Fleischersatzprodukte in der Gastronomie können das sein, was Tesla in der Automobilindustrie ist: Auslöser und Anführer eines unaufhaltsamen Wandels, in unserem Fall hin zu einer pflanzenbetonten Ernährung.
Man muss Elon Musk nicht mögen, um von ihm zu lernen. Tesla hat es geschafft, eine Revolution in der Automobilindustrie anzustoßen, indem es Elektroautos nicht nur als die umweltfreundliche Wahl, sondern vor allem als Statussymbol präsentierte. Erst dank Tesla wurden Elektrofahrzeuge nicht als Kompromiss, sondern als begehrenswerte, leistungsstarke und technologisch fortschrittliche Alternativen zu herkömmlichen Autos wahrgenommen.
Gäste von der Idee einer nachhaltigen, pflanzenbasierten Ernährung überzeugen
Dank immer besser werdenden Fleischersatzprodukten könnte die pflanzenbasierte Ernährung nicht mehr als Kompromiss, sondern als begehrenswert und statusspendend empfunden werden. Innovation und Qualität haben eine hohe Anziehungskraft. Doch das ist nicht alles, was uns Tesla gezeigt hat. Durch seine Positionierung ist es Tesla gelungen, sowohl umweltbewusste als auch statusorientierte Kunden anzusprechen. Der neue Cybertruck in den USA spricht sogar eine Zielgruppe an, für die nach meinem Verständnis Umwelt- und Klimaschutz keine besondere Rolle spielen. Sollte sich der Cybertruck in den USA durchsetzen, würde es eine Kategorie ökologischer gestalten, die für viele die Antithese von Umweltfreundlichkeit ist. Teslas Coup: Menschen kaufen die ökologischere Variante ohne Interesse an Ökologie.
Das bringt uns zurück zur Gastronomie. Die meisten Restaurants haben vielfältige Gäste. Auf der einen Seite gibt es die bewussten Gäste, die Wert auf Nachhaltigkeit, Ethik und Gesundheit legen. Auf der anderen Seite stehen die Gäste, für die kulinarischer Genuss und sozialer Status die Hauptrolle spielen. Zwischen diesen beiden Polen befinden sich Gäste, die offen für neue kulinarische Erlebnisse sind, aber noch nicht vollständig von der Idee einer nachhaltigen, pflanzenbasierten Ernährung überzeugt sind. Für die meisten Restaurants ist es eine Herausforderung, all diese Gäste mitzunehmen.
Mit Fleischersatzprodukten vertraute Speisen nachhaltig umsetzen
Die Vegan Junk Food Bar zieht Gäste mit ihrem instagramtauglichen Interieur und buntem, ansprechendem Fun-Food an, während sie Nachhaltigkeit spielerisch in ihre Markenidentität einwebt. Die Gen-Z-Zielgruppe ist begeistert. Der Systemkette ist es gelungen, den Fokus auf außergewöhnlichen Geschmack zu legen, vertraute Speisen nachhaltig umzusetzen und extravagant zu präsentieren und dazu eine visuell unheimlich laute Geschichte zu erzählen, die Lifestyle und Bewusstsein vereint.
In Ihrem Restaurant könnten zahlreiche Maßnahmen zusammenspielen: Sie können pflanzenbasierte Alternativen subtil in bekannte Gerichte integrieren, sodass der Übergang für die Gäste weniger einschüchternd ist. Beispielsweise kann ein traditionelles Pasta-Gericht mit einer pflanzlichen Bolognese-Sauce auf der Speisekarte stehen. Während ungewöhnliche Speisenpräsentationen und ansprechende visuelle Darstellungen die Neugier wecken, können Sie im Storytelling die Vielfalt des Geschmacks von Speisen mit pflanzenbasierten Ersatzprodukten hervorheben. Mit einem offenen Dialog und dem Einholen von Feedback demonstrieren Sie Wertschätzung.
Politische Regelungen fehlen
Zugegebenermaßen wäre alles viel leichter, würde die Politik mitspielen. Das Rauchverbot in öffentlichen Räumen, die Anschnallpflicht im Auto sowie Recycling und Mülltrennung wurden durch politische Regelungen massenwirksam: Erst durch einen politischen Eingriff fand gesellschaftlich ein Umdenken statt. Ob sich das Warten lohnt, müssen Sie selbst einschätzen. Sie können sich aber auch bewusst machen, was Sie neben wirtschaftlichem Erfolg noch wollen – und es selbst in die Hand nehmen. Eine 2022er Studie der Boston Consulting Group unterstreicht, dass sich Investitionen in Fleischersatzprodukte auf pflanzlicher Basis am besten für den Klimaschutz auswirken und diese die effizienteste Form von Emissionsreduktion darstellen. Als öffentlich wirksame Orte können Restaurants in der Ernährungswende eine wichtige Rolle spielen.
Fleischersatzprodukte? Ein veganes Angebot geht auch ohne…
Ersatzprodukte sind nicht zwingend für ein veganes Angebot erforderlich, wie u. a. das Restaurant Frea in Berlin beweist, doch sie bieten eine Brücke zu einer pflanzenbetonten Ernährung und können vertraute Geschmackswelten eröffnen. Auch für die meisten Veganer sind Ersatzprodukte interessant – schließlich wählten sie den pflanzlichen Weg aus ethischen, ökologischen oder gesundheitlichen Gründen, nicht wegen des Geschmacks. Natürlich gibt es weiterhin viele Menschen, die Fleischersatzprodukte aus Prinzip ablehnen.
Die ökologische und ethische Schieflage, in der wir uns befinden, lässt jedoch vermuten, dass in der Zukunft die pflanzliche Ernährungsweise die Norm sein könnte. Rückblickend dürfte man sich wundern, warum die Skepsis gegenüber Ersatzprodukten, die geringfügig von der gewohnten Erfahrung abweichen, schwerer wog als ökologische und ethische Bedenken. Wie Tesla verdeutlicht, kann der Mut, neue Wege zu beschreiten, weitreichende Veränderungen bewirken – er kann nicht nur eine Branche transformieren, sondern auch gesellschaftliche Wertvorstellungen neu formen. In der Gastronomie können auf diesem neuen Pfad pflanzliche Ersatzprodukte die Schlüsselrolle spielen.
Balázs Tarsoly
Der Gründer und Geschäftsführer der auf Food und Nachhaltigkeit spezialisierten Kreativ-Agentur Branding Cuisine bringt über 15 Jahre Erfahrung in der Markenentwicklung im Bereich der Systemgastronomie mit. Mit seiner Agentur ist er Veranstalter des WeltverbEsserer-Wettbewerbs für nachhaltige Foodund Gastro-Konzepte und Autor des Buches „CO2lution – Gemeinsam.Klima wandeln. Jetzt.“
Quelle: Balázs Tarsoly/24 Stunden Gastlichkeit