Ben Seyferth steht vor einem Rätsel – vielmehr vor einer Kiste mit Petersilienwurzeln, die zu Püree verarbeitet werden sollen. Was sich zunächst vielleicht banal anhört, wird eine kleine Lehrübung in Sachen Warenkunde zu einem landläufig unbekannten Gemüse, zum richtigen Schälen, der Kunst des Schneidens, dem perfekten Garen, der Auswahl weiterer Zutaten und dem gekonnten Würzen. „Das ist eine typische Aufgabe, die wir unseren Bewerbern im Rahmen eines Praktikums stellen. Ben meistert sie mit Bravour“, erklärt Sternekoch Domenik Alex, Chef des Gössersdorfer Gasthof Alex.
Ben Seyferth hat das Abitur in der Tasche und interessiert sich für eine Ausbildung zum Koch. Beworben hat er sich in einigen oberfränkischen Restaurants, unter anderem im Gasthof Alex. Dort konnte man sich in diesem Jahr über eine wahre Flut von Bewerbungen freuen – der Großteil davon Bewerbungen von Abiturienten.
Ein Trend, den auch der Regionalgeschäftsführer Franken des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands, Dehoga Bayern, Florian Rose bestätigt: „Nach der Corona-Pandemie gingen die Ausbildungszahlen in den gastgewerblichen Berufen aufgrund der fehlenden Möglichkeit, junge Menschen persönlich auf Messen anzusprechen und zu begeistern, leicht zurück. Inzwischen haben wir diesen Rückgang aufgeholt und zählen aktuell fast 10.000 Auszubildende und dual Studierende.“
Im Schuljahr 2023/2024 kann der Verband damit ein Plus von 17 Prozent verzeichnen. In Oberfranken sind im Gastgewerbe aktuell 60 freie Lehrstellen bei der Agentur für Arbeit gemeldet – und damit 18,9 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Anteil der Abiturienten lag bislang zwischen 15 und 20 Prozent, Tendenz steigend. Florian Rose sagt dazu: „Das wachsende Interesse an unseren Berufen zeigt sich auch daran, dass wir immer mehr Einladungen von Gymnasien erhalten, um unsere Berufsfelder vorzustellen.“
Lieber angehender Kochazubi als Student
„Während der Pandemie habe ich mich mehr oder weniger aus Langeweile mit Kochen beschäftigt“, berichtet Ben Seyferth, während er die Petersilienwurzeln schält. „Und daraus ist eine echte Leidenschaft geworden. Mittlerweile bekoche ich regelmäßig meine Familie und meine Freunde mit Gerichten aus verschiedenen Regionen der Erde. Mich faszinieren die unterschiedlichen Produkte und Geschmacksrichtungen, aber auch der Prozess des Kochens selbst.“ Und dann fügt er lachend an: „Allerdings weigert sich meine Mutter mittlerweile, die Zutaten einzukaufen, einfach weil es manchmal schwierig wird, alles im Supermarkt um die Ecke zu bekommen. Da muss ich mich dann schon selbst auf die Suche nach bestimmten exotischen Gewürzen begeben.“
Natürlich habe er zunächst überlegt, ein Studium zu absolvieren. „Aber eigentlich habe ich viel mehr Lust darauf, endlich etwas Praktisches zu tun, einen soliden Handwerksberuf zu erlernen und auch, ein wenig Geld zu verdienen.“ Seine Eltern haben ihn dabei unterstützt. „Sie haben immer gesagt, ich solle etwas tun, was mich wirklich interessiert und mich glücklich macht. Insofern war es für sie völlig in Ordnung, als ich mich für eine Ausbildung zum Koch entschieden habe.“
Der 19-Jährige weiter: „Mein Großvater hatte einen Feinkosthandel. Vielleicht habe ich von daher die Liebe zum Kochen und zum guten Essen mitbekommen. Mir ist es wichtig, meine Ausbildung in einem Restaurant der gehobenen Klasse zu machen. Insofern war der Michelin-Stern vom Gasthof Alex ein Punkt mehr, der für meine Bewerbung ausschlaggebend war.“
Eine Woche dauert das Praktikum im Gasthof Alex. Ben Seyferth lernt, was man beim „Mis en Place“, also bei der Bereitstellung aller Zutaten, dem Waschen und Schneiden von Gemüse, dem Trimmen von Fleisch, dem Vorbereiten von Utensilien, Töpfen, Pfannen und Besteck zu beachten hat. Und seine künftigen Kollegen zeigen ihm, in welcher Reihenfolge die Aperó-Station aufzubauen ist. Doch jetzt ist erstmal das Petersilienwurzel-Püree dran und der angehende Koch-Azubi würfelt fein säuberlich einige Schalotten.
