Den Geschmack der Verbraucherinnen und Verbraucher zu treffen, war schon immer eine komplexe Aufgabe für die Lebensmittelindustrie und die Gastronomie. Mit dem sich wandelnden Ernährungs- und Essverhalten und dem aufkommenden Plantarismus, einer stärkeren Ausrichtung auf pflanzliche Ernährung, erlebt die Sensorik eine bedeutende Revolution, die das Spannungsfeld zwischen Sensorik und Genuss neu definiert. Das Forschungs- und Entwicklungsinstitut food & more in Kaarst von der international anerkannten Trendforscherin Karin Tischer präsentiert im Auftrag der Internorga detaillierte Erkenntnisse, die Relevanz für die Außer-Haus-Markt-Branche haben.
Sensorische Revolution durch Plantarismus
Die zunehmende Verbreitung pflanzlicher Ernährungsformen einschließlich Veganismus, Vegetarismus und Flexitarismus führt dazu, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher den traditionellen Geschmack von tierischen Produkten entweder schon lange nicht mehr oder sogar noch nie gekostet haben. Diese Veränderung markiert eine stille Revolution des Geschmackssinns, da herkömmliche Referenzwerte schwinden. Die Vielfalt pflanzenbasierter Ernährungsformen und die Alternativprodukte zu Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten nehmen stetig zu und prägen die sensorische Wahrnehmung der Gesellschaft auf eine komplexe Weise.
Dieser Prozess birgt viele Herausforderungen für die herstellende Industrie: Die Qualität von pflanzlichen Alternativen variiert stark. Das Ziel der Hersteller ist es, Proteinalternativen so zu entwickeln, dass sie sensorisch und geschmacklich nicht mehr vom Original zu unterscheiden sind. Dies würde es Verbrauchenden und Gästen ermöglichen, sich ohne sensorische Kompromisse für eine vegane, vegetarische oder tierische Option zu entscheiden.
Bequem & easy: mini, to drink & to go
Die sich verändernde Bequemlichkeit der Verbrauchenden hat zu einem Trend hin zu Mini-Portionen, soften Broten und gesunden Drinks geführt. Alles sind Speisen, die einfach und schnell gegessen werden können, ohne abzubeißen oder viel zu kauen. Neue Trinkrituale haben sich entwickelt: In die Trinkflasche kommt die Mahlzeit-to-go. Unternehmen wie GoNOSH setzen hier neue Maßstäbe, indem sie tiefgefrorenes Obst und Gemüse mit getrocknetem Müsli kombinieren, um vollwertige Mahlzeiten-Drinks zu schaffen.
Geschmacksneuheiten
Schärfe ist in vielen Länderküchen gesetzt und gehört dazu. Nicht so in Deutschland. Aber inzwischen ist auch hier eine Entwicklung hin zu mehr Schärfe zu beobachten, insbesondere in Kombination mit Süße. Schärfe bekommt so einen neuen Twist und eröffnet neue kulinarische Möglichkeiten, wie süß-scharfe Soßen, Chutneys und Relishes, die in verschiedenen Gerichten wie Burgern, Hotdogs und Wraps Verwendung finden. Beispiele sind süß-scharfe Kreationen wie Gochujang-Mayo, Ananas-Kimchi, Dattel-Harissa-Tahini, Tomatillo-Guacamole, Yuzu-Wasabi, Cheddar-Cranberry-Cream, Apfel-Kren, Mango-Senf oder Chipotle-Salsa. Dem Trend „Swicy“, wie er in Australien genannt wird und der ein Wortspiel aus „sweet“ und „spicy“ ist, folgt auch die bekannte Chili-Schokolade, deren Fangemeinde zunehmend wächst.
Umami steht für das ultimative Geschmackserlebnis und verleiht insbesondere der pflanzenbasierten Küche den entscheidenden Kick. Bei der Zubereitung von veganen und vegetarischen Gerichten ist ein verstärkter Fokus auf umamireiche Zutaten wie Pilze (vor allem fermentierte), Seegras und Meeresalgen, Hülsenfrüchte und Microgreens zu beobachten.
