Digitale Tools können das Personal-Management in der Gastronomie erleichtern.
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Personal digital organisieren: Tipps zum HR Management in der Gastronomie

Stundenlang über einer bewährten Excel-Tabelle brüten, oder den Schritt wagen, eine App anzuschaffen, die fürs Team den Dienstplan auf Knopfdruck erstellt? Für die Gastronomie und Gemeinschaftsgastronomie gibt es inzwischen einige innovative und vor allem zeitsparende Lösungen, um das Personal digital zu organisieren – von der Zeiterfassung über die Dienstplanung bis hin zu Schulungen und der Teamkommunikation.

Welche Tools eignen sich für die Gastronomie und Gemeinschaftsgastronomie?
Welche Vorteile und Funktionalitäten bringen sie mit?
Wo liegen mögliche Stolpersteine?
Digitalisierungs-Experte Markus Wessel, der selbst jahrelang in der Gastronomie tätig war und einen Blog zu Digitalisierung in der Branche betreibt, gibt im Interview mit der Redaktion GVMANAGER wertvolle Einblicke und praxisnahe Tipps, wie Unternehmen ihr Mitarbeitermanagement digital optimieren können.

Digitale Tools können das Personal-Management in der Gastronomie erleichtern.
Quelle: Wessel

„Die Gastronomie hat generell sehr spezielle Anforderungen an die Dienstplanung und das Mitarbeitermanagement. Dafür braucht es spezielle gastronomische Tools. Die Grundfunktionalität, die nahezu alle 19 branchenrelevanten Tools, die ich aktuell beobachte, mitbringen, ist die Schichtplanung und die Zeiterfassung.“

Herr Wessel, was ist von einem Dienstplan im Excel-Format zu halten?

Damit kann man zu guten Ergebnissen kommen, je nachdem wie groß das Team ist. Ich habe früher beispielsweise für ein 12-köpfiges Team Excel als Grundlage für Dienstplanung und Zeiterfassung genutzt. Mithilfe von Formeln und Verknüpfungen konnte ich einiges automatisieren. An seine Grenzen kommt Excel jedoch, sobald es individueller wird, z. B. wenn Feiertagszuschläge o.ä. hinzukommen.
Mein Tipp: Einmal ausrechnen, wie viel Zeit man dafür investiert, v. a. für das händische Ergänzen. Ich habe damals alleine für die Zeiterfassung täglich fünf Minuten gebraucht. Hochgerechnet auf eine Klinikküche, die 365 Arbeitstage hat, komme ich auf fast vier Tage pro Jahr – und dann steht noch kein Dienstplan. Das klingt jetzt wenig imposant, aber wenn ich mal die Personalkosten gegenrechne, sind das zwischen 1.000 und 2.000 Euro nur für die Zeiterfassung – und dafür bekomme ich tatsächlich schon ganz gute Softwarelösungen mit größerem Funktionsumfang.

Welche Funktionen bringen professionelle Tools zum Mitarbeitermanagement mit?

Die Grundfunktionalität, die nahezu alle 19 branchenrelevanten Tools, die ich aktuell beobachte, mitbringen, ist die Schichtplanung und die Zeiterfassung.
Dann haben sehr viele eine digitale Mitarbeiterakte, wo man die Verträge, Gehaltsanpassungen oder individuelle Vereinbarungen hinterlegen kann.
Oft ist auch eine Urlaubsplanung integriert, teils einsehbar für Mitarbeiter per App.
Die meisten haben auch eine Schnittstelle zur Lohnbuchhaltung.

Und welche Funktionalitäten haben manche on top?

Beispielsweise gibt es Lösungen, die den ganzen Recruiting-Prozess begleiten – von der Stellenausschreibung, die automatisch in Social Media ausgespielt wird, über das Bewerber-Management bis hin zur automatisierten Sofortmeldung, sobald jemand eingestellt ist.

Bei anderen lassen sich diverse Dokumente hinterlegen, also Handbücher, HACCP- oder QM-Checklisten.

Oft sind Küchen an übergeordnete Systeme zur Personalplanung angebunden, sei es im Krankenhaus oder auch einem Unternehmen. Wann und warum empfiehlt es sich, eigene Wege zu gehen?

Die Gastronomie hat generell sehr spezielle Anforderungen an die Dienstplanung und das Mitarbeitermanagement – anders als beispielsweise die Pflege oder Ärzteschaft. Betrachten wir z. B. ein Krankenhaus, so gilt es gastronomisch bereits zu unterscheiden zwischen der reinen Küche, dem Wahlleistungsservice und einer Cafeteria – und diese Heterogenität können viele klassische Systeme nicht abdecken. Dafür braucht es spezielle gastronomische Tools.

Decken die Managementlösungen für gastronomisches Personal dann wirklich alles ab, oder gibt es trotzdem noch Lücken und Tücken?