„Das einwöchige Praktikum ist nicht nur für Ben, sondern auch für uns eine gute Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens“, erklärt Patron Domenik Alex. „Wir sind ein kleines Team von drei Leuten in der Küche. Deshalb hat jeder meiner Köche Mitspracherecht bei der Auswahl der Azubis. Wichtige Kriterien sind bei uns Belastbarkeit, das Auftreten, eine schnelle Auffassungsgabe, Teamorientierung, die Fähigkeit zur Kommunikation – und natürlich muss auch die zwischenmenschliche Chemie stimmen.“ Ob das Abitur ausschlaggebend sei? „Nein, der Schulabschluss selbst ist kein Ausschlusskriterium.“
Die Arbeitstage beginnen im Gasthof Alex um 12.30 Uhr mit einem gemeinsamen Team-Essen, bei dem die Aufgaben für den Tag besprochen werden, und sie enden in der Regel um 22 Uhr. Die Aussicht auf lange Arbeitszeiten, auf Abende an denen er arbeitet, während seine Freunde feiern gehen, schrecken Ben Seyferth nicht ab. „Dann treffen wir uns eben an meinen freien Tagen“, sagt Ben Seyferth optimistisch. Er rührt nun das Gemüse mit Butter glatt und schmeckt es unter Anleitung mit Salz, Pfeffer und etwas Weißwein ab.
Schwächen der Sterneküche ausgleichen
„Das Manko in vielen Sterneküchen ist, dass die Azubis zwar lernen, wie man beispielsweise Medaillons vom bretonischen Hummer auf zartem Krustentierflan zubereitet, aber die ‚Basics‘ nicht beherrschen. Unser Konzept sieht wochentags feine Sterneküche und am Sonntag leckere Familienrezepte vor: da gibt es lange geschmorten Braten aus dem Holzofen und handgerollte Klöße. Unsere Azubis bekommen bei uns beides mit: zeitgemäße Haute Cuisine ebenso wie die traditionelle fränkische Landhausküche“, sagt Domenik Alex. „Zudem durchlaufen unsere Azubis alle Stationen einer Küche. Und dieses Gesamtpaket ist natürlich für ambitionierte Nachwuchsköche, die weiterkommen wollen, durchaus spannend.“
Drei Jahre dauert eine Ausbildung zum Koch; an einem Tag in der Woche steht der Besuch der Berufsschule auf dem Plan. „In unserem Beruf sind Wanderjahre üblich“, erklärt Domenik Alex, der selbst mehr als zehn Jahre in den besten Häusern Deutschlands Erfahrungen gesammelt hat. „Wir bieten unseren Azubis eine Übernahme an, müssen aber damit rechnen, dass diese weiterwandern möchten. Wenn einer seine Ausbildung in einem namhaften Restaurant absolviert hat, ist das natürlich ein ideales Sprungbrett und eine hervorragende Visitenkarte. Aber vielleicht kommt ja dann doch der ein oder andere wieder zurück in seine fränkische Heimat. Für uns ist die Ausbildung in jedem Fall ein Ansatz, mit dem wir aktiv etwas gegen den latenten Fachkräftemangel in der Branche tun wollen.“
Ben Seyferth hat sein Praktikum im Gasthof Alex erfolgreich durchlaufen und sich gegen einige weitere Kandidaten behauptet. Im September 2024 beginnt seine Ausbildung im Gasthof Alex.
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Quelle: Raithel PR