Seit Jahrtausenden träumt die Menschheit von ewiger Jugend – die Konsumgesellschaft hat daraus längst ein Geschäft gemacht. „Forever young“ wird seit über 100 Jahren verkauft. Jetzt erreicht der Longevity-Trend auch die Gastronomie.
Quelle: ChatGPT/Dall-E

Ego sells: Wie Longevity die Gastronomie erobert

Seit Jahrtausenden träumt die Menschheit von ewiger Jugend – die Konsumgesellschaft hat daraus längst ein Geschäft gemacht. „Forever young“ wird seit über 100 Jahren verkauft. Jetzt erreicht der Longevity-Trend auch die Gastronomie.

Vom Mythos zur Menükarte: Longevity wird kulinarisch

Longevity ist nichts anderes als ein attraktives Wort für Gesunderhaltung*. Es bedeutet, möglichst jung alt zu werden: geistig klar und körperlich fit zu bleiben, Krankheiten vorzubeugen. Longevity setzt auf frische, qualitativ hochwertige, überwiegend pflanzliche Zutaten mit ausgewählten Eiweißquellen. Studien zeigen Zusammenhänge zwischen pflanzenbetonter Ernährung und längerer gesund erlebter Lebenszeit. Neu ist das nicht: Blue Zones demonstrieren seit Jahrzehnten, dass eine mediterran geprägte Ernährung mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, gesunden Fetten und wenig Milch- und Fleischprodukten das Leben offenbar verlängert. Longevity „entdeckt“ alte Ernährungsweisen neu – und verkauft sie unter neuem Label. Dabei dient die Funktionalität einzelner Zutaten und ihre zielführende Kombination, ergänzt um Supplements, als Werkzeugkasten, um Longevity zu erreichen. Spannend dabei: Während „free-from“ ungewollt zu Verzichtassoziationen führt, geht es bei Longevity um das Hinzufügen von Inhaltsstoffen mit Mehrwert.

Chance für die Gastronomie

Bekannt aus der Nachhaltigkeitsdebatte: die Attitude-Behavior-Gap. Ich will ja, aber… diese Gewohnheiten! Dieser Aufwand! Viele wollen ihr Leben gesünder gestalten, wenige- handeln. Die Gastronomie kann daher einen echten Mehrwert liefern: Hier arbeiten Menschen, die ihr Handwerk beherrschen und funktionale Menüs so zubereiten können, dass sie schmecken und einfach zugänglich sind. Sehnsucht trifft Lösung.

Informierte Gäste sind Menschen mit individuellen Wünschen. Die Kombi „Genuss plus Wirkung” gelingt mit einem flexiblen Angebot. Longevity-Konzepte müssen gut durchdacht sein, damit sich erforderliche Individualisierung und notwendige Standardisierung nicht gegenseitig aushebeln.

Ein echtes Longevity-Konzept bedarf einer Anamnese (individuelle Bedürfnisse)-, Messbarkeit (Dokumentation des Fortschritts) und Kontinuität (Mehrwert für den Gast – Loyalität zur Marke). Das gelingt dort, wo Menschen über längere Zeiträume oder regelmäßig versorgt werden. Hotels und Retreats mit anspruchsvoller Gastronomie können Kuren, Messungen und Nachbetreuung bieten. In der Gemeinschaftsverpflegung sind aufgrund der regelmäßigen Wiederholung Individualisierung und Tracking möglich. Das bedeutet nicht, dass Individual- und Systemgastronomie nicht vom Trend profitieren können. Sie sollten nur aufpassen, was sie versprechen. Kurzfristige Benefits – Energie, Fokus, leichter Genuss – sollten im Vordergrund stehen, auch wenn das Angebot implizit Longevity unterstützen kann.

Wie sage ich es richtig?

Wer kurzfristigen und langfristigen Nutzen vermitteln kann, ist im Vorteil. Genuss, der Müdigkeit vertreibt UND gut für Darm oder Herz ist, ist schwer zu toppen. Doch Vorsicht: Wer zu viel verspricht, gerät schnell in die rechtlich heikle Zone der EU-Health-Claims-Verordnung. Keine medizinischen Wirkversprechen! Was funktioniert, sind klare Botschaften, die wissenschaftlich belegbar sind und die Gäste ernst nehmen. Funktionalität darf und sollte etwas kosten, solange Qualität und Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen. Und denken Sie an das differenzierende Potenzial einer Speisekarte, die Ihren Gästen die Benefits der Speisen mit Auszeichnungen einfach und plakativ vermittelt. Um viele Gäste zu erreichen, sollte Ihr Angebot einfach, praktisch und niederschwellig sein. Verständliche Namen, bekannte Zutaten, unkomplizierte Zubereitung. Und: Erinnern Sie ältere Gäste nicht daran, dass sie alt sind.

Wie immer gilt: Menschen gehen in -Restaurants, um ein Erlebnis zu haben. Wenn Longevity-Angebote diese Unbeschwertheit bereichern statt zerstören, dann hat die Gastronomie einen echten USP.

Vertrauen in den Weg

Erst kam Vegan. Vegan steht für Tierschutz, Klima, Umwelt – und Gesundheit. Für viele offenbar zu altruistisch. Dann kam die Planetary Health Diet. Genial, weil sie Gesundheit und Planet in Balance bringt. Ist sie immer noch zu viel Weltrettung – trotz unserer Sehnsucht nach einem guten Gewissen? Longevity dagegen ist Ego pur. Deshalb funktioniert‘s.


Grund für Resignation für diejenigen, die es mit Nachhaltigkeit ernst meinen? Nein. Wer sich aus Eitelkeit, Angst oder Ehrgeiz für Bohnen, Vollkorn und Gemüse entscheidet, isst automatisch klima- und tierfreundlicher. Longevity kann so zum Trojanischen Pferd werden: über das Ego führt der Weg zu einer nachhaltigeren Ernährung. Und: Eine bewusste Ernährung verändert uns. Sie führt zu einer tieferen Auseinandersetzung mit großen Fragen: Klimakipppunkte, Artensterben oder Massentierhaltung. Wer einmal beginnt, bleibt selten an der Oberfläche. Das zeigen die vielen engagierten Menschen und gastronomischen Konzepte, die konsequent nachhaltig sind. 

Wir werden täglich mehr. Nutzen wir die uralte Sehnsucht nach ewigem Leben, um einen lebenswerten Planeten zu erhalten. Ego sells. Und Langlebigkeit ohne den Planeten ergibt keinen Sinn.


*Longevity macht Gesunderhaltung sexy. Wenn Sie ein attraktiveres Wort für Nachhaltigkeit finden, schreiben Sie bitte an [email protected].

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Balázs Tarsoly

ist Geschäftsführer von Branding Cuisine, Restaurantmarken-Experte und Autor der Bücher „Zukunftsküche – Nachhaltigkeit als Erfolgsrezept für die Gastronomie“ und „CO2lution – Gemeinsam. Klima wandeln. Jetzt.“ Als Kreativer sieht er sich in der Verantwortung, sein Designerdenken und Verständnis für Food, Branding und Nachhaltigkeit einzusetzen, um den Wandel hin zu einer enkeltauglichen Ernährungswirtschaft mitzugestalten und voranzutreiben.

Noch mehr Branchen-Know-how finden Sie in der Ausgabe 5 des Gastronomie-Fachmagazins 24 Stunden Gastlichkeit.

Quelle: Balázs Tarsoly

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