Während der Frühling nach der kälteren Jahreszeit von vielen herbeigesehnt wird, stellt er Küchenleiter, die auf eine regionale und saisonale Küche setzen, doch auch vor Herausforderungen, wie die Oecotrophologin Kirsten Reichardt weiß. Als Mitarbeiterin des Projektes GeNAH (Gerechte und Nachhaltige Außer-Haus-Angebote) am Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster hat sie für den GVMANAGER einen Blick auf die vegetarisch-vegane Frühlingsküche gelegt, die Herausforderungen beleuchtet und Tipps für eine abwechslungsreiche Umsetzung in GV-Betrieben gegeben.
Vegetarisch-vegane Frühlingsküche: Herausforderung bei der Zubereitung
Im Frühling ist das Angebot an frischem, lokal angebautem Gemüse und Obst noch begrenzter als in den anderen Jahreszeiten, weiß Kirsten Reichardt. Dies schränke die Vielfalt bei der Zusammenstellung vegetarisch-veganer Gerichte ein. Frühe Frühlingsgemüse wie Rhabarber, Spinat, Rübstiel (auch bekannt als Stielmus, verwandt mit Mairübchen) und einige Salatsorten sind zwar verfügbar, doch die volle Bandbreite, insbesondere an Sommergemüse und -obst, steht noch nicht zur Verfügung. Dies erfordert Kreativität und Flexibilität von Köchen, die saisonal und regional kochen möchten.
„Zudem sind es viele Gäste gewohnt, ganzjährig Zugang zu einer breiten Palette an Gemüse und Obst zu haben. Den Gästen ist nicht klar, dass der Frühling die schwierigste Zeit für regionale Produkte ist“, nennt Kirsten Reichardt eine Herausforderung. „Wenn Tomaten, Gurken und verschiedene Beerenarten ganzjährig – auch außerhalb der Saison – angeboten werden, kann diese Erwartungshaltung besonders in der vegetarisch-veganen Küche zu Herausforderungen führen“, erklärt sie.
„Informationen über die Vorteile von saisonalem und regionalem Konsum kann die Wertschätzung für das eingeschränkte Angebot erhöhen und ein Bewusstsein für die Herausforderungen der nachhaltigen Gastronomie schaffen.“
Kirsten Reichardt, Oecotrophologin, Mitarbeiterin des Projektes GeNAH, Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster
Wie gelingt eine abwechslungsreiche vegetarisch-vegane Frühlingsküche bei begrenztem saisonalen Lebensmittelangebot?
Generell sei jede Gemüse- und Obstsorte ganzjährig durch das globalisierte Beschaffungssystem verfügbar. Vor dem Hintergrund, dass sich die Verwendung von saisonalen und regionalen Produkten positiv auf den ökologischen Fußabdruck auswirkt, rät Kirsten Reichardt aber dazu, in den weniger ertragreichen Monaten für Obst und Gemüse in Deutschland nicht auf importierte Flugware oder Lebensmittel aus dem Anbau in beheizten Gewächshäusern zurückzugreifen. „Der Transport per Schiff oder Lkw ist weniger klimaschädlich als die Beheizung von Treibhäusern“, weiß sie.
Saisonale Verfügbarkeit von Obst und Gemüse verlängern
Neben dem Einsatz von Lagerware verweist sie zudem auf verschiedene Möglichkeiten der Haltbarmachung von Obst und Gemüse während des Jahres, etwa durch Konservieren, Fermentieren, Einlegen, Einfrieren oder Einmachen.
Drei Fragen an Kirsten Reichardt
Ergänzend zu den Tipps, die Kirsten Reichardt, Küchenleitern im Beitrag „Frühling aufgetischt“ in GVMANAGER Ausgabe 4/2024 (S. 18f) gibt, beantwortet sie hier ergänzend drei weitere – rund um den Einsatz von TK-Obst und -Gemüse, die Sensibilisierung der Gäste und Frühlingsgemüse und -obst für die Dessertzubereitung:
Frau Reichardt, Sie sprachen im Rahmen der Haltbarmachung auch von Einfrieren. Wie stehen Sie zum Einsatz von tiefgekühltem Obst? Überwiegen die Vorteile?
Der Markt bietet heutzutage eine große Auswahl an Tiefkühl-Obst. Frisches Obst aus der Region schneidet hinsichtlich der Treibhausgasemissionen trotzdem besser ab. Für ertragsarme Monate bietet das Sortiment aber Alternativen, die aufgrund der Effizienz in der Kühlkette und der Logistik hinsichtlich der Umweltwirkungen akzeptabel sind.
Einige frische Obstsorten müssen schnell über weite Strecken transportiert werden, um Verderb zu vermeiden. Wenn diese also per Flugzeug transportiert werden, führt dies zu hohen CO2-Emissionen. Tiefkühl-Obst kann unter weniger zeitkritischen Bedingungen und damit effizienter transportiert werden. Allerdings muss während des Transports die Kühlkette aufrechterhalten werden, was zusätzliche Energie erfordert. Tiefkühl-Obst kann dazu beitragen, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, da es länger haltbar ist und bei Bedarf verwendet werden kann. Weniger Verschwendung bedeutet eine effizientere Nutzung der Ressourcen, die für die Produktion des Obstes aufgewendet wurden.
Wie wichtig ist die Gästekommunikation bzw. Sensibilisierung hinsichtlich der nicht ganzjährig verfügbaren Lebensmittel in GV-Betrieben?
Gäste schätzen eine transparente Kommunikation über die Herkunft der Zutaten und die Philosophie der Küche bezüglich Regionalität und Saisonalität. Begründete Herkunftsangaben für Gäste und Informationen über die Vorteile von saisonalem und regionalem Konsum kann die Wertschätzung für das eingeschränkte Angebot erhöhen und ein Bewusstsein für die Herausforderungen der nachhaltigen Gastronomie schaffen.
Gibt es bestimmte Frühlingsgemüse oder -früchte, die Ihrer Meinung nach besonders gut geeignet sind für vegetarisch-vegane Desserts?
Einige Gemüsesorten, die im Frühling verfügbar sind oder gut gelagert werden können, wie Rhabarber, Karotten und Rote Bete, eignen sich auch für die Verwendung in süßen Gerichten oder Dessert. Sie können beispielsweise für Kuchen, Muffins oder als Basis für Sorbets und Eiscremes verwendet werden. Dadurch erweitert sich die Bandbreite im Dessertbereich.
Die eingeschränkte Auswahl an frischem Obst im Dessertbereich kann auch durch Kräuter erweitert werden. Natürlich sollte auch hier die Saisonalität beachtet werden. Im Frühling können z. B. Waldmeister, Zitronenmelisse oder Minze Süßspeisen das gewisse Extra verleihen.
Konservierte, getrocknete oder gefrorene Früchte bringen auch im Frühling Farbe und Geschmack. Verschiedene Verarbeitungsmethoden (z. B. Pürieren, Einkochen, Einarbeitung in Speiseeis) sorgen zudem für Abwechslung.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Nachhaltige Rezepturen
Wie können Rezepturen mit geringem Aufwand nachhaltiger und kostengünstiger werden? Praxistipps des food lab Münster für GV-Betriebe gibt der Leiter des food lab Albrecht Fleischer in diesem Beitrag.
Quelle: Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster/GeNAH, B&L MedienGesellschaft