Manche Lücke gibt es meiner Erfahrung nach bei den Schnittstellen, z. B. zur Lohnbuchhaltung. Speziell in Krankenhausbereich gibt es zudem Rahmenbedingungen, die viele nicht abbilden können wie die 5,5-oder 6-Tage-Woche oder die verschiedenen Arbeitsplätze und Posten bei der klassische Bandverteilung. Hier müsste man die Mitarbeiter besser unterteilen können, je nach Qualifikation, damit das System diese automatisch einplanen kann. Meines Wissens nach kann das bislang kein System, weshalb man es über Umwege und manuell lösen muss. Ähnlich verhält es sich oft, wenn Mehrarbeit geleistet wurde oder es individuelle Absprachen mit Mitarbeitern gibt.

Ergänzende KI-basierte Tools können innerhalb weniger Sekunden auf Knopfdruck einen Dienstplan erstellen. Klingt verlockend – wo ist der Haken?

Im Vorfeld ist natürlich ein intensives Onboarding nötig, eine Schulung, die jedoch recht überschaubar ist, sowie eine anschließende Lernphase für das Tool. Man sollte schon vier bis sechs Monate kalkulieren, bis es rund läuft – wenn man richtig viel Power reinsteckt geht es vielleicht auch schneller.

Das ist aber ganz schön zeitaufwändig!

Das hängt mit einem positiven Nebeneffekt zusammen. Denn wenn man die Schichten und Arbeitszeiten einpflegt, schaut man sich automatisch mal wieder alle Prozesse an und hinterfragt oft auch den Status quo. Dann kann es durchaus etwas länger dauern, bis alles neu geplant ist.

Womit muss das Tool „gefüttert“ werden?

Im Falle einer Betriebs- oder Hochschulgastronomie beispielsweise füttere ich das Tool mit sämtlichen Kassendaten, möglichst von mindestens zwölf Monaten. Dann weiß es genau, wann ich welche Auslastung hatte und wann welches Produkt verkauft wurde. Ergänzend holt sich das Tool die damaligen Wetterdaten und Termine von Feiertagen, Ferien und besonderen Events in der Umgebung, wie Messen, Sportereignisse o.ä. Diese Daten kann es mit den Umsatzdaten kombinieren und daraus dann Schlüsse für die Prognose ziehen.

Als zweites muss ich das System mit den Mitarbeiterdaten bestücken. Wer arbeitet wie lange, wer bekommt welchen Lohn, was sind die Vertragsinhalte usw. Und dann hinterlege ich noch die Arbeitszeiten und Schichten, die belegt werden müssen.
Ist das alles im System, kann es mir innerhalb weniger Sekunden einen Dienstplan erstellen anhand der Auslastung, die zu erwarten ist. Geplant wird stundengenau, ohne Über- und Unterdeckung. Aber Achtung: Krankenstände werden derzeit (noch) nicht berücksichtigt. Wer hier Puffer benötigt, muss das selbst einplanen.

Wobei das Tool wiederum im Krankheitsfall direkt einen Vorschlag parat hat, welcher Mitarbeiter ersatzweise passen könnte – aufgrund seiner Qualifikation und auch weil er Zeit haben könnte.

Das Tool arbeitet mit den Umsätzen als Grundlage. Kann man es dann auch in einer Klinikküche nutzen?

Ja, denn es kann auch mit Beköstigungstagen arbeiten. Zwar sind hier die Schwankungen geringer, aber trotzdem vorhanden. Beispielsweise steigt die Auslastung oft zu Wochenbeginn, was wiederum längere Band- und Spülzeiten bedeutet.

Bei dem Tool ist eine Künstliche Intelligenz hinterlegt – welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich?

Ein Vorteil in meinen Augen: die KI-Planung ist wesentlich besser, als eine vom Menschen erstellte. Externe Faktoren, deren sich Küchenleiter nicht immer bewusst sind, werden berücksichtigt und es geschehen weniger Fehler.
Hinzu kommt: Die Mitarbeiter werden immer zu 100 Prozent fair behandelt und je nach ihrer Qualifikation zu einer ausgeglichenen Besetzung zusammengestellt. Denn im System lässt sich – im Gegensazu zu vielen klassischen Mitarbeitermanagementsystemen – sehr detailliert hinterlegen, wer welche Fähigkeiten hat und welche Aufgaben erledigen kann.

Ein großer Nachteil bzw. ein Risiko bei der Nutzung einer solchen KI besteht darin, sich zu sehr auf diese zu verlassen. Ich halte es für unabdingbar, das Ergebnis nochmal als Führungskraft zu prüfen. Andernfalls besteht auch die Gefahr, dass man irgendwann das Erstellen eines Dienstplans verlernt.

Wie steht es um den Datenschutz bei solchen Systemen?

Das variiert natürlich, aber in der Regel haben die Anbieter jeweils detaillierte Datenschutzregelungen und -beauftragte. Und die Server stehen bei all den 19 Lösungen, die ich genauer kenne, in Deutschland – das ist ja oft auch explizit von den Kunden gefordert.

Welche Lösungen gibt es noch, die dabei unterstützen, das Personal digital zu organisieren?

Eine tolle Hilfestellung für Mitarbeiter, aber auch für den Vorgesetzten sind Mitarbeiter-Organisationstools zur Kommunikation untereinander. Ein guter Ersatz für WhatsAppauch in puncto Datenschutz. Zudem lässt sich die Kommunikation hier besser regulieren, sodass sie nicht emotional entgleitet, sondern sachlich bleibt.
Auch eine Art Wikipedia oder eigene Betriebswikis lassen sich integrieren.
Zudem kann man den Mitarbeitern Aufgaben zuweisen, terminieren und abhaken, z. B. im Rahmen einer Projektarbeit. Das bringt organisatorisch einen großen Mehrwert, weil die Kommunikation und die Wissensvermittlung wesentlich besser laufen.

Derartige Apps erfordern aber ein (privates) Smartphone oder ein anderes Endgerät am Arbeitsplatz…

In der Managementebene haben die meisten inzwischen ja ein geschäftliches Smartphone. Und oft gibt es auch betriebsinterne Tablets, die sich Mitarbeiter mit verschiedenen Accounts teilen. Das ist nur eine Frage der Organisation. Ganz ehrlich – ein Smartphone kostet heute nicht mehr viel – und für solche Anwendungen braucht es auch keine SIM-Karte, WLAN würde reichen.

Nicht zuletzt könnte man natürlich auch eine Lösung mit privaten Smartphones überlegen – insofern das für die Mitarbeiter infrage kommt.

Ist auch das Thema Schulung ein digitales?

Klar, denn ich kann meinen Mitarbeitern auch über solche Tools Wissen zur Verfügung stellen. Generell werden digitale Weiterbildungslösungen noch unterschätzt, dabei gibt es inzwischen sehr vielfältige, auch hybride Angebote. Seine Mitarbeiter aktiv darauf anzusprechen, ist ein Zeichen von Wertschätzung und für mich sehr wichtig.

Aber auch internes Wissen kann man digital vermitteln. Beispielsweise erstellt mir das Tool Bounti, basierend auf meinen eigenen Schulungsunterlagen – sei es ein Word-Text oder eine kleine Präsentation – eine professionelle Schulung. Das Ganze in ansprechendem, individualisierbarem Design und bei Bedarf auch mit abschließendem Wissenstest. So kann ich z. B. eine auf meinen Betrieb zugeschnittene Hygieneschulung erstellen, eine Schulung über Arbeitssicherheit, eine Einweisung für neue Mitarbeiter usw.

Welche digitalen Lösungen, die beim Management des Gastro-Personals unterstützen, haben künftig noch großes Potenzial?

Mitarbeiterbindungstools sind noch relativ unbekannt. Die meisten kennen das Jobrad – und das war’s dann. Dabei gibt es viele weitere Benefits, die man mithilfe eines solchen Tools zur Wahl stellen kann.

Eine Mitarbeiter-Card z. B. kann man pauschal monatlich aufladen oder als Belohnung für eine tolle Idee oder besonderes Engagement. Das ist ein Anreiz, über den man sich viel zu wenige Gedanken macht.

Und das zweite sind explizite Recruiting-Tools, über die man noch professioneller als bei den oben beschriebenen integrierten Lösungen den gesamten Prozess samt Kommunikation und Kontaktdaten abbilden kann. Hier gibt es smarte Tools mit unterschiedlichen Funktionalitäten. Manche können das z. B. komplett über WhatsApp abbilden – inklusive Chatbot, der die Qualifikation der Bewerber prüft. So etwas kostet dann aber auch rund 200 Euro im Monat. Aber es kann viel lästige Organisationsarbeit ersparen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Quelle: B&L MedienGesellschaft

Bild von Claudia Kirchner

Claudia Kirchner

Die Branche der Gemeinschaftsgastronomie begleitet Claudia Kirchner nun schon seit fast 20 Jahren, gestartet als journalistische Quereinsteigerin, wie im Fachjournalismus nicht selten. Dafür ist sie als Dipl.-Oecotrophologin quasi vom „Fach“. Und obwohl ihre Leidenschaft zu Studienzeiten eher der Ernährungsphysiologie und Mikrobiologie, denn der Haushalts- und Großküchentechnik galt, machte sie die redaktionelle Arbeit zu einer ausgewiesenen Technikexpertin. Als einstige FÖJ-lerin sensibilisiert für „Ökologie“, hat sie zudem deren „große Schwester“ – Nachhaltigkeit – frühzeitig in der Münchner Zentralredaktion zum Thema gemacht. Ihr Antrieb als Chefredakteurin des GVMANAGER, Redakteurin des Fachmagazins und Impulsgeberin der Zentralredaktion ist es, den Lesern praxistaugliche Tipps für den Umgang mit kleinen und großen Herausforderungen des Großküchenalltags an die Hand zu geben und spannende Einblicke in Erfolgsrezepte von Kollegen zu geben.

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