Reduced Food & Beverage
Der Trend zur Gesundheitsoptimierung durch die Reduzierung oder den Verzicht von Zucker, Salz und Alkohol, insbesondere von der Generation Z angetrieben, prägt die moderne Ernährung. Dieser „NoLo“-Ansatz (z. B. no alcohol, low alcohol) hat Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Getränkeindustrie und ebenso Gastronomie.
Genuss „High Level“
Das Streben nach einem herausragenden Genusserlebnis auf „High Level“ hat zu gesteigerten Ansprüchen der Gäste geführt und zu innovativen Entwicklungen in der gastronomischen Landschaft inspiriert. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Verlagerung von Dry Aged Beef zu Dry Aged Fish, welcher ein intensives Geschmackserlebnis bietet. Restaurants wie das Jing Jing in Hamburg, bekannt für Dry Aged Hamachi (japanische Gelbschwanzmakrele), das Rosso in Linz mit Dry Aged Kingfish (Königsdorsch) und das Rutz in Berlin, das mit Dry Aged Karpfen und dessen Rogen begeistert, setzen neue Maßstäbe für anspruchsvolle Gaumen und prägen eine Ära der kulinarischen Innovation.
Bedeutung und Learnings für den Außer-Haus-Markt
Im Außer-Haus-Markt wird die Bedeutung der Sensorik, insbesondere des Geschmackssinns, für die Gastronomie zunehmend elementar. Die traditionell komplexe Aufgabe, den Geschmack der Gäste zu treffen, wird durch veränderte Ernährungsgewohnheiten und neue Trends weiter verschärft. Die stille Revolution der Sensorik, hervorgerufen durch den Plantarismus und verstärkte pflanzenorientierte Ernährung, erzeugt ein neues Level der Herausforderung im Spannungsfeld zwischen Sensorik und Genuss.
Diese Entwicklung wird durch junge Gäste, insbesondere die Generation Z, zusätzlich komplexer gemacht. Die Tendenz zur Reduzierung oder dem Verzicht auf Zucker, Salz und Alkohol treibt diese Entwicklung voran. In diesem Umfeld können Anbieter im Außer-Haus-Markt ihre Gäste erfolgreich ansprechen, indem sie ein vielfältiges, passendes Angebot bieten. Dies schließt das wachsende Spektrum an pflanzlichen und Protein-Alternativen ein, seien es Convenience oder frisch zubereitete Produkte. Die Nutzung verschiedener Möglichkeiten der Geschmacksintensivierung wie zum Beispiel leichte Schärfe, die Kombination von sweet und spicy (Swicy), Umami-Kicks, die Verwendung von fermentierten Zutaten und einem „High-Level“-Genuss, beispielsweise durch Dry Aged Fish, sind Schlüsselkomponenten, um den wachsenden Ansprüchen der Gäste gerecht zu werden.
Fazit: Die Zukunft der Sensorik und des Geschmacks
Die sensorische Revolution durch den Plantarismus stellt die Lebensmittelindustrie und Gastronomie vor neue Herausforderungen und Chancen. Unternehmen, die sich diesen Entwicklungen anpassen und innovative, geschmackvolle Lösungen bieten, werden in der sich wandelnden Landschaft des Genusses erfolgreich sein. Es ist an der Zeit, die stille Revolution des Geschmacks zu verstehen und aktiv mitzugestalten, um eine neue Ära der Sensorik und des Geschmacks einzuleiten.
Über die Autorin:
Karin Tischer, die international anerkannte Food-Trendforscherin und Gründerin des Forschungs- und Entwicklungsinstituts food & more in Kaarst, erarbeitet im Auftrag der INTERNORGA die jährlich wiederkehrende Trendanalyse für den Außer-Haus-Markt INTERNORGA FoodZoom. Diese liefert einen spannenden Überblick über die Food- & Beverage-Trends, die die Branche bewegen. food & more entwickelt seit 27 Jahren Konzepte, Innovationen und Rezepturen für Industrie, Außer-Haus-Markt (von großen Systemen bis Start-ups), B2B-Anbieter und Handel und ist weltweit in der Trendforschung tätig.
FoodZoom 2.0: Countdown Nachhaltigkeit
Im zweiten Teil der FoodZoom 2.0-Serie spricht Karin Tischer über die Bedeutung von Nachhaltigkeit für die wirtschaftliche Zukunft von Unternehmen. Hier gehs zum Beitrag.
Quelle: Hamburg Messe und Congress