Offiziell agiert Alexander Mayrhofer ganz trocken als „Key Account Manager“ oder auch „Hotelmanager“ der Waldkliniken Eisenberg. Er selbst nennt sich aber lieber „Gastgeber“. Kein Wunder, denn genau dieser Begriff bringt seine Einstellung und sein Wirken exakt auf den Punkt. Ihn zeichnet ein Blick auf das große Ganze aus. Und so koordiniert er seit 2020 auch an den Waldkliniken sämtliche Abteilungen, die mit Service zu tun haben: von der Reinigung, über die Fahrdienste, den Empfang und das Callcenter bis hin zu allen gastronomischen Einrichtungen, außerdem die Komfortstationen und den Kontakt mit internationalen Gästen.
„In der Gastronomie haben wir einen Personalschlüssel, bei dem manche Kollegen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Insgesamt arbeiten bei uns in der Küche 25 Mitarbeitende, davon aufgrund der hohen Handwerklichkeit acht Köche und zwei Diätassistentinnen. Da wir die Essen für die Regelpatienten am Band anrichten brauchen wir zudem auch eine gewisse Zahl Küchenhilfen. Doch das zahlt sich am Ende tatsächlich auch wirtschaftlich aus. Denn wir sind überzeugt, dass es die Heilung unterstützt, wenn es dem Gast gut geht. Und nebenbei läuten zufriedene Patienten seltener nach dem Pflegepersonal.“
Alexander Mayrhofer, Gastgeber, Waldkliniken Eisenberg
Gastronomische Einheiten
Das gastronomische Angebot in der kommunalen Fachklinik für Orthopädie verteilt sich auf:
Die Lobbybar (F. r.) als zentralen Treffpunkt, wo es u. a. Kaffeespezialitäten und Snacks gibt.
Das Bistro (F. l.) als zentralen Pausenraum für die 750 Mitarbeitenden und Gästerestaurant. Dort werden täglich rund 150 Gäste- und 80 Mitarbeiteressen ausgegeben.
Das Restaurant Matteo (F. m.) auf der Komfortstation für die Verpflegung der bis zu 13 Wahlleistungspatienten. Dort werden bei Menüabenden auch bis zu 20 externe Gäste mit Küche auf Sterneniveau verwöhnt.
Die rund 200 gesetzlich versicherten Patienten nehmen ihr Essen klassisch tablettiert und schön auf Geschirr angerichtet im Zimmer zu sich.
Eine hohe Handwerklichkeit gehört zur Philosophie und wird mit einem Wareneinsatz von 5,50 Euro pro Patient und Tag geleistet. „Mit diesem Budget kochen wir nahezu alles selbst, der Anteil an Convenience liegt bei etwa zehn bis zwölf Prozent“, erläutert Alexander Mayrhofer, dessen 25-köpfiges Küchenteam klassisch Saucen zieht, Suppen kocht und gar das Cordon bleu füllt und paniert. „Da bin ich als Österreicher eigen, vor allem bei der soufflierten Panade“, ergänzt der Gastgeber, der in Hinblick auf die stete Weiterentwicklung derzeit sogar die Küche umbaut, um einen separaten Raum inklusive Stärkeabscheider zum Kartoffelschälen zu integrieren.
Wie hat der Exkurs in den Tourismus die Sichtweise von Alexander Mayrhofer geprägt?
Und warum arbeitet er gerade an einer eigenen Wertschöpfungskette für Fleischprodukte?
Die Redaktion GVMANAGER hat bei ihm nachgefragt:
Nachgefragt bei Alexander Mayrhofer, Waldkliniken Eisenberg
Herr Mayrhofer, Sie waren jahrelang in Österreich tätig, bis es Sie 2003 plötzlich nach Weimar verschlagen hat. Ist Ihnen der Wechsel nach Thüringen schwergefallen?
Ich mag meine Heimat zwar sehr, aber da kann ich auch immer noch hinfahren. Ich finde immer, Glück hat man da, wo man ist – denn Glück hat man im Herzen. Weimar ist eine wunderschöne Stadt, weshalb ich immer noch dort wohne, auch wenn ich nun im 60 Kilometer entfernten Eisenberg arbeite.
Zwischenzeitlich arbeiteten Sie zehn Jahre im Tourismus, u. a. für die Marketingorganisation des Thüringer Landes. Hat Ihnen hier nicht das Gastgebertum gefehlt?
Gastgeber sind die zentrale Anlaufstelle für Urlaub, insofern hatte ich sehr viel mit Hoteliers und Gastronomen zu tun, bin aber natürlich selbst nicht als Gastgeber aufgetreten. Nebenberuflich konnte ich die Finger aber nicht davon lassen und habe in dem Bereich beraten.
Aber tatsächlich hat mir etwas gefehlt: Das war einerseits die Gelegenheit, selbst als Gastgeber zu agieren und andererseits die Möglichkeit am Ende des Tages oder besser gesagt einer Idee auch das Produkt erleben zu können. So war ich als Geschäftsbereichsleiter Produktentwicklung bei der Thüringen-Tourismus GmbH eher anstoßend, beratend und motivierend unterwegs. Und das kann manchmal frustrierend sein, weil man glaubt, man hat sensationelle Ideen – aber keiner setzt sie um.
Und jetzt bei den Waldkliniken kann ich wieder zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen selbst gestalten. Das ist schon befriedigend, auch wenn wir teils große Herausforderungen meistern müssen, bis eine Idee Gestalt annimmt.
Und ich darf mich überall einmischen, wo es um Gastlichkeit geht – und das mache ich auch ausführlich, zur „großen Freude“ meiner Kolleginnen und Kollegen.
Wie hat Ihr zwischenzeitlicher Exkurs in den Tourismus Sie geprägt in Hinblick auf Ihr heutiges Wirken?
Im touristischen Kontext muss man einfach in größeren Zusammenhängen denken. Und das hat meine heutige Denkweise sicher beeinflusst. Denn häufig neigt man in der Gastronomie dazu, nur sich selbst zu betrachten, nicht das große Ganze drumherum.
Wie wichtig sind in den Waldkliniken Eisenberg regionaltypische Speisen?
Diese gehören unbedingt dazu! Wir haben hier einen orthopädischen Schwerpunkt und wollen unsere Gäste im ersten Moment nicht erziehen. Lustvoll ein gutes Produkt essen zu können, ist enorm wichtig. Entsprechend muss man meiner Meinung nach auch beim Thema Mangelernährung in Kliniken oder Heimen differenzieren. Denn das rührt nicht zwingend daher, dass die Leute nichts essen wollen, sondern vielleicht auch, weil sie nicht das essen wollen, was sie am Teller haben. Deswegen ist uns wichtig, dass die Gerichte appetitlich und schön angerichtet sind – mit einem grünen Blatt obendrauf.
Was ist bei Ihnen der absolute Renner?
Unser Renner ist die sogenannte Tote Oma, eine Thüringer Spezialität. Dahinter verbirgt sich Blutwurst mit Sauerkraut und Kartoffeln. Das würde ich wohl nur essen, wenn ich das Schwein persönlich gekannt hätte.
Viele der regionalen Lieferanten kennen Sie ja tatsächlich persönlich. Welche Herausforderung bringt es mit sich, die nötigen Mengen für rund 450 Mittagessen täglich im Raum Thüringen zu beschaffen?
Das ist gar nicht so einfach und sehr aufwändig. Ich versuche deshalb, die Bestellung von Standardprodukten so einfach wie möglich zu halten. So bekomme ich mehr Spielraum – organisatorisch und wirtschaftlich – für regionale Produkte.
Gerade bei Gemüse und Obst ist uns Regionalität wichtig. Aber wir sind längst noch nicht dort, wo wir hinwollen. Es ist ein Prozess, Kontakte zu Landwirten zu knüpfen und dann Vertrauen aufzubauen. Unser Ziel sind klare Lieferverträge, sodass der Landwirt beim Pflanzen schon weiß, zu welchem Preis er welche Menge über das Jahr verkauft. Das können wir dank einer recht stabil kalkulierbaren Menge zusichern.
Sind Bioprodukte ein Thema?
Für mich steht immer regional an erster Stelle, also, dass ich den Landwirt und seinen Hof kenne, weiß wie er tickt und produziert.
Kürzlich habe ich beispielsweise gute Salatgurken gesucht, die noch schmecken wie sie schmecken sollen – und wurde regional auch fündig. Der Betrieb produziert sogar in Bioqualität und in ausreichender Menge. Doch leider wären das 5.000 Euro Mehrkosten im Jahr – das kann ich mir nicht leisten. Alternativ suche ich jetzt nach regionalen Snackgurken, die generell aromatischer sind als die großen Sorten.
Wie schwierig ist es regionales Fleisch zu beschaffen?
Hier ist das größte Problem, dass die ganzen kleinen Schlachthöfe schließen – eigentlich ein Skandal. Infolgedessen bekommen auch die Metzger und Verarbeitungsbetriebe nicht mehr ausreichend Thüringer Schweine, um mir Fleischprodukte und Wurstwaren, die wir als regional bewerben könnten, herzustellen. Hinter dem Problem stecken Bestimmungen auf EU- oder Bundesebene, die ich einfach nicht nachvollziehen kann.
Getrieben von unserem Idealismus haben wir sogar versucht, ein eigenes regionales Fleischprojekt zu starten. Wir hätten regionales Futter, einen Landwirt, der alte Schweinerassen mindestens ein Jahr aufziehen würde, eine Fläche für ein Schlachthaus unmittelbar neben dem Hof und wir hätten einen Metzger. Doch das Schlachten würde aufgrund der Bestimmungen unverhältnismäßig teuer. Um das refinanzieren zu können, müsste eine Menge an Tieren geschlachtet werden, die die Idee ins Gegenteil verkehrt. Daher ruht das gerade.
Schade, denn auch hier geht es um die Grundidee Handwerklichkeit wieder zu fördern.
Apropos Handwerklichkeit – diese ist Ihnen auch in der Klinikküche sehr wichtig. Wie stemmen Sie diese personell?
Mit einem Personalschlüssel, bei dem manche Kollegen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Insgesamt arbeiten bei uns in der Küche 25 Mitarbeitende, davon acht Köche und zwei Diätassistentinnen. Da wir die Essen für die Regelpatienten am Band anrichten brauchen wir zudem auch eine gewisse Zahl Küchenhilfen.
Doch das zahlt sich am Ende tatsächlich auch wirtschaftlich aus. Denn wir sind überzeugt, dass es die Heilung unterstützt, wenn es dem Gast gut geht. Und nebenbei läuten zufriedene Patienten seltener nach dem Pflegepersonal.
Das betrifft auch die Reinigung, wo ebenfalls gerne gespart wird. Ich möchte, dass unsere Reinigungskräfte mit den Gästen sprechen. Um ihnen die Zeit dafür zu geben, wird bei uns inzwischen beispielsweise in der Verwaltung seltener geputzt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Ziel Mitarbeiterzufriedenheit
Bertold Kohm von der Servicegesellschaft Nordbaden und sein Team arbeiten derzeit an einer Arbeitsplatzanalyse. Welche Ziele verfolgen sie damit? Mehr dazu lesen Sie im Beitrag Die Basis beser hören.
Quelle: B&L MedienGesellschaft