-Qualität“, bringt Christian Keßler die „ideale“ Ernährungsweise für Demenz-Prävention auf den Punkt. Über einen Mangelzustand brauche sich bei einer solchen flexitarischen Ernährung auch nicht gesorgt werden, „dazu könnte es nur bei einer sehr konsequent veganen Ernährung kommen und das wäre dann bei einer Demenz auch sehr ungünstig“, erklärt er, in solchen Fällen sollten dann einmal im Jahr die sogenannten kritischen Nährstoffe, insbesondere Vitamin B12, im Blut kontrolliert werden.

Die flexitarische, pflanzenbasierte Ernährung, die er in der Demenz-Prävention aber empfiehlt, „ist jeder omnivoren Standardernährung in vielerlei Hinsicht überlegen“, betont er.

Wie die Akzeptanz pflanzenbasierter Ernährung bei Senioren steigern?

Allerdings reiche es nicht, älteren Menschen nur diese Informationen weiterzugeben – es braucht auch Unterstützung bei der (ersten) Umsetzung. Wer üblicherweise fünf Mal in der Woche Fleisch gegessen hat, der ändert seine Ernährungsweise dauerhaft nicht gleich in eine pflanzlichere Ernährung – „vor allem nicht, wenn er ein Gericht wie Linseneintopf zum ersten Mal kocht und dabei gewisse Tipps, wie die Hülsenfrüchte lange einzuweichen oder das Einweichwasser in der Zubereitung nicht zu verwenden, nicht berücksichtigt“, gibt Christian Keßler zu bedenken. Man müsse die Senioren in Form einer smarten Ernährungsberatung mit „bis an den Tisch nehmen“, damit keine Probleme z. B. hinsichtlich der Verträglichkeit von Lebensmitteln auftreten und die neue, pflanzlichere Ernährungsweise womöglich auf Ablehnung stoße.

Die Akzeptanz pflanzenbasierter Gerichte lässt sich zudem durch eine bunte Anrichteweise steigern – „das Auge isst schließlich mit“. Deshalb ist es in GV-Betrieben wichtig, auch das Küchenpersonal mitzunehmen, damit die einzelnen Gemüse optisch und geschmacklich ansprechend auf die Teller kommen. „Pflanzliche Lebensmittel lassen sich viel schöner anrichten als tierische Gerichte. Stellen Sie sich nur einen wunderschönen, bunten Salat mit Zutaten wie Blattsalat, Rote Bete, Linsen und Küchenkräutern vor. Das macht Lust aufs Essen“, nennt er ein Beispiel. „Aber leider lassen viele diesen Joker ziehen.“ Das Küchenpersonal sollte dahingehend – bei entsprechendem Bedarf – hinsichtlich der vegetarisch-veganen Küche weitergebildet werden. Seine Schlussfolgerung: „Auf diese Weise schaffen es GV-Betriebe, pflanzliche Lebensmittel immer wieder neu zu kombinieren und jeden Tag aufs Neue ein geschmackliches und optisches Feuerwerk zu zünden.“

info

Vegetarisch-vegane Frühlingsküche

Ergänzende Informationen rund um die Ernährung bei Demenz finden sich im Beitrag mit Dr. Christian Keßler in Ausgabe 4/2024 des GVMANAGER. Darin auch thematisiert: die vegetarisch-vegane Frühlingsküche, zu der Oecotrophologin Kirsten Reichardt von der FH Münster, Tipps zur Umsetzung parat hat.

Quelle: B&L MedienGesellschaft

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