Welche neuen Arbeitszeitmodelle helfen, das Gastgewerbe attraktiv zu machen? Die Studie Next Work gibt Antworten.
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Next Work in der Gastronomie

„Next Work“ in Form von Homeoffice, Jobsharing und Co-Working-Spaces – gibt es das auch bald für die Mitarbeiter der Gastronomie? Die gleichnamige Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) im Auftrag der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) ergab, dass der Einzug dieser Arbeitsmodelle unvermeidbar ist. Der Grund dafür ist der Mangel an Fachkräften, der sich bis 2030 in der Hospitality-Branche laut einer Prognose massiv verschärfen wird. „Heute haben wir keinen Arbeitgebermarkt mehr, wir haben einen Arbeitnehmermarkt“, sagt Dr. Marcel Klinge, Vorstandsvorsitzender der DZG und Initiator der Studie. Um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, sind laut ihm drei Faktoren ausschlaggebend: ein gutes Gehalt, abwechslungsreiche Tätigkeiten und die Möglichkeit, flexibel zu arbeiten.

Die Lücke wird zum Loch: Arbeitskräftemangel in Zahlen

Wie groß die Lücke sein wird, die sich bei den Arbeitskräften in der Gast- und Beherbergungsbranche auftun wird, zeigt Prof. Dr.-Ing. Vanessa Borkmann, Leiterin Team Smart Urban Environments am Fraunhofer IAO, anhand von Zahlen: „In der Branche gibt es in Deutschland 5,8 Mio. Erwerbstätige. 48 Prozent davon arbeiten nur in Teilzeit, weil sie keine Betreuung für Kinder oder ältere Angehörige finden, bzw. weil es keine passende Stelle für sie gibt.“ Dazu kommt eine hohe Fluktuation von 68 Prozent der Arbeitskräfte. Zum Vergleich: Normal ist in Deutschland eine Fluktuation von 16 Prozent. Durch den häufigen Stellenwechsel kommen im Durchschnitt jährlich Mehrkosten von 48.500 Euro auf jedes Restaurant zu – das entspricht sechs Prozent des durchschnittlichen Umsatzes. Schuld an der instabilen Lage ist oft die Unzufriedenheit der Mitarbeiter, die viele Überstunden anhäufen und körperlich ausbrennen. Das verursacht auch überdurchschnittlich viele Krankheitstage, je nach Sektor sind es jährlich 16 bis 23 Ausfalltage pro Mitarbeiter. „Insgesamt ist die Gastbranche sehr unattraktiv für Arbeitnehmer. Bis 2030 erwarten wir, dass zwischen 200.000 und 300.000 Arbeitskräfte fehlen werden. Genauer lässt sich das nicht festlegen, denn es hängt davon ab, ob wir durch gezielte Zuwanderung nach Deutschland Personal gewinnen können“, sagt Vanessa Borkmann. Bisher hat die hohe Zahl an Quereinsteigern die Branche mitgetragen, doch auch hier kommen immer weniger Interessenten neu dazu.

Next Work: Arbeit nicht mehr nur am Arbeitsplatz

Die entscheidende Frage lautet: Welche Arbeitsmodelle helfen, mehr Menschen in die Hospitality-Branche zu locken? Für Angestellte in Büros lautet die Lösung oft Homeoffice. In der Gast- und Beherbergungsbranche haben derzeit nur zwei bis drei Prozent die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten. In anderen Worten: Das Arbeitsmodell ist hier überhaupt nicht angekommen.
Die Studie Next Work kommt zu dem Schluss, dass hier ein Wandel von den klassischen Arbeitszeitmodellen hin zu flexiblen Arbeitszeitmodellen notwendig ist.

  • klassische Arbeitszeitmodelle: Vollzeitarbeit, Teilzeitarbeit, gleitende Arbeitszeit, Schichtarbeit
  • flexible Arbeitszeitmodelle:
    • 4 Tage Woche (durch Arbeitsumverteilung bei gleicher Stundenzahl, oder durch niedrigere Stundenzahl möglich)
    • Vertrauensarbeitszeit (mit oder ohne Kernarbeitszeit, bzw. ergebnisorientiert)
    • Projektbezogene Arbeitszeit, d. h. freie und selbstständig organisierte Arbeitszeit (phasenweise, in Teilzeit oder Vollzeit, im Team je nach Bedarf)
    • Jobsharing, d. h. mehrere Personen teilen sich eine Position und/oder arbeiten im Wechsel, auch eine Aufteilung nach Fachgebieten ist möglich

Co-Working-Space als Kompromiss

Marcel Klinge betont auch die Bedeutung dritter Arbeitsorte, bzw. Co-Working-Spaces: Das sind Räumlichkeiten, die nicht zuhause, aber auch nicht am regulären Arbeitsplatz liegen. Der Grund für solche Arbeitsorte ist, dass Beschäftigte im Homeoffice mitunter schlecht zwischen Arbeit und Freizeit trennen können. Ein dritter Arbeitsort kann dieses Hemmnis beseitigen, ohne dass Mitarbeitende evtl. weite Wege zum regulären Arbeitsplatz auf sich nehmen müssen. Die Beseitigung weiter Wege ist für Marcel Klinge zentral für die Jobattraktivität: „Es ist nicht so, dass die Menschen unbedingt zuhause arbeiten wollen. Sie wollen nur nicht pendeln.“

Digitalisieren & Automatisieren

Selbstverständlich gibt es in der Hospitality-Branche Arbeiten, die nur vor Ort am Arbeitsplatz erledigt werden können. Dennoch ließen sich einige Tätigkeiten digitalisieren oder automatisieren. Marcel Klinge erklärt: „Sie werden in Zukunft wenige Menschen dafür gewinnen, täglich acht Stunden Geschirr abzuräumen. Das erledigen bald Abräumroboter. Auch ist es nicht fortschrittlich, wenn ein Betrieb Reservierungen über das Telefon annimmt. Hierfür gibt es Softwarelösungen, mit denen Gäste online reservieren.“ Er schätzt, dass in Zukunft jeder vierte Angestellte ein Roboter sein könnte. Neben den neuen Arbeitszeitmodellen müsse die Branche die Digitalisierung und die Automatisierung vorantreiben, damit den Angestellten stupide Routineaufgaben abgenommen werden. Digitalisierte Arbeitsbereiche lassen sich wiederum besser mit flexiblen Arbeitszeitmodellen vereinbaren. Prädestiniert hierfür sind Tätigkeiten wie Dienstplanerstellung, Buchhaltung und PR & Marketing. „Das trägt auch dazu bei, dass die Arbeit abwechslungsreicher wird“, betont Marcel Klinge.

Abwechslung: Next Work ohne Langeweile im Job

Insbesondere die Generation Z (geboren nach 2000) lasse sich nur noch für eine Arbeitsstelle gewinnen, die Abwechslung bietet. Auch das lässt sich durch verschiedene Arbeitsmodelle erreichen.

  • Dazu gehören etwa der Wechsel zwischen verschiedenen Tätigkeiten und Arbeitsorten (Job Rotation),
  • aber auch, den Mitarbeitenden Aufgaben zu verantworten, die über ihrem Qualifikationsniveau liegen (Job Enrichment).
  • Erweitert man den Aufgabenbereich, ohne dass das Niveau steigt, spricht man auch von Job Enlargement.

Besonders junge Menschen wollen nicht immer dieselbe Arbeit tun und sind dankbar für regelmäßigen Wechsel. Das zeigt auch die Wunscharbeitszeit: viele Beschäftigte geben an, etwa 32 Stunden die Woche arbeiten zu wollen und an ein bis zwei Tagen einem ganz anderen Job nachzugehen, um Abwechslung zu schaffen. Möchte man Menschen in einer Vollzeitposition halten, dann helfen auch Weiterbildungen dabei, Abwechslung zu schaffen und eine Perspektive für mehr berufliches Wachstum aufzuzeigen.

Für mehr Details werfen Sie einen Blick in die Studie Next Work, die hier online verfügbar ist. Darin finden Sie auch Praxisbeispiele, bei denen sich zeigt, welche Auswirkungen die flexiblen Arbeitszeitmodelle auf Gastronomiebetriebe haben. So testete etwa das Hotel Bayerwaldhof in Bad Kötzting die 4 Tage Woche (vgl. S. 42) und auch in Großbritannien gab es dazu ein Pilotprojekt (vgl. S. 37).

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Quelle: Fraunhofer IAO, Denkfabrik Zukunft der Gastwelt, B&L MedienGesellschaft